Wirtschaftsflaute Notenbanker streiten über Kauf von Staatsanleihen

EZB-Chef Draghi (Mitte): Erstmals tagten die Notenbanker in der neuen Zentrale
Foto: AP/dpaFrankfurt am Main - Für Mario Draghi ist es die letzte Hoffnung, für die meisten Deutschen eine Horrorvorstellung: Um die schwache Wirtschaft anzukurbeln, könnte die Europäische Zentralbank (EZB) im kommenden Jahr in großem Stil Staatsanleihen aufkaufen. Man werde Anfang 2015 die bisherigen geldpolitischen Maßnahmen überprüfen und bei Bedarf "Umfang und Tempo" ändern, sagte Notenbankchef Mario Draghi am Donnerstag nach der Sitzung des EZB-Rats.
Es geht dabei um das sogenannte "Quantitative Easing". Darunter versteht man den großflächigen Ankauf von Anleihen - meist Staatsanleihen - durch eine Notenbank. Durch solche Käufe am Markt will die Notenbank das allgemeine Zinsniveau drücken und damit auch Kredite an Unternehmen verbilligen. So soll die schwächelnde Wirtschaft der Eurozone wieder in Schwung kommen - und die Inflation steigen.
"Wir werden tun, was wir tun müssen", hatte Draghi schon in der vergangenen Woche vollmundig angekündigt. Dass er sich diesmal etwas vorsichtiger gab, dürfte an dem Streit gelegen haben, der den 24-köpfigen EZB-Rat derzeit spaltet.
Draghi und seine engsten Mitstreiter wie Vizepräsident Vítor Constâncio und Direktoriumsmitglied Benoît Cœuré sehen die großangelegten Anleihekäufe als wichtiges Mittel, das auch andere Notenbanken wie die amerikanische Fed schon erfolgreich angewandt haben. Hingegen fürchtet etwa Bundesbank-Präsident Jens Weidmann unerlaubte Staatsfinanzierung, wenn die EZB den Euroländern deren Schulden abkauft. Auch die deutsche EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger hatte zuletzt gewarnt, die Hürde für groß angelegte Kaufprogramme liege "sehr hoch".
"Es war eine reichhaltige Diskussion"
Entsprechend kontrovers dürfte die Aussprache bei der EZB-Ratssitzung am Donnerstag verlaufen sein, das ließ auch Draghi hinterher ungewohnt deutlich durchblicken. "Es war eine reichhaltige Diskussion", sagte der Italiener - Notenbanker-Worte, die man auch mit "es gab ziemlich Zoff" übersetzen kann.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, haben Weidmann und Lautenschläger gegen eine Formulierung in der offiziellen Mitteilung gestimmt, wonach die Ausweitung der EZB-Bilanzsumme angestrebt werde - ein klares Signal für Anleihekäufe. Die beiden Deutschen wurden demnach aber überstimmt.
Man habe "viele verschiedene Varianten des Quantitative Easing besprochen", sagte Draghi. Er sei immer noch zuversichtlich, dass man zu einem Konsens komme. Einstimmigkeit sei aber im Zweifelsfall nicht nötig, um dieses "wichtige Instrument" der Geldpolitik durchzusetzen.
Argumente für Draghis Linie lieferten am Donnerstag seine Kollegen aus der Volkswirtschaftsabteilung. Sie senkten ihre Wachstumserwartungen für die Eurozone. Für 2015 rechnen sie nun nur noch mit einem mauen Plus von einem Prozent. Auch die Inflationsrate, die zuletzt bei 0,3 Prozent lag, soll laut EZB-Prognose im kommenden Jahr nur noch leicht auf 0,7 Prozent steigen. Das ist weit weg vom eigentlichen Ziel der EZB: einer Teuerungsrate knapp unter zwei Prozent.
Dort wollen die Währungshüter wieder hin, das machte Draghi deutlich. "Wir werden keine langfristigen Abweichungen von unserem Mandat tolerieren", sagte der EZB-Chef. Sein Problem ist allerdings, dass er schon ziemlich viel von seinem Pulver verschossen hat: So hat die Notenbank bereits den Leitzins, zu dem sich Banken bei ihr kurzfristig Geld leihen können, auf den historischen Tiefststand von 0,05 Prozent gesenkt. Für Einlagen der Banken verlangt sie sogar Negativzinsen.
Doch die erhoffte Wirkung ist bisher ausgeblieben. Die Kreditvergabe an Unternehmen, die die EZB eigentlich ankurbeln will, ist weiter rückläufig (siehe Grafik). Ob der Kauf von Kreditpaketen und Pfandbriefen, mit dem die Notenbanker kürzlich begonnen haben, daran etwas ändert, ist noch unklar. Doch die Zeichen stehen nicht besonders gut. Zu klein scheint der Markt für solche Produkte, als dass sich damit viel bewegen ließe.
Zudem bleibt die Frage, ob es tatsächlich am Preis des Geldes, also am Zins liegt, dass die Unternehmen in einigen Eurostaaten kaum investieren. Oder ob Unternehmen und Banken nicht noch damit beschäftigt sind, die Folgen des letzten Schuldenexzesses zu verdauen. Dann nämlich würden auch die günstigsten Zinsen nur schwer zu mehr Investitionen führen, sondern höchstens zur schnelleren Schuldentilgung.