TELEPHON Erstaunliche Funde
Seit fünfzehn Jahren arbeitet die Firma InterRent mit einer Telephonanlage der DeTeWe. Doch die entscheidende Erfahrung mit ihren Berliner Partnern machten die Autovermieter erst im Sommer vergangenen Jahres.
»Wir waren immer davon ausgegangen, daß die uns gut beraten«, sagt InterRent-Manager Hartmut Synek. »Nun stellen wir fest, daß die uns jahrelang über den Tisch gezogen haben.«
Als Synek im Juli den Mietvertrag für die Telephonanlage kündigen wollte, erlebte er eine böse Überraschung: Die Kündigung ist auf absehbare Zeit überhaupt nicht möglich, weil DeTeWe über Jahre hinweg auch die kleinste Veränderung in der Anlage zum Vorwand genommen hatte, die Vertragsdauer jeweils um ein Jahr zu verlängern.
InterRent ist nicht die einzige Firma, die vom Lieferanten ihrer Telephonanlage schlecht beraten wurde. Die meisten Unternehmen sind überfordert, wenn der Hersteller bei Vertragsabschluß oder später sie mit technischen Einzelheiten überhäuft. Möglicher Widerspruch gegen irgendwelche Bedingungen erstirbt spätestens dann, wenn die Telephonlieferanten auf die Fernmeldeordnung der Bundespost verweisen, an der sich alle Verträge auszurichten hätten.
Verwirrung und Ohnmacht auf seiten der Kunden gehört offenbar zur Verkaufsstrategie der Anbieter von Fernmeldegeräten. Nur für die Hersteller selbst ist alles klar und überschaubar: Sechs Firmen - SEL, DeTeWe, Siemens, Telenorma sowie seit kurzem IBM und Nixdorf - teilen sich den Markt und bestimmen die Preise.
»In diesem Markt wird noch richtig gutes Geld verdient«, verrät der Vertriebsleiter eines der Oligopolisten. »Die Kunden blicken doch gar nicht durch.«
Das fängt schon bei der schlichten Frage an, ob ein Unternehmen eine Telephonanlage kaufen oder mieten soll. Etwa 80 Prozent aller Firmen, so schätzt Wilhelm Hübner, Vorsitzender des Verbandes der Postbenutzer, mieten ihre Anlagen - und kommen oft schlecht dabei weg.
»Jahrelang«, so Hübner, »hat die Werbung den Abnehmern eingehämmert: 'Kaufen ist blöd, mieten ist prima!' Und das glauben heute immer noch fast alle. Dabei entspricht eine Jahresbruttomiete schon einem Viertel des Verkaufspreises.« InterRent zahlte für die DeTeWe-Anlage insgesamt 1,2 Millionen Mark Miete; der Kaufpreis hätte 350000 Mark betragen.
Wird die Anlage gekauft, läßt sich zudem der Listenpreis noch herunterhandeln. Die Anbieter wollen ihre Modelle in den Markt drücken, ehe sie von neuen Serien überholt werden.
Von dieser erfreulichen Situation haben die Mieter solcher Anlagen allerdings gar nichts. Über Preise und Konditionen können sie kaum verhandeln. Sie sind langfristig an den Vermieter gebunden - mit »Knebelverträgen«, wie der Hamburger Firmenberater Reinhard Weber meint.
Solche Verträge laufen über mindestens zehn Jahre. Fast jede vom Mieter gewünschte Änderung oder Erweiterung führt zu einer Vertragsverlängerung.
Reinhard Weber, der sich als Fachberater für Abwicklung von Fernmeldeverträgen versteht, hat mit den Mietverträgen bereits hinreichende Erfahrungen der bösen Art gesammelt. Er hat auch für die Firma InterRent die Vertragstexte und die Rechnungsunterlagen der letzten 15 Jahre durchgearbeitet und dabei erstaunliche Funde gemacht.
DeTeWe hatte bei den Autovermietern 40 überflüssige Anschlußeinrichtungen für Nebenstellen installiert und abgerechnet. Eine versprochene, aber niemals eingebaute Reihenanlage führte zu einer Vertragsverlängerung um ein Kalenderjahr; mit Erweiterungen peripherer Endgeräte begründet DeTeWe fünf weitere Vertragsverlängerungen, obwohl nur Veränderungen in der Hauptanlage zu einer Verlängerung führen könnten.
Mit solchen Tricks haben es die Anbieter immer wieder geschafft, ihre Kunden langfristig an sich zu binden. Der Wechsel zur Konkurrenz ist nicht zu befürchten.
