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WERBUNG Fremde Zutaten

Mit branchenfremder Produktion vorsuchen die Zigarettenhersteller, ihre Raucher bei der Stange zu halten.
aus DER SPIEGEL 23/1979

Sie haben Dachs und Wildkatze mit der Kamera gejagt und die schönsten Fleckchen deutscher Erde photographiert. Vierfarbig und auf Hochglanz möchten die BAT-Cigaretten-Fabriken auch Nichtrauchern zeigen, wo Natur noch frohen Herzens zu genießen ist.

Für sechs Mark fünfzig ist das bunte Bilderwerk seit Mai alle zwei Monate am Kiosk zu haben. »Draußen -- Das große Natur-Magazin von HB« soll die Kundschaft der BAT (Hauptmarke: HB) halten und das nikotingeschädigte Branchenbild wieder verschönen.

Die Werber des Hamburger Zigaretten-Fabrikanten -- nach Reemtsma Deutschlands größter -- sind nicht die einzigen, die sich mit tabakfernen Produkten für den Konsumenten mühen. Auch die Konkurrenz ist längst mit wohlfeil angebotenen Gemischtwaren dabei: mit Freizeitkleidung und modischem Schnickschnack, mit Abenteuerreisen und Folklore-Festivals.

Vor der Liebe zur Natur hatten die HB-Männer bereits die Liebe der Deutschen zu Beton und Blech entdeckt: Ihre Straßenkarte der gängigsten Autobahnumleitungen in Westdeutschland, die sie vor vier Jahren für zwei Mark das Stück anboten, war auf Anhieb ein Erfolg.

Inzwischen verschönten die Zigaretten-Fabrikanten das Leben mit Mach"selbst-Broschüren, mit Gartentips und einem Bildatlas. Damit hat BAT, so scheint"s, punktgenau die Raucher von HB angesprochen, einer »sehr deutschen Marke für breite Käuferschichten mit durchschnittlichem Geschmack«, wie die BAT-Marketing-Abteilung findet.

Die Promotion mit Gedrucktem lief derart gut an, daß BAT 1977 eine selbständige HB Verlags- und Vertriebsgesellschaft gründete, die pro Nummer HB-Bildatlas inzwischen rund 175 000 Stück absetzt und vom HB-Naturmagazin alle zwei Monate 150 000 verkaufen will. Das macht einen Jahresumsatz von knapp zwölf Millionen Mark.

»Da bleibt sogar Gewinn«, bekennt BAT-Sprecher Hans-Jürgen Raben. Der Zigaretten-Verlag soll sich langfristig gar »immer mehr vom Markennamen HB lösen und rein kommerziell arbeiten«. Raben: »Eine Art Diversifikation in unserem Haus.«

Durchaus profitabel geriet auch der bislang aufwendigste Versuch eines BAT-Konkurrenten, die Raucher mit branchenfremden Artikeln an die eigene Marke zu binden. Die deutsche Filiale des amerikanischen Tabakkonzerns R. J. Reynolds (Camel) hat sich längst mit ihrer Herrenmode-Kollektion im »Camel-Leger«-Look einen Streifen des umkämpften Freizeitmarktes erobert.

Die Kölner Tabakfabrik gab ihren wohlbekannten Markennamen (Bekanntheitsgrad: 90 Prozent) und ihr Warenzeichen. Die saarländische Textilfirma R & A Becker schneidert Hemden und Jacken, die hessische Firma Fourman die dazu passenden Hosen. Lederne Boots und Schuhe fertigt Salamander.

In jedes Kleidungsstück ist -- unübersehbar und ähnlich dem Krokodil der Pariser Modemarke Lacoste -- das Camel-Dromedar gestickt oder gedrückt. Und damit wurde -- so Reynolds-Spreeher David S. Hill -- nun endlich eine »neue Philosophie« gefunden, »der Camel way of life«.

Mit der neuen Lebensart machen die Initiatoren inzwischen über 40 Millionen Mark Umsatz jährlich. Reynolds kassiert Lizenzgebühren und achtet darauf, daß Hosen und Boots im Image bleiben. An Frauenmode, das ist für Hill und seine Männer deshalb klar, sei »vorerst nicht zu denken«.

Darum kümmern sich schon andere. RAT hat sich für seine Frauen-Zigarette Kim mit dem Mailänder Modemacher Fiorucci zusammengetan. Der Italiener produzierte die Kirn-Modelle in eigener Regie und verkauft die Kleider, die deutsche Frauen aus Kirn-Anzeigen kennen, in deutschen Boutiquen.

Auf branchenfremde Zutaten für seine Spitzenmarken mag inzwischen kaum ein Zigaretten-Hersteller verzichten.

Die Münchner Dependance des amerikanischen Philip-Morris-Konzerns bietet für ihre Marlboro-Raucher (Werbespruch: »Freiheit und Abenteuer") seit Sommer vergangenen Jahres dreiwöchige Kanada-Touren an (Preis rund 2000 Mark).

Das Freizeit-Image der BAT-Leicht-Zigarette Krone wird durch lose organisierte Spiel-Klubs sorgsam poliert.

Der Brinkmann-Konzern veranstaltet für seine Lux-Filter Theater- und Folklore-Festivals.

Ein Lord-Extra-Freizeitservice organisiert, von der Steelband bis hin zum Butler, Festliches für Ball und Party.

Reemtsma stellt für seine Roth-Händle, bundesweit angekündigt mit einer Anzeigenkampagne ("Die Autoshow des Jahres"), vom 2. bis zum 17. Juni in Düsseldorf Oldtimer aus. Zudem stärken die Hamburger ihre schwarze Zigarette durch die »Roth-Händle Kunst- und Musikverlagsgesellschaft mbH«.

Mit ihrer werbewirksamen Diversifikation wollen die Zigaretten-Hersteller vor allem ihre Kunden stärker an die Marke binden. Dahinter jedoch schimmert auch Angst durch. Die Angst der ganzen Branche, eines Tages nicht mehr für den blauen Dunst werben zu dürfen.

Schon seit 1974 dürfen sie ihre gesundheitsschädlichen Produkte nicht mehr im Fernsehen anbieten. Auch Reklame an öffentlichen Verkehrsmitteln ist, ebenso wie die Werbung mit Sportlern oder Jugendlichen, verboten. Daß die Konsumförderung über Branchenfremdes den Verlust an Werbemöglichkeiten ausgleichen kann, scheint den Tabakanbietern nicht sicher. Sie wissen daher auch bescheidene Erfolge zu schätzen.

»Wir werden«, ahnt BAT-Sprecher Raben, »mit unserem HB-Bildatlas und dem Naturmagazin keinen Raucher hinzugewinnen. Aber auch keinen verlieren.«

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