Fachkräftemangel Papi im Wickeleinsatz bei Airbus
Hamburg - Ein Floß bauen, am Lagerfeuer kochen, Pfeil und Bogen schnitzen: Das gehört nicht gerade zum Standardrepertoire von Airbus-Mitarbeitern. Aber wer will, der kann es bei dem Flugzeugbauer lernen. Airbus in Hamburg bietet seinen Angestellten regelmäßig am Wochenende Zeltlager mit Schatzsuche in der Lüneburger Heide für Väter mit Kindern im Grundschulalter. Für werdende Väter hat das Unternehmen Wickelkurse im Programm. Start-up-Workshop heißt das hier.
Väter von Jugendlichen können sich deren rätselhaftes Verhalten im Betrieb erklären lassen: "Pubertät: Augen auf und durch", heißt ein Seminar. Alle Veranstaltungen sind für die Mitarbeiter kostenlos - Airbus zahlt.
Das Unternehmen hat die Väter im Angestellten entdeckt. Und bekommt Unterstützung aus erster Hand: Volker Baisch von der Hamburger Beratungsstelle Väter e.V. hilft. Gemeinsam mit Airbus kreiert er derzeit einen Fragebogen für die Mitarbeiter, um deren Wünsche zu erfahren. Er hat ein Umdenken bei den Arbeitgebern festgestellt. "Viele Firmen steigen durch das neue Elterngeldgesetz in das Thema ein und überlegen, was sie verbessern können."
Um gute Leute zu bekommen oder zu halten, reicht die Lohntüte nicht mehr aus. Gerade in Bereichen, wo es heute schon einen Mangel gibt: Ingenieure, Facharbeiter. Auch der angeschlagene Flugzeugbauer, der am Montag zur Lösung seiner Management-Probleme eine neue Führungsstruktur verkündete, kann auf gute, qualifizierte Mitarbeiter nicht verzichten. "Work-Life-Balance" lautet die Zauberformel: Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. Airbus nennt sein Papa-Programm "IPEV": Innovative Personalentwicklung für Väter. Seit Juni darf das Unternehmen das Gütesiegel "familienfreundliches Unternehmen" führen.
Zwar ist die Rollenverteilung in den allermeisten Familien weiterhin so, dass der Mann das Geld - oder zumindest den größten Teil davon - verdient. Aber viele Väter sehen sich eben doch nicht mehr als reine Versorger; sie wollen sich auch in der Familie engagieren. In den USA gibt's die ersten Bücher zum Thema auf dem Markt: Etwa "CEO Dad: How to avoid getting fired by your Family" (Chef Papa: Wie Sie es verhindern von ihrer Familie gefeuert zu werden), geschrieben vom Manager Tom Stern. Passend zum Umdenken lockt der Arbeitgeber mit flexiblen Arbeitszeiten, der bei der Kita-Platzsuche hilft oder seinen Leuten ermöglicht, einen Teil der Arbeit von Zuhause zu erledigen.
"Die Spitze eines Trends"
Längst haben das viele Unternehmen erkannt. Die gemeinnützige Gesellschaft "Beruf und Familie" zertifiziert seit 1999 familienfreundliche Betriebe in Deutschland - und verzeichnet seit Jahren wachsende Anfragen. Das Gütesiegel ist begehrt. Bemühungen, sich verstärkt um die Väter zu kümmern, sind jedoch relativ neu.
"Unternehmen, die Angebote für Väter machen, liegen damit an der Spitze eines Trends", sagt Geschäftsführerin Antje Becker. "Beruf und Familie" hat neben Airbus eine Handvoll weitere Unternehmen ausfindig gemacht, die sich ebenfalls verstärkt um das Wohl der Väter kümmern. So etwa die Commerzbank, Datev und Lucent. Auch die Universität Saarbrücken und Windwärts Energie.
Familienfreundliche Sozialleistungen sind keine selbstlosen Geschenke der Arbeitgeber: Es geht um Geld und Wettbewerbsvorteile. "Zufriedene Mitarbeiter sind motivierter, fehlen weniger und kehren nach der Familienpause häufiger in das Unternehmen zurück", begründet Airbus-Personal-Geschäftsführer Jörg Kutzim die Initiative. "Wir möchten Vorbild sein in der Schaffung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen, um im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter ein attraktiver Arbeitgeber zu sein."
Laut einer Studie des Forschungsinstituts Familienbewusste Personalpolitik an der Uni Münster macht sich ein neuer Ansatz in der Personalpolitik deutlich positiv bemerkbar: Den Zahlen zufolge sanken bei den zur Familienfreundlichkeit konvertierten Firmen die Fehlzeiten der Mitarbeiter innerhalb eines Jahres um 34 Prozent, gleichzeitig stieg das Image im Schnitt um 13 Prozent, und Stellen von Führungs- und Fachkräften ließen sich um zehn Prozent schneller besetzen. Eine klassische Win-Win-Situation.