»Diese Bindung des Mieters behindert den Marktzugang von Unternehmen, die neue Techniken anbieten«, kritisiert Professor Ernst-Joachim Mestmäcker vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Der ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission bemängelt, daß die bundesdeutschen Gerichte diese Vertragspraxis bislang allein unter privatrechtlichen Gesichtspunkten geprüft hätten; der Wettbewerbsgedanke sei nicht genügend beachtet worden.
»Die Firmen sind ja selbst schuld«, meint dagegen Wilhelm Hübner vom Verband der Postbenutzer. »Auf beiden Seiten unterschreiben schließlich Kaufleute die Verträge. Rechtlich ist das in Ordnung, und Nachdenken muß schon jeder selbst.«
Mehr und mehr Firmen lassen jedoch inzwischen nachdenken. Spezialisten wie der Hamburger Telephonberater Weber bieten ihren Fachverstand dort an, wo ein Telephonnutzer sich von einem der großen Geräteanbieter übervorteilt fühlt. Sie vermitteln die richtigen Anlagen, prüfen die Leistungen der Anbieterfirmen, handeln faire Verträge und günstige Mieten aus.
Auch der Berater kommt dabei zurecht, selbst wenn er - wie der Hamburger Weber - nur ein Erfolgshonorar verlangt. Je stärker die Telephonkosten eines Großbetriebes oder einer Stadtverwaltung durch den Einsatz des Beraters schrumpfen, um so besser verdient auch er.
Und die Kosten der Telephonanlagen sind nach Webers Erfahrungen regelmäßig zu hoch. »Bei einem Kunden«, sagt er, »habe ich nur die eingegangenen Rechnungen überprüft - das hat ihm hunderttausend Mark an Rückzahlungen eingebracht.«
Den meisten Telephonnutzern scheint es zu lästig oder zu kleinlich, jede Rechnung zu überprüfen. Vieles, was da als Leistung abgerechnet wird, ist auch schwer zu durchschauen. »Die Monteure der Telephonlieferanten gehören eigentlich in den Schriftstellerverband«, meint ein Münchener Verwaltungschef, der einmal die Arbeitszettel mit den tatsächlichen Leistungen verglichen hatte.
Oft werden Rechnungen auch nur deshalb ohne weiteres bezahlt, weil die Betriebshierarchie es gebietet. Den grundlegenden Vertrag über eine Telephonanlage schließt der Lieferant in der Regel mit der Unternehmensspitze. Spätere Entscheidungen über Änderungen, Vertragsverlängerung oder fällige Zahlungen aber trifft das mittlere Management oder auch nur der Hausverwalter. Da genügt dann der drohende Hinweis des Lieferanten: »entsprechend unserer ersten Vertragsvereinbarung . . .«,
um prompten Ausgleich der Rechnung zu gewährleisten.
Werden die Kosten dann durch einen fachkundigen Berater geprüft, folgt bei den Telephonkunden meist ungläubiges Staunen. Beim Möbelhaus Ikea in Hofheim-Wallau fand Fernmelde-Experte Weber heraus, daß die Hälfte aller Rechnungen des Lieferanten SEL zu beanstanden war.
Mit Webers Hilfe setzten die Möbel-Leute SEL unter Druck: monatlich 8977 Mark für 30 Amtsleitungen und 160 Nebenstellen schienen ihnen zuviel. Die Revolte hatte Erfolg - im vergangenen Jahr zahlte Ikea nur noch 5680 Mark pro Monat an SEL.
So schnell allerdings schafft auch Weber, der früher selbst bei einem Gerätelieferanten arbeitete, nicht immer den Leistungsbeweis. Die Lieferanten wehren sich bisweilen hartnäckig, wenn ihre Kunden bessere Konditionen verlangen oder den Mietvertrag kündigen.
Die DeTeWe beispielsweise zahlte der Firma InterRent zwar anstandslos 116185 Mark und 34 Pfennig zurück, als Weber den Berlinern Tricks bei der Vertragsverlängerung nachwies. Aber aus dem lukrativen Mietvertrag wollen sie ihren Kunden nicht entlassen. »Unterschrieben ist unterschrieben«, argumentiert die Rechtsabteilung der DeTeWe.
Bei InterRent arbeitet inzwischen eine neue Telephonanlage - von Siemens. Doch DeTeWe besteht auf 50 Prozent der Restmiete für die alte Anlage und verlangt von den Autovermietern 284399 Mark.
Die aber fühlen sich getäuscht und zahlen nicht. Nun soll das Berliner Kammergericht entscheiden, ob die Firma DeTeWe ihre Kunden auch ordentlich bedient.