Exxon in Not Ölproduktion bei weltgrößtem Energiekonzern fällt dramatisch

Der Energieriese Exxon fördert deutlich weniger Öl als im Vorjahr. Trotz der hohen Rohstoffpreise fiel die Produktion im ersten Quartal um zehn Prozent. Experten warnen vor einem gefährlichen Trend: Geht der Welt das Öl aus?

Hamburg - Die Aktionäre von Exxon Mobil   sind ziemlich verwöhnt. Der Energiegigant aus den USA ist gemessen am Börsenwert das größte Unternehmen der Welt. Allein im vergangenen Jahr kletterte der Aktienkurs um satte 20 Prozent, vor allem dank des hohen Ölpreises. Der Gewinn 2007: sagenhafte 40,6 Milliarden Dollar, der höchste Wert, den je ein Unternehmen erreicht hat.

Umso erschreckender sind die Zahlen, die Exxon ("Esso") am gestrigen Donnerstag bekannt gab. Demnach ist die Ölproduktion im ersten Quartal 2008 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um fast zehn Prozent gefallen, in manchen Weltregionen wie Afrika sogar um 20 Prozent. Man habe Schwierigkeiten, die Förderung auszuweiten, teilte das Unternehmen etwas beschönigend mit. Umso klarer der Kommentar der "Financial Times": "Exxon zeigt erste Zeichen von Schwäche."

Beobachter stellen nun die bange Frage: Geht dem größten Energiekonzern der Welt das Öl aus?

Die Produktionszahlen sind umso erstaunlicher, als der Ölpreis seit Monaten steigt und steigt. Erst am vergangenen Montag erreichte er bei fast 120 Dollar pro Fass einen neuen Rekordstand. Bei diesem Niveau müsste ein Unternehmen wie Exxon seine Förderung eigentlich massiv ausbauen - zumindest nach der Logik der Marktwirtschaft. Was hat es also zu bedeuten, wenn die Ölproduktion trotzdem sinkt? Und vor allem: Was heißt das für die weltweite Energieversorgung, wenn schon die Nummer eins der Branche strauchelt?

An der Börse sorgten diese Überlegungen für einen Kurssturz. Zum Handelsstart am heutigen Freitag fiel die Exxon-Aktie um fast vier Prozent. Bei dem gigantischen Börsenwert des Unternehmens entspricht dies einer Milliardenvernichtung.

Für Verunsicherung sorgte auch der Gewinn von Exxon im ersten Quartal. Denn der stieg trotz des hohen Ölpreises nur um 17 Prozent auf gerade einmal 10,9 Milliarden Dollar - eigentlich viel Geld, doch Experten hatten mit deutlich mehr gerechnet. Der Umsatz kletterte um mehr als ein Drittel auf 116,9 Milliarden Dollar. Doch auch das war weniger, als die Anleger gehofft hatten.

Und Exxon ist nur ein Beispiel von vielen. "Die Nachricht passt durchaus in den Trend", sagt Rainer Wiek vom Energieinformationsdienst EID zu SPIEGEL ONLINE. "Die Ölkonzerne schaffen keine großen Sprünge mehr."

"Es gibt genug Öl auf der Welt"

Das Problem der Unternehmen: Sie kommen immer seltener an Ölquellen heran. 80 Prozent der weltweiten Reserven liegen in Ländern, in denen Staatsfirmen das Sagen haben - zum Beispiel in Russland oder Venezuela. "Die lassen die privaten Multis einfach nicht mehr rein", sagt Wiek. Exemplarisch macht dies in diesen Tagen Bolivien vor: Die Linksregierung von Präsident Evo Morales verstaatlicht gerade vier ausländische Firmen, darunter auch eine deutsche.

An sich wäre dies nicht dramatisch. Wenn Staatsfirmen die Lücke schlössen, die Exxon und Co. hinterlassen, wäre die Versorgung der Welt mit Öl gesichert. Doch genau das ist nicht der Fall. Denn die letzten verbliebenen Ölfelder der Erde sind nur sehr aufwändig zu erschließen. Und das Know-how dafür haben oft nur private Unternehmen.

Der russische Ölkonzern Lukoil brachte es kürzlich auf den Punkt: Mit seltener Offenheit gab Vizechef Leonid Fedun zu, dass sein Unternehmen die Produktion nicht weiter steigern könne, das Maximum des Möglichen sei erreicht.

"Das stimmt aber nur zum Teil", sagt Wiek vom EID. Russische Unternehmen hätten schlichtweg technische Defizite. Ließe der Kreml ausländischen Firmen mehr Freiheit, könnten sie auch mehr fördern. "Es gibt genug Öl und Gas auf der Welt. Man kommt nur nicht ran."

Der Energiebedarf könnte sich verdoppeln

Allerdings: Eine Mitschuld tragen auch die Multis selbst. "Jahrelang haben sie unterschätzt, wie die Nachfrage steigt", sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Derzeit liege die weltweite Ölförderung bei knapp 87 Millionen Barrel am Tag. "Wenn man rechtzeitig investiert hätte, könnten es gut 100 Millionen sein."

Doch in der Vergangenheit hatten viele Firmen Angst, dass der Ölpreis wieder sinkt. Teure Investitionen in Förderanlagen hätten sich dann nicht rentiert. Mittlerweile findet aber ein Umdenken statt. "Es setzt sich die Einsicht durch, dass die Preise hoch bleiben", sagt Kemfert.

Dafür sorgt allein schon die steigende Nachfrage. Je mehr Inder und Chinesen Auto fahren, desto mehr Öl wird gebraucht. Prognosen gehen davon aus, dass sich der weltweite Energiebedarf bis 2030 verdoppelt.

Die Familie Rockefeller mischt sich ein

So kündigt Exxon denn auch ein umfassendes Investitionsprogramm an: In diesem Jahr stünden bis zu 30 Milliarden Dollar für neue Explorationsprojekte bereit, teilte das Unternehmen im März mit. 2007 hatte das Unternehmen nur 21 Milliarden Dollar dafür aufgewendet.

Eines ist jedoch klar: Bis die Investitionen in neue Förderanlagen wirken, vergeht viel Zeit. "Wenn man jetzt anfängt, hat man das Öl in fünf Jahren", sagt Kemfert.

Langfristig nützt das trotzdem nicht viel. Denn irgendwann wird der Welt das Öl tatsächlich ausgehen - da hilft keine noch so gute Fördertechnik. Dies hat nun auch Exxon erkannt. Jahrelang hatte sich das Unternehmen gegen alles gesperrt, was irgendwie nach Öko roch. Nun drängt ausgerechnet der wichtige Großaktionär, die Rockefeller-Familie, zu einem vorsichtigen Kurswechsel: Die Erben der Öl-Dynastie fordern neuerdings mehr Engagement bei umweltfreundlichen Energien.

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