Beeinflussung von Kindern Foodwatch will Werbung für Zuckerbomben ins Nachtprogramm verbannen

Gummibärchen: Auch keine Werbung in der Primetime
Foto: Henning Kaiser / dpaIm Koalitionsvertrag haben die Ampelparteien ein Verbot von speziell »an Kinder gerichteter Werbung« vereinbart. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem entsprechenden Gesetzentwurf. Demnach soll so ein Verbot »bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige« gelten.
Doch der Verbraucherorganisation Foodwatch geht das nicht weit genug. Sie fordert schärfere Regeln. Eine neue Auswertung der Universität Hamburg habe nämlich ergeben, dass Kinder, die regelmäßig fernsehen, insbesondere im Abendprogramm viele Werbespots für ungesunde Snacks und Süßigkeiten sehen, erklärte Foodwatch am Donnerstag. Dies unterstreiche die Notwendigkeit eines generellen Werbeverbots für ungesunde Lebensmittel zwischen 6.00 und 23.00 Uhr. Dann sollen sehr süße oder fetthaltige Lebensmittel nach Ansicht der Organisation generell im Fernsehen und im Internet nicht mehr beworben werden dürfen.
»Fast die Hälfte der Werbung für ungesunde Lebensmittel, die Kinder im Fernsehen wahrnehmen, läuft zur abendlichen Primetime«, hieß es zur Begründung. Fernsehnutzende Kinder zwischen drei und 13 Jahren bekämen zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr im Schnitt fünf Werbespots für »Zuckerbomben oder fettige Snacks« zu Gesicht. Das ergab laut Foodwatch eine Auswertung des Experten für Kindermarketing der Universität Hamburg, Tobias Effertz.
Die Verbraucherschützer verweisen zudem auf Daten der AGF Videoforschung, wonach »jede dritte der unter Kindern beliebtesten TV-Sendungen kein klassisches Kinderformat, sondern eine zur Primetime ausgestrahlte Unterhaltungssendung, ein Familienfilm oder eine Sportübertragung« ist.
Verbraucherzentrale fordert ebenfalls Beschränkung
Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) schloss sich der Einschätzung an. Die Daten zeigten: »Eine Werbebeschränkung ›light‹, die nur klassische Kindersendungen umfasst, wäre zum Scheitern verurteilt.« Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) dürfe bei der Arbeit am Gesetzentwurf nicht ignorieren, dass Kinder vor allem zur Primetime Werbung für Ungesundes ausgesetzt seien.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erklärte ebenfalls, die Regierung müsse der »Rund-um-die-Uhr-Werbung« für Ungesundes einen Riegel vorschieben und mehr Raum für Werbung für Gesundes schaffen. Knapp neun von zehn an Kinder gerichtete Lebensmittel orientierten sich nicht an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation, »sind also zu süß, salzig oder fettig«. Die Regierung müsse hier »schnell handeln«.
Hersteller: Werbeverbot hilft nicht gegen Bewegungsmangel
Auch Kinder- und Jugendärzte sowie Krankenkassen sprechen sich für ein Verbot von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Lebensmittel aus. »Werbebeschränkungen für ungesunde Kinderlebensmittel in TV, Radio und Streamingdiensten müssen verpflichtend werden«, erklärte bereits am Mittwoch die AOK-Bundesverbandsvorsitzende Carola Reimann. Sie forderte auch eine verpflichtende Verringerung des Zuckergehaltes in Fertigprodukten.
Werbewirtschaft und Lebensmittelbranche verweisen hingegen stets darauf, dass es für Übergewicht bei Kindern zahlreiche Faktoren gebe – beispielsweise Bewegungsmangel. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) erklärte am Donnerstag, für den »Verbotsradikalismus« gebe es keine Belege, Daten, Fakten. Weder säßen Kinder vor allem abends vor dem Fernseher, schon gar nicht ab drei Jahren, noch wurden Kindersender mit hohen Marktanteilen wie Kika berücksichtigt, »um nur zwei Beispiele aus der Effertz-Studie zu nennen«. Werbeverbote machten kein Kind schlanker, das zeigten Daten aus Ländern, die diesen Weg erfolglos gegangen seien.