MANAGER Fälliger Wechsel
In seinem kanadischen Eishockey-Klub hechelte der Druckereifacharbeiter Hans Woitschätzke meistens seinen Gegnern hinterher:"Die Kanadier«,merkte der frühere Spieler des Mannheimer ERC, »konnten rückwärts schneller laufen als ich vorwärts.«
Mit der angestrebten Karriere als Eishockey-Profi war es aus. Das sieht Woitschätzke,der nach seiner Lehre mit 19 Jahren nach Kanada ausgerissen war, noch heute als »Mißerfolg«. So wie damals, 1959, ist er seitdem nicht mehr gescheitert.
Er hat in aller Welt gearbeitet, hat für Druckereien Kunden akquiriert, Ski verkauft und Waschmittel. Nun hat der 47jährige einen neuen Job: Er wird Vorstandsvorsitzender des fränkischen Sportartikelkonzerns Puma. »Einfach super« findet der Puma-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Emcke seinen neuen Mann, den er vergangene Woche präsentierte. Emcke im Hauptberuf Unternehmensberater ist sicher, daß er für das schwer angeschlagene Unternehmen »den richtigen Mann zum richtigen Zeitpunkt« ausgewählt hat.
Ganz ähnlich sehen das wohl auch die Führungskräfte in Herzogenaurach. »Mit Erleichterung«, so ein Puma-Manager, reagierten sie auf die Ernennung.
Verständlich, denn in Woitschätzke, den Emcke unter 14 Kandidaten herausfilterte,
bekommen sie einen Marketing-Experten, der sich im Sportartikelgeschäft auskennt: Er hat als Chef der Ski- und Tennisschlägerfabrik Kneissl in Kufstein Erfahrungen gesammelt.
Woitschätzke hatte die konkursreife Firma 1981 übernommen und bald saniert. In dem hart umkämpften Skimarkt, wo die Hersteller mit allen Tricks ihre Überkapazitäten abladen, hat er etwas dazugelernt, was er auch bei Puma verwerten möchte: die Fähigkeit nämlich, »wie man sich gegen Schläge - auch die unter die Gürtellinie - wehrt«.
Der Kneissl-Chef hat es lange im Skigeschäft ausgehalten. Bei dem ungleich mächtigeren Sportmulti Puma sieht er eine neue Herausforderung- in Herzogenaurach kann er »in einem größeren Stadion spielen«.
Herausforderungen und vor allem Neues hat Woitschätzke schon immer gesucht. Nach seinem geplatzten Traum vom Eishockey-Profi quittierte er seinen Drucker-Job in Kanada und trampte in den USA herum. Nach einem Jahr war Woitschätzke in Venezuela gelandet. Dort fing er in einer Großdruckerei als Assistent des Verkaufsleiters an, stieg in der Firmenhierarchie auf und kündigte.
Bei dem US-Waschmittelkonzern Procter & Gamble in Caracas begann er ziemlich weit unten als Marketing-Assistent. Nach drei Jahren hatte der Deutsche mit seinem akzentfreien Spanisch und Englisch den Aufstieg geschafft, es zu Porsche und Mitgliedschaft im Golfklub gebracht. Ein Jahr darauf kündigte er.
In den USA, Woitschätzke war inzwischen 26, fing er ein Studium an. Den Job bei Procter & Gamble hatte er nur durch ein Versehen ergattert - für diese Position hätte er mindestens ein College-Examen nachweisen müssen. Doch seine Chefs in Venezuela, erinnert sich Woitschätzke, »wußten mit meinen deutschen Zeugnissen nichts anzufangen« - sie akzeptierten seinen Facharbeiterbrief und das Zeugnis seiner Gewerbeschule in Mannheim.
Schon in Venezuela hatte Woitschätzke sich per Fernstudium auf das Abitur vorbereitet. An der Universität Boston schaffte er sein Examen »im Hauruck-Verfahren": in zwei Jahren statt der üblichen vier.
Noch während er anschließend auf der Harvard Business School weiterstudierte, machte er mit seinem Kommilitonen William Danner eine eigene Beratungsfirma auf, die »Marketing Action Group«.
Die beiden beschränkten sich nicht auf die Beratung der Rasierklingenfirma Gillette. Sie überlegten gleichzeitig ständig, mit welchen Produkten sie Geld machen könnten. Ihnen fiel auch etwas ein: ein Langlauf-Ski mit einem Schuppenbelag für die Gleitfläche - der Läufer kann mühelos vorwärts gleiten, rutscht aber auch nicht rückwärts, wenn es mal bergauf geht.
Doch die Skiläufer waren gar nicht versessen auf den Schuppen-Ski der beiden Harvard-Studenten. Danners und Woitschätzkes Firma Trak, die das neuartige Gerät bei Skiherstellern fertigen ließ, kümmerte dahin.
Woitschätzke brauchte einen neuen Job. In Ingelheim am Rhein heuerte er bei dem Pharma-Unternehmen Boehringer an, wurde nach einem Jahr Abteilungschef und kündigte wenig später, um sich erneut mit Ski zu befassen.
In den USA war plötzlich der Schuppen-Ski gefragt, mit der Firma Trak ging es steil aufwärts. Der »Trak-Nowax Schuppenski« wurde weltweit die größte Langlauf-Marke. Kneissl kam hinzu und im vergangenen Jahr die US-Marke Olin. Trak wurde in den neugegründeten Mini-Konzern TriStar Sports Inc. eingegliedert, Woitschätzke Vizepräsident und Europa-Manager.
Das war er nun wohl lange genug. In seinem neuen Job bei Puma dürfte Woitschätzke es mit der schwierigsten Aufgabe seines Lebens zu tun haben. Das einst florierende Unternehmen steckt immer noch in Schwierigkeiten - Folge des Desasters im US-Geschäft. In Amerika fiel im vergangenen Jahr ein Verlust von 75 Millionen Mark an.
Der bisherige Vorstandsvorsitzende Armin Dassler, der zusammen mit seinem Bruder Gerd 72 Prozent der Puma-Aktien hält, muß auf dringende Empfehlung der Deutschen Bank ins zweite Glied treten. Er wird schlichtes Mitglied des Aufsichtsrats.
Nach Emckes Meinung ist einer wie Woitschätzke genau das, was Puma braucht. Mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden sei die Firma zu sanieren - »mit einem orthodoxen Mann kriegt man so was nicht hin«.