Wegen US-Subventionen Wirtschaftsberater warnen vor Abwanderung von Industrienetzwerken

Stahlarbeiter bei Thyssenkrupp in Duisburg
Foto: Rupert Oberhäuser / IMAGODas milliardenschwere US-Förderprogramm zur Inflationsbekämpfung (Inflation Reduction Act) könnte die Europäische Union im Standortwettbewerb mit den Vereinigten Staaten deutlich zurückwerfen. Davor warnt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY in einer Studie. »Es besteht die Gefahr, dass Industrien wie die Stahl- oder Autobranche mit wesentlichen Investitionen in die USA gehen und ihre Zuliefernetzwerke mitziehen«, sagt EY-Deutschlandchef Henrik Ahlers. Umgekehrt könne man ein Momentum erzielen, wenn solche Schlüsselinvestitionen in Europa getätigt würden.
Die Strategie der EU liefere »keine Anreize für Investitionen in die Dekarbonisierung der Industrie in Deutschland und Europa«, heißt es in der Studie. In der Analyse wird berechnet, wie schnell sich Investitionen in grüne Technologien in den USA und in Deutschland rentieren. Untersucht wird die Umstellung der Rohstahlproduktion vom klassischen Hochofen auf ein Direktreduktionsverfahren mit Wasserstoff.
Zu Beginn der Investition im Jahr 2023 bestehe sowohl in den USA als auch in Deutschland eine Wirtschaftlichkeitslücke – also ein Minus im Vergleich zum konventionellen Weiterbetrieb des Stahlwerks, schreibt EY. Ein Teil dieser Wirtschaftlichkeitslücke könne in beiden Ländern durch die jeweiligen Förderinstrumente geschlossen werden. Die verbleibende Lücke zulasten des Investors sei in Deutschland mehr als viermal so hoch wie in den USA.
In den USA wäre der klimafreundliche Prozess dank der neuen Steuergutschriften und niedriger Stromkosten bereits im vierten Jahr genauso wirtschaftlich wie ein konventioneller Weiterbetrieb des Stahlwerks. Vom sechsten Jahr an wäre er sogar günstiger. In Deutschland werde dieser Punkt nicht einmal in zehn Jahren nach der Umstellung erreicht.
Die Hauptgründe für die günstigere Entwicklung in den USA seien niedrige und weiter sinkende Strompreise sowie eine über die Zeit gleichbleibende Förderung durch Steuergutschriften. Dadurch würden die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff bis 2030 auf fast null absinken, während sie in Deutschland nach EY-Prognose noch bei über vier Dollar pro Kilogramm liegen würden.
Die EU fördert grüne Technologie, indem CO2-intensive Produktion über Zertifikate verteuert wird. Zudem gibt es Fördergelder für ausgewählte Projekte. Noch nicht eingeführte Instrumente wie die geplanten Klimaschutzverträge könnten Unternehmen nur schwer in ihre Kalkulation einbeziehen, heißt es in der Studie.
»Jedes Unternehmen, jeder Investor überlegt jetzt, wo er in die Klimawende investiert«, sagt EY-Manager Ahlers. Für die Regierungen gehe es darum, sie zum Loslaufen zu bringen. »Und sie laufen los, wenn sie Aussicht auf Rendite haben.« Der europäische Ansatz sei es, Ziele und Regeln für den Weg vorzugeben, das sei aber verkehrt herum gedacht, wenn man Unternehmen zu schnellem Handeln motivieren möchte. Man müsse erst skalieren, dann strenger regulieren.
Mögliche Antworten auf die US-Förderungen seien die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Superabschreibungen auf Investitionen in klimafreundliche Technologien, sagt Ahlers, »oder ein Industriestrompreis, der umso günstiger ist, je mehr in die Dekarbonisierung investiert wird«.