Förderboom in Afrika Angola steigt in die Öl-Oberliga auf
Luanda - Von weitem sieht sie aus wie ein Spielzeugturm in der Badewanne. Doch je näher der Helikopter kommt, desto deutlicher werden die Dimensionen. Am Ende schwebt man über einem Metallmonster auf hoher See, mit einer kleinen Landeplattform obenauf.
So erlebt man den Anflug auf die Ölpumpstation Dalia, die mit ihren 90.000 Tonnen Stahl, 300 Metern Länge und dem 50 Meter hohen Deck so ziemlich das Modernste ist, was Angola derzeit bieten kann.
Eine Milliarde Dollar hat sie gekostet, den Transport von Südkorea nicht eingerechnet. Dabei gehört der Koloss, der 150 Kilometer vor der angolanischen Küste im Meer steht, genaugenommen nicht Angola, sondern wird von einem Konsortium bezahlt und von dem französischen Öl-Multi Total betrieben. 240.000 Barrel Öl holt die Pumpstation täglich aus dem Meeresboden, es gibt derzeit nicht viele Anlagen auf der Welt mit einer solchen Leistung.
Genau heißt die Plattform "FPSO Dalia", was für Schwimmen, Fördern, Bunkern und Verladen steht. Technisch gesehen ist die Dalia also eine Multifunktionsanlage. Alle vier Tage kommt ein Supertanker vorbei und bunkert, was die Speicher in der Zwischenzeit gebunkert haben.
Computergelenkte Hightech-Anlage
Tief unten gurgelt das Meer, oben brennt mit lärmendem Zischen das überschüssige Gas ab. Es riecht nach Seeluft, nach hydraulischem Öl, nach Stahl und Technik. Es ist tropisch heiß, unter den Schutzhelmen rinnt der Schweiß. Auf Deck, wo es laut und rustikal zugeht, wird mit kiloschweren Rohrzangen, armlangen Schraubenschlüsseln und Schweißbrennern gearbeitet. Im klimatisierten Innern dagegen steuert eine computergesteuerte Hightech-Anlage den Förderbetrieb.
180 Mitarbeiter an Bord halten die Riesenmaschine am Laufen, alle zwei Wochen ist Schichtwechsel, für Angolaner. Die Ausländer wechseln - damit der Heimflug nach Europa lohnt - im Vier-Wochen-Rhythmus.
Angola ist gefragt bei den internationalen Ölkonzernen. Seitdem der Bürgerkrieg vorüber ist, brummt das Geschäft. Die Produktion ist von 900.000 Barrel täglich im Jahr 2004 auf heute über 1,8 Millionen angestiegen - das entspricht nahezu der Leistung des afrikanischen Branchenprimus Nigeria.
Allerdings hat Angola den Vorteil, dass das Öl zwar ähnlich schwefelarm, die politische Lage aber sehr viel stabiler ist. Es gibt keine Rebellenattacken, zudem sind die Reserven vermutlich reichhaltiger. Denn viele, vor allem tiefer gelegene Schichten, sind noch gar nicht erforscht. "Angola ist viel einfacher", sagt ein erfahrener Ölexperte in Luanda, "in Nigeria ist alles anders. Da kannst du dir heute nicht mal sicher sein, ob dein Feld morgen noch dir gehört".
Deshalb sind alle großen Konzerne nach Angola gekommen, Chevron und BP sind da, Total und Esso. Die Amerikaner haben sich schon in den achtziger Jahren von kubanischen Soldaten ihre Bohrtürme sichern lassen, die anderen kamen später, als die Dimension der Offshore-Vorkommen erkennbar wurde.
Allein unter Männern
Eines aber hat sich auch auf der Dalia nicht geändert: Ölplattformen sind Männer-Bastionen, überall auf der Welt. Auch auf der Dalia arbeitet nur eine Handvoll Frauen. Trotzdem entsteigt Josefa Pires mit größter Selbstverständlichkeit dem Hubschrauber. Die Angolanerin wirft den Rucksack über die Schulter und steigt hinab in den Kommandoraum.
Die 32-Jährige ist eine Art Notärztin für die Dalia. Wenn Pumpen lecken, Kompressoren streiken oder in einer der Gasröhren der Druck abfällt, muss Josefa ran. Sie ist Prozessingenieurin und Leiterin des achtköpfigen Notfallteams, das für die Dalia zuständig ist und immer dann aus Luanda gerufen wird, wenn es klemmt.
