Euro-Umstellung Versteckspiel mit dem Verbraucher
Natürlich redet keiner gerne darüber. Gebetsmühlenartig wiederholt der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) die Preise würden nicht wegen des Euro erhöht. HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr verweist dabei auch gerne auf die BSE-Krise oder andere Preistreiber. Unterm Strich, so versuchen die Händler ihr Klientel zu beruhigen, würden sich Auf- und Abschläge die Waage halten.
Wer bezahlt die acht bis zehn Milliarden Mark?
Experten zweifeln an dem Gehalt solcher Aussagen. Denn für die Umstellung auf den Euro - auch das eine Aussage des HDE - hat der Handel zwischen acht und zehn Milliarden Mark zu verkraften. "Man sollte die Wahrheit sagen, dass eine Währungsumstellung immer Geld kostet", sagt Euro-Kritiker Wilhelm Hankel. Seiner Ansicht nach werden die Kosten der Unternehmen bei gleichbleibenden Steuern zwangsläufig über den Preis auf die Verbraucher überwälzt. "Wir werden schon jetzt verschaukelt", sagt auch Jan Engelke, Preisspezialist der Unternehmensberatung Simon, Kucher & Partners. "Schon heute werden die Preise für einige Produkte sukzessive hochgesetzt, ohne dass der Kunde dies merkt".
Aber auch die Verbraucher trauen dem Frieden nicht. Nach einer Umfrage des "Stern" erwarten 86 Prozent, dass es wegen des Euro zu versteckten Preiserhöhungen kommt.
Die Versuchung der Händler und Hersteller, die Preise gerade jetzt anzuheben, ist groß. Noch kennen sich die Käufer nicht genau mit der Umrechnung aus. Die häufig verwirrende Doppelauszeichnung wird außerdem noch nicht genau unter die Lupe genommen. Viele Konsumenten denken, dass die neue Währung noch nicht da ist, sich also auch noch nichts ändert. Ein perfektes Umfeld für Händler und Hersteller, in die große Trickkiste der Preispolitik zu greifen.
Die EZB hofft auf wachsame Bürger
Dies beunruhigt sogar Europas oberste Währungshüter. In ihrem Juli-Bericht forderte die Europäische Zentralbank die Öffentlichkeit auf, Preise und mögliche Erhöhungen sorgfältig zu beobachten. Auch "Verbraucherorganisationen und ähnliche Einrichtungen" sollten sich "dieser Aufgabe aktiv annehmen". Wie das zu geschehen habe, wollten die Währungshüter allerdings nicht sagen. Sie verweisen lieber auf die Selbstverpflichtung des Handels. Im Wortlaut heißt es da: "Der HDE und die ihm angeschlossenen Einzelhandelsunternehmen erkennen an, dass im Zuge der Einführung des Euro (...) Preisstabilität einen Schlüsselfaktor für einen erfolgreichen Übergang zum Euro darstellt."
Nach Ansicht der Verbraucherschützer ist diese Erklärung zu schwammig. Carel Mohn, Sprecher des Verbraucherzentrale Bundesverbands, sieht bereits jetzt, dass diese auch nicht eingehalten wird: "Die neue Auszeichnung der Preise führt nicht selten zu Preiserhöhungen", sagt er. Ihn ärgert vor allem, dass sich das Bundeswirtschaftsministerium an der Verwirrung beteiligt. Dieses habe dem Handel nahe gelegt, schon jetzt die Euro-Preise größer zu drucken als die D-Mark-Preise. Verbraucherschützer Mohn sieht darin "eine Einladung zur Irreführung der Verbraucher".
Dass Preiserhöhungen angesichts des Euro bereits jetzt in vollem Gange sind, belegt eine Studie des Instituts für angewandte Verbraucherforschung, die von der ARD in Auftrag gegeben wurde. Bei rund zehn Prozent der 1200 untersuchten Produkte wurden Preiserhöhungen festgestellt. Dafür ist nach Auffassung der Forscher in über 80 Prozent der Fälle die Umstellung auf den Euro verantwortlich. Bei den gefundenen Preissenkungen konnten die Experten nur in knapp 20 Prozent der Fälle einen Zusammenhang mit der Euro-Einführung herstellen.
Die Gefahr eines generellen Preisauftriebes sehen die Verbraucherforscher allerdings nicht. Sie erwarten, dass etwa die Hälfte der jetzigen Preiserhöhungen bei der Einführung des Euro wieder rückgängig gemacht wird. Dann allerdings nicht versteckt, sondern mit vollem Werbetrara.