Fehlende Finanzierung Sono Motors gibt Solar-Elektroauto auf

Das Münchener Start-up Sono Motors wollte mit dem Sion den etablierten Herstellern Konkurrenz machen. Doch für den Hochlauf der Produktion fanden sich nicht genug Geldgeber.
Sono Sion auf einer Messe in Augsburg

Sono Sion auf einer Messe in Augsburg

Foto: Bernd Feil / MiS / IMAGO

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Die ganze Woche und bis Donnerstagabend verhandelten die Sono-Motors-Gründer Laurin Hahn und Jona Christians mit Investoren über eine langfristige Finanzierungslösung. Am Ende aber scheiterten die Gespräche, das Aus des Solar-Elektroautos Sion ist besiegelt, zumindest Sono Motors  wird es nicht bauen.

Wegen der gestiegenen Zinsen, der Inflation und der aktuellen Marktlage sei es nicht gelungen, Investoren davon zu überzeugen, den Sion weiter zu finanzieren, sagte Hahn dem SPIEGEL. »Wir sind sehr enttäuscht, sehen aber auch eine realistische Chance, mit dem neuen, auf die Weiterentwicklung und Vermarktung unserer Solartechnologie konzentrierten Geschäftsmodell erfolgreich zu sein.«

Investoren zögen sich derzeit vermehrt aus riskanten Anlagen zurück und bevorzugten weniger kapitalintensive Geschäftsmodelle, sagte Hahn. Erschwert werde die Kapitalsuche auch dadurch, dass Sono Motors nicht im Luxus- sondern im Niedrigpreissegment positioniert sei, mit entsprechend niedrigeren Margen.

Den Vorwurf, die Komplexität der Autoproduktion und den damit verbundenen Kapitalbedarf unterschätzt zu haben, weisen die Sono-Gründer zum Teil zurück. »Das mag in der Frühphase so gewesen sein, aber spätestens seit der Vorbereitung auf den Börsengang hatte Sono Motors eine solide Finanz- und Geschäftsplanung«, sagte Co-Gründer Jona Christians.

Ab Mai sollen Anzahlungen zurückfließen

Er beklagte zudem die fehlende Unterstützung durch die Politik. »Man muss sich schon fragen, ob Innovationen im Solar- und Automobilbereich in Deutschland überhaupt gewollt sind.« Sono Motors habe über die Jahre mehr als 400 Arbeitsplätze aufgebaut und 330 Millionen Euro einsammeln können, weniger als ein Prozent davon seien staatliche Fördermittel.

Sono-Gründer Navina Pernsteiner, Jona Christians und Laurin Hahn

Sono-Gründer Navina Pernsteiner, Jona Christians und Laurin Hahn

Foto: Sono Motors

Hahn, Christians und Navina Pernsteiner hatten Sono Motors 2016 gegründet. Pernsteiner hat sich inzwischen aus der Geschäftsführung zurückgezogen. Die Karosserie des Sion ist mit Solarzellen überzogen, die Strom für rund 112 Kilometer pro Woche liefern sollen, daneben kann das Kompaktmodell konventionell geladen werden. Mit einer Sharing-App und bidirektionaler Ladefunktion wollte Sono vor allem städtische Kunden und Familien ansprechen, aber auch kleingewerbliche Nutzer und Flottenbetreiber. Ende 2021 brachten die Gründer Sono Motors an die US-Technologiebörse Nasdaq . Seitdem hat die Aktie jedoch ähnlich wie die Anteile anderer Elektroauto-Start-ups drastisch an Wert verloren, sodass eine weitere Kapitalerhöhung über die Börse nicht möglich war.

Im Dezember hatten Hahn und Co-Gründer Jona Christians erklärt, dass 210 Millionen Euro fehlten, um die Serienproduktion in Zusammenarbeit mit dem Auftragsfertiger Valmet aufzubauen und den Sion wie geplant im ersten Quartal 2024 auszuliefern. Sie starteten eine Crowdfunding-Kampagne und verhandelten parallel mit institutionellen Investoren. Ziel war es, bis Ende Februar zunächst 105 Millionen Euro einzusammeln und so im kommenden Sommer die Vorserienproduktion starten zu können.

Bis diese Woche kamen durch Zusagen für die Anzahlung von Reservierungen rund 50 Millionen Euro zusammen. Die Gespräche mit professionellen Geldgebern scheiterten jedoch, weshalb Hahn und Christians sich entschieden, die Kampagne abzubrechen. Die im Zuge dieser Kampagne vor allem aus dem Kreis der Sono-Community zugesagten Mittel werden demnach nicht abgerufen. Alle Anzahlungen, die in den vergangenen Jahren eingegangen sind – rund 44 Millionen Euro aus insgesamt mehr als 45.000 Reservierungen – sollen über die kommenden zwei Jahre in mehreren Tranchen zurückgezahlt werden, mit einem Bonus von fünf Prozent bei der letzten Zahlung. Die Auszahlung soll im Mai beginnen.

Um das leisten zu können, muss Sono Motors nun das verbleibende Geschäft möglichst schnell profitabel machen. Anfang Dezember verfügte die Firma über Cashreserven in Höhe von rund 55 Millionen Euro, außerdem generiert der Solarbereich – wenn auch noch geringe – Einnahmen, und die Gründer führen weiter Gespräche mit Geldgebern, die bereit sind, in das neue Konzept zu investieren. Bereits beim Börsengang hätten Aktionäre darauf gedrängt, sich auf das deutlich weniger kapitalintensive Solargeschäft zu konzentrieren, sagte Hahn. »Unser Finanzierungsbedarf wird sich nun um etwa 90 Prozent reduzieren.«

Sono Motors hatte vor zwei Jahren begonnen, die eigene Technologie zur Integration von Solarzellen in Fahrzeuge zu lizenzieren und beispielsweise an Verkehrsbetriebe, Nutzfahrzeughersteller und für Wohnmobile zu vermarkten. Bislang gibt es dafür 23 Partner, unter anderem Mitsubishi, Scania, MAN Trucks & Bus und die Münchner Verkehrsgesellschaft. Dieses Geschäft wollen Hahn und Christians nun ausbauen und auch auf Pkw anderer Hersteller ausdehnen. »Die Idee lebt, wir wollen Solarzellen auf jedes Fahrzeug bringen«, sagt Christians.

Drei Viertel der Belegschaft müssen gehen

Man beabsichtige auch, den fast serienreifen Sion, den die Gründer als »Herzensprojekt« bezeichnen, an einen anderen Hersteller zu verkaufen. Gelinge das, könne Sono Motors die Solartechnologie dafür liefern.

In den kommenden Monaten steht allerdings die Restrukturierung im Vordergrund, die Hahn und Christians zufolge von allen Stakeholdern mitgetragen wird. 300 von 410 Stellen werden abgebaut, der Vorstand von fünf auf vier Mitglieder verkleinert, der Vertrag mit Valmet aufgelöst. Die Community, die Sono Motors über mehrere Crowdfunding-Kampagnen mit aufgebaut hatte und die vom Management in die Konzeption des Autos einbezogen wurde, wird am Freitag informiert. Sie dürfte sich auflösen, wenn die Firma kein Endkundengeschäft mehr betreibt. Auch über einen neuen Namen wollen Hahn und Christians nachdenken.

Sono Motors dürfte dann bald Geschichte sein.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben einen Tippfehler korrigiert. Ursprünglich war die erste Auslieferung des Sion für das erste Quartal 2024 geplant. Bei der Angabe zu den Cashreserven des Unternehmens haben wir zudem die offizielle Zahl aus dem Dezember 2022 ergänzt.

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