Diesmal ist ihr Ausflug Routine, Helm und Overall bleiben im Spind, sie bespricht sich mit dem französischen Chef der Stahlinsel, mit den Technikern, mit dem leitenden Unterwasser-Ingenieur. Der heißt Joao Samba, ist ebenfalls Angolaner, 29 Jahre alt und hat in Lissabon studiert. Ihm hat Total - wie auch Josefa Pires - Teile des Studiums finanziert und dann eingestellt. "Über fehlende Verantwortung kann ich nicht klagen", sagt er, "vielleicht gibt's in Angola zehn bis 20 Ingenieure mit meiner Qualifikation."
Tatsächlich drängt die angolanische Regierung die Konzerne, mit einheimischem Personal zu arbeiten. Wer nicht spurt, muss sich erklären. Also mühen sich die Firmen - zumal sie eine Menge Geld sparen: Die Ausgaben für angolanische Fachkräfte liegen um mehr als 50 Prozent unter denen europäischer oder amerikanischer Experten. So ist das Geschäft für beide Seiten von Vorteil. Die Konzerne sparen, die Angolaner bekommen hochspezialisierte Geologen, Ingenieure und Tiefsee-Experten, die sie selbst in so kurzer Zeit niemals hätten ausbilden können. An die 75 Prozent der Total-Mitarbeiter in Angola sind Einheimische.
Bohrungen lohnen sich erst ab einem Ölpreis von 65 Dollar
"Ich bin wahrscheinlich der erfahrenste Geologe in Angola", sagt auch Makal Mukatshing. Gerade mal 31 Jahre ist er alt, er hat in Lubumbashi im Kongo und in Luanda studiert. Aber die Praxis, die ihn für die Branche überall auf der Welt interessant macht, hat auch er erst bei Total bekommen.
Experten wie er sind gefragt. Denn das Ölgeschäft hat sich verändert: Längst wird nicht mehr ein einzelnes Bohrloch gegraben. Auf dem Meeresboden unter der Dalia haben Ingenieure auf einer Fläche von fast hundert Quadratkilometern tentakelartig an neun Verzweigungen über 70 kleine Bohrköpfe in den Boden gegraben, um das Öl nach oben zu schaffen.
Und gebohrt wird immer tiefer, immer präziser, immer innovativer. In Sichtweite der Dalia-Plattform hat die "Saipem" festgemacht, eines der größten Bohrschiffe der Welt. Über 2200 Meter kann sie ihre Meißel in die Tiefe fahren, davon Hunderte von Metern durch festes Gestein. Dabei wird nicht nur vertikal gebohrt, sondern auch horizontal, wenn die Sedimente erreicht sind. Die moderne Bohrtechnik, erst seit kurzem verfügbar, macht es möglich. So lassen sich die Vorkommen noch präziser auskundschaften und vermessen.
Die Tiefenbohrungen in Regionen von über 1400 Meter Wassertiefe sind eine Wissenschaft für sich. Und so teuer, dass sie sich erst ab einem Barrelpreis von 65 Dollar lohnen. Der liegt nun aber seit einigen Monaten darunter. Was Ölminister Jose Botelho Vasconcelos, gleichzeitig amtierender Opec-Vorsitzender, in seinem Ministerbüro an der Hafenstraße von Luanda nicht fröhlicher macht: "Das ist eine ziemliche Herausforderung dieses Jahr", stöhnt er. "Der angemessene Preis läge bei 75 Dollar."
Nur zwei Prozent der Bevölkerung profitieren
Dennoch geben sich die Verantwortlichen optimistisch. Der Preis dürfte bald wieder steigen, wenn die Globalkonjunktur anzieht. Ob davon allerdings das Gros der Angolaner profitiert, ist fraglich. Denn nur zwei Prozent der Bevölkerung leben direkt oder indirekt vom Öl. Der große Rest geht leer aus, wohnt auf dem Land oder in Luandas Armensiedlungen - und leidet unter hohen Miet- und Immobilienpreisen und klagt über Früchte, Bohnen und Reis, die so teuer sind wie in Grönland.
Denn die Ölfirmen interessiert der Preis nicht, sie können die Mieten ebenso wie ihre glänzenden Autos, Geschäftsessen und Nachtclubbesuche als Produktionskosten geltend machen - und als solche dem angolanischen Staat in Rechnung stellen. Letztlich geht das Geld also dem angolanischen Steuerzahler verloren, doch das schert die Regierungselite in Luanda nicht. Denn der Überfluss nach den langen Jahren des Mangels hat ihr die Sinne betäubt.
Das freilich kann den Ölboom kaum bremsen. Langfristig sind die Perspektiven für die Förderfirmen. "Wir wissen, dass auch in 2500 Meter Tiefe noch große Vorkommen liegen", sagt der Kommandant der Dalia. "Wir wissen nur noch nicht, wie wir es rausholen."
Aber dass sie es rausholen werden, ist so gut wie sicher.