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UNTERNEHMER Fahren und fliegen

Erich Sixt, Deutschlands Autoverleiher Nummer eins, steigt in die Reisebranche ein: Mit wenig Geld und flotten Sprüchen.
aus DER SPIEGEL 2/1997

Wundersame Welt: In Taufkirchen bei München wird ein Reisebüro eröffnet. Zwölf Mitarbeiter verkaufen Flugtickets. Der Geschäftsführer, ein gewisser Albrecht Wangerin, klopft ein paar Sprüche. Und schon vermelden seriöse Zeitungen das Ereignis in gleicher Größe wie die Nachricht, daß die Weltkonzerne Mobil Oil und BP jetzt zusammenarbeiten.

Wangerin will 20 000 bis 25 000 Kunden gleich im ersten Jahr gewinnen, »eher vorsichtig geschätzt«. Und willkommen ist auch nicht jeder. »Wer sagt, er will an Pfingsten weg und weiß noch nicht, wohin, dem können wir nur sagen: überleg selbst.«

Nur gutinformierte Kunden, die einen Flug und möglichst einen Leihwagen wollen, will das neue Reisebüro bedienen. Menschen eben, so Wangerin, »für die eine Neckermann-Pauschalreise eine Bedrohung ist«.

Wangerins Sprüche würden üblicherweise dazu führen, daß er fortan als größenwahnsinnig gilt. Doch der 40jährige hat »noch jemanden im Hintergrund stehen« - und das ist »Deutschlands härtester Unternehmer« (wirtschaftswoche): Erich Sixt, Großaktionär und Vorstandschef des größten Autovermieters im Lande, ein Selfmade-Manager, der die Branche seit zwei Jahrzehnten das Fürchten lehrt.

Unterschätzt jedenfalls wird der ehemalige Student der Betriebswirtschaftslehre, der seine akademische Laufbahn frühzeitig abbrach, inzwischen von niemandem mehr. Im Gegenteil: Sixt trauen viele inzwischen fast alles zu. Sogar, daß er sich im harten Wettkampf der Reisebüros, in den er sich jetzt mit der Sixt Travel GmbH stürzt, erfolgreich durchsetzt.

Erich Sixt ist in der Branche ein Außenseiter. Für die etablierten Autoverleiher hat er nur Spott übrig. Interrent bezeichnet er schon mal als »Luxorent«, und Konkurrent Europcar firmiert bei ihm als »Teurocar«.

Noch vor Daimler-Benz-Chef Jürgen Schrempp verkündete Sixt, »bei mir steht der Profit im Mittelpunkt«. Im Gegensatz zu Schrempp will Sixt den Spruch auch nicht nachträglich relativieren. Der Autovermieter mit dem Zwei-Milliarden-Umsatz bekennt sich dazu, daß er nichts übrig hat für gute Taten: »I spend nix.«

Diese Auftritte und eine freche Werbung ("Mieten Sie einen C-Klasse Mercedes zum Preis eines Golf") sorgen dafür, daß der Mann in Deutschland meist als eigenwilliger Tausendsassa und Draufgänger beschrieben wird. In den USA würde Sixt »als Sinnbild für die unbegrenzten Möglichkeiten des Tüchtigen gelten« (frankfurter allgemeine).

Seine Geschichte enthält alles, was zu einer Erfolgsstory gehört: Es ist der Kampf des Kleinen gegen die übermächtigen Konkurrenten - und eine Familien-Saga.

Großvater Sixt kann als Erfinder des Autoverleihs in Deutschland bezeichnet werden. Er vermietete Anfang des Jahrhunderts vier Mercedes-Karossen inklusive Fahrer an amerikanische Touristen, die sich durch Europa chauffieren ließen.

Vater Sixt holte nach Kriegsende einen Mercedes-Pullman aus dem Heuschober, den er dort vor der drohenden Beschlagnahme durch die Nazis versteckt hatte, und fuhr amerikanische Soldaten durch München. Er verdiente harte Dollar und war nach Einschätzung seines Sohnes für kurze Zeit einer der reichsten Männer Münchens: »Die halbe Stadt hätte er kaufen können.«

Doch dann fraß die Währungsreform einen Großteil des Reichtums auf. Als Erich 1969 das Geschäft übernahm, war der Autoverleih Sixt mit 200 Fahrzeugen allenfalls in München und Umgebung eine bekannte Größe.

