Führungswechsel Telekom-Aktie schießt nach Ricke-Ablösung nach oben

Die Aktionärsschützer jubeln, die Anleger auch: Die Ablösung des Telekom-Chefs Kai-Uwe Ricke hat ein Feuerwerk an der Börse ausgelöst. Die Telekom-Aktie vollzog einen regelrechten Kurssprung und setzte sich an die Spitze der Dax-Gewinner.

Frankfurt am Main/Berlin - Die T-Aktie   legte am Montagvormittag bis 10.30 Uhr um rund 2,7 Prozent auf 13,49 Euro zu und setzte sich damit in der Liste der Gewinner im Dax an die Spitze. Bereits vorbörslich war das Papier mit deutlichen Kursgewinnen gehandelt worden. Der Kurssprung wirkte wie ein Urteil über die Amtszeit des Telekom-Chefs: Ricke war unter anderem der vor sich hin dümpelnde Kurs der Telekom-Aktie vorgeworfen worden.

Die Landsbank Rheinland-Pfalz hielt an ihrer Einschätzung der T-Aktie vorerst fest. Allerdings könne der Kurs kurzfristig vom Vorstandswechsel profitieren. Rickes Rücktritt sei seit längerer Zeit ein Thema für Spekulationen gewesen und habe somit kaum überrascht. Die Probleme der Telekom seien bekannt. "Selbst wenn diese Probleme kaum hausgemacht sind, lag es in der Luft, dass der Konzernvorstand nach zwei ergebnisschwachen Quartalen nacheinander zurücktreten müsse", erklärte LRP-Analyst Per-Ola Hellgren.

In der "Berliner Zeitung" hatte SdK-Vorstandsmitglied Reinhild Keitel, die Ablösung Rickes begrüßt. "Durch die rasante Entwicklung im Festnetzgeschäft droht die Telekom ihre Existenzgrundlage zu verlieren. Ricke hat darauf keine Antwort gefunden", sagte Keitel. Mit der Billigkonkurrenz, die für wenig Geld Flatrates für Internet und Telefon anbiete, könne die Telekom nicht mithalten.

Fehlende Strategie

Ricke habe zwar den Schuldenabbau der Telekom vorangetrieben, doch sei es ihm nicht gelungen, die Geschäftsstrategie des Konzerns weiterzuentwickeln, sagte Keitel dem Blatt weiter. "Nur mit Personalanpassungen ist den Problemen der Telekom nicht zu begegnen."

Ein Analyst sagte am Morgen: "Durch den Rücktritt ändern sich die strukturellen Probleme bei der Telekom nicht". Es gebe weiterhin 40.000 Angestellte mit Beamtenstatus - daran könne auch ein Nachfolger nichts ändern. "Die Telekom wurde privatisiert und der Markt liberalisiert. Allerdings hat das Unternehmen immer noch nicht die Struktur eines privat geführten Konzerns und kann daher eigentlich nicht unter freien Wettbewerbsbedingungen existieren", erklärte der Analyst weiter.

Bereits seit Freitag wurde in der Öffentlichkeit wieder heftig über Rickes Zukunft an der Telekom-Spitze spekuliert. Die Tatsache, dass mit René Obermann nun ein Mobilfunkexperte das Ruder bei der Telekom übernehme, deute darauf hin, dass der Konzern künftig möglicherweise seine Aktivitäten noch stärker auf das Mobilfunkgeschäft verlagern werde. Die Deutsche Telekom hatte gestern Abend mitgeteilt, das Präsidium des Aufsichtsrates und Ricke hätten sich "im Interesse des Unternehmens einvernehmlich" über sein Ausscheiden aus dem Unternehmen zum 13. November verständigt.

Ricke war das Amt im November 2002 angetragen worden. Einige Monate zuvor war der langjährige Konzernchef Ron Sommer zurückgetreten, nachdem der Bund ihm angesichts riesiger Schulden und sinkender Aktienkurse die Unterstützung entzogen hatte. Zwischenzeitlich hatte der vormalige Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Sihler das Unternehmen geführt.

Zu Amtsbeginn erfolgreich

In seiner Anfangszeit war es Ricke gelungen, den Schuldenberg der Telekom abzubauen und den Konzern aus Milliardenverlusten wieder in die Gewinnzone zu führen. Doch seine Kritiker monierten: Er habe Ankündigungen keine Taten folgen lassen, etwa bei der Verbesserung im Kundenservice. Zwischenzeitlich führten die Konzernsparten ein Eigenleben und agierten offenbar eher gegen- als miteinander.

Für Rickes Abgang soll sich der Finanzinvestor Blackstone und der Bund stark gemacht haben, die mit seiner Führung nicht mehr einverstanden waren, hieß es aus gut unterrichteten Kreisen im Konzern. Blackstone habe schon im September auf einen Rauswurf von Ricke gedrängt, was Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel und der Bund aber abgelehnt hätten. Mittlerweile sei das Verhältnis zwischen Zumwinkel und Ricke aber merklich abgekühlt. Nach Vorlage der Quartalszahlen am Donnerstag habe Zumwinkel auf einer inoffiziellen Sitzung des Aufsichtsrates den Vorstandsvorsitzenden massiv kritisiert. "Da hat es richtig gekracht", hieß es.

Obermann gilt als beliebt

Aus dem Konzern war zu hören, der Wechsel von Ricke zu Obermann werde insgesamt eher neutral bewertet. Auf der einen Seite warteten viele Mitarbeiter auf Veränderungen, und Obermann sei beliebt. Die Führung der Festnetzsparte T-Com sei hingegen eher verunsichert, da in diesem Bereich Veränderungen wahrscheinlich seien. Als besonders gefährdet gilt der Chef der Festnetzsparte T-Com, Walter Raizner.

Die Telekom hