Unruhe an den Finanzmärkten EZB-Rat beruft überraschend außerordentliche Sitzung ein

Verunsicherte Finanzmärkte und steigende Zinsen haben den Rat der EZB zu einer Ad-hoc-Sondersitzung bewogen. Dort sollten die »aktuellen Marktbedingungen« besprochen werden. Die Ankündigung trieb den Euro nach oben.
Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt

Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt

Foto: Michael Probst / AP

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat angesichts der Unruhe an den Finanzmärkten überraschend ein außerordentliches Treffen ihres Rats einberufen. »Der EZB-Rat wird am Mittwoch eine Ad-hoc-Sitzung abhalten, um die aktuellen Marktbedingungen zu erörtern«, sagte ein EZB-Sprecher am Mittwochmorgen. Der Euro stieg nach Bekanntwerden des Treffens auf ein Tageshoch von 1,0493 US-Dollar.

Die Währungshüter wollen in der Ratssitzung die Folgen der jüngsten Verkaufswelle am Anleihemarkt erörtern. Laut mehreren Insidern ist die Sitzung für elf Uhr anberaumt. Es sei aber noch nicht klar, ob eine Mitteilung veröffentlicht werden soll. Einige Ratsmitglieder, die an diesem Mittwoch eigentlich auf einer Veranstaltung in Mailand erwartet wurden, hätten wegen der Ratssitzung ihre Reise dorthin abgesagt.

Bei ihrem Treffen in der vergangenen Woche in Amsterdam hatte die EZB angekündigt, dass beim nächsten regulären Treffen am 21. Juli die Zinssätze um 0,25 Prozentpunkte angehoben werden sollen. Im September sei möglicherweise auch »ein größerer Zinsschritt angemessen«, hieß es. Die Netto-Anleihekäufe unter dem Anleihekaufprogramm APP sollen bis Ende Juni eingestellt werden.

Bereits in den vergangenen Tagen waren die Zinsen an den Kapitalmärkten stark gestiegen, während sich die Aktienmarktstimmung deutlich verschlechterte. Analysten nannten als Hauptgrund die straffere Geldpolitik der US-Notenbank Fed, aber auch die Aussicht auf Zinserhöhungen der EZB. Besonders deutlich stiegen zuletzt die Zinsen in südeuropäischen Ländern. In Italien liegt der Zins für zehnjährige Staatsanleihen wieder über der Marke von vier Prozent. Ende März hatte er nur halb so hoch gelegen.

Der Renditeabstand (Spread) zwischen den Staatsanleihen Deutschlands und denen höher verschuldeter südlicher Euroländer, insbesondere Italien, war auf den höchsten Stand seit über zwei Jahren geklettert. Für solche stärker verschuldeten Euroländer könnten die höheren Risikoaufschläge Experten zufolge zu einem Problem werden.

Laut EZB-Direktorin Isabel Schnabel beobachtet die Notenbank die Entwicklung am Anleihemarkt genau. In einem Vortrag in Paris sagte sie am Dienstag, die Geldpolitik könne und solle auf eine ungeordnete Neubewertung von Risikoaufschlägen reagieren, die die Preisstabilität bedrohe und die Maßnahmen der Notenbank durchkreuze.

Nötigenfalls werde die EZB auch neue Instrumente entwickeln und einsetzen. Diese könnten unterschiedlich ausgestaltet werden und würden innerhalb des Mandats verbleiben, sagte sie. Ein erstes Gegenmittel, um die Renditeabstände einzudämmen, ist der deutschen EZB-Direktorin zufolge die flexible Wiederanlage der Gelder aus abgelaufenen Anleihen im Rahmen des billionenschweren Bond-Kaufprogramms PEPP.

kig/dpa-AFX/AFP/Reuters
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