Sixt junior wollte mehr. Den Großen seines Gewerbes, Hertz, Europcar und Avis, wollte er es zeigen. Die beherrschten damals den deutschen Markt und bestimmten die Preise fast nach Belieben. Aber sie hatten, wie Sixt schnell erkannte, eine leicht verwundbare Stelle: Sie waren an bestimmte Autohersteller gebunden. Hertz gehörte zu Ford, an Europcar/Interrent war Volkswagen beteiligt, und Avis kooperierte in Europa mit General Motors.

Der aufstrebende Konkurrent bot vor allem Leihwagen von Mercedes und BMW an, um Geschäftsreisende als Kunden zu gewinnen. Als unabhängiger Vermieter konnte er beim Autokauf größere Rabatte aushandeln als seine Konkurrenten.

Anfangs zog Sixt den Spott der Wettbewerber auf sich. Der ehemalige Interrent-Chef Richard van Beers bezeichnete ihn als »vernachlässigbare Größe«. Später waren die Etablierten wütend über den Newcomer und ließen ihm die Werbung verbieten, mit der er einen Mercedes zum Preis eines Golfs anbot. Das sei, erkannte das Gericht, vergleichende Werbung, und die ist in Deutschland verboten.

Solche Aktionen machten Sixt nur noch bekannter. Seinen Aufstieg zum Marktführer leitete er Anfang der Achtziger ein. Er etablierte sich als Preisbrecher und Anbieter mit der frechsten Werbung. Einen Porsche bot er mit dem Spruch an: »Neid und Mißgunst für 99 Mark.«

Beides war auch Erich Sixt schnell gewiß. Das liegt nicht nur an seinem Erfolg, sondern auch daran, daß Sixt sich nie an das Heer der grauen Zweireiher anpaßte. Er »rasiert sich unordentlich, trägt einen wurstigen Anzug und den Binder meistens locker«, notierte die wirtschaftswoche. Schlimmer noch stieß manchen Unternehmerkollegen auf, daß Sixt nach der Vereinigung Deutschlands Anzeigen mit dem Text veröffentlichte: »Die Wiedervereinigung wird teuer, Sixt bleibt günstig.«

Beliebt kann so einer kaum sein. Auch in der eigenen Belegschaft findet Sixt mit seinem Führungsstil nicht nur Bewunderer. Entlassene Mitarbeiter werden von ihm schon mal als »Nato« verspottet: »No action, talks only.«

Als hemdsärmeliger Autovermieter allein will Sixt nicht gelten. Wie so viele, die ihre Ausbildung abgebrochen haben, bemüht er sich, Bildung vorzuweisen. Gern zitiert er Sokrates. Viel geholfen hat das bislang nicht. Sixt bleibt Sixt, ein ebenso kauziger wie erfolgreicher Unternehmer.

Wie in allen Erfolgsstorys werden auch in der Geschichte des Münchner Autovermieters die Fehlschläge gern ausgeblendet. Während der Umsatz sich seit 1990 mehr als verdoppelte, stieg der Gewinn nur langsam. Vergebens bemühte Sixt sich, den angeschlagenen Wettbewerber Europcar/ Interrent zu übernehmen. Ein Reinfall war auch der geplante Einstieg in das Leasinggeschäft.

Sixt wollte alles mögliche verleasen, von der Werkzeugmaschine über Computer bis hin zur Zahnarztpraxis. Doch der Markt war kleiner als erwartet, und Sixt mußte das Projekt stoppen.

Gefährden konnten ihn solche Ausflüge bislang nicht. Denn der sonst so forsche Erfolgsunternehmer betritt neue Geschäftsfelder stets sehr vorsichtig. Die Möglichkeit zur Umkehr, sagt er, muß offenbleiben.

So begrenzt er auch bei seinem Einstieg ins Reisegeschäft das Risiko. Die Sixt AG ist mit 51 Prozent an dem Unternehmen beteiligt. Sein Partner ist der befreundete Reiseunternehmer Peter Giller. Ihre Chance sehen die beiden im Verkauf billiger Flugreisen. Im ersten Jahr soll die Firma 20 Millionen Mark Umsatz erwirtschaften.

Nötig hätte Sixt das neue Geschäft nicht. Den Verleih seiner Fahrzeuge wird die Fliegerei nur wenig fördern. Denn Sixt ist zwar in Deutschland stark, in vielen Urlaubsländern aber gar nicht vertreten. Dort vermittelt die Sixt Travel GmbH vor allem Autos der lokalen Verleihfirmen.

Doch Sixt braucht die Herausforderung. Nichts ist schlimmer für ihn als ein Geschäft, das ruhig und gleichmäßig läuft. »Mir geht es wie einem Bergsteiger«, sagt er. Wenn er einen Gipfel sieht, muß er einfach hinauf: »Und wenn ich oben bin, suche ich mir einen neuen.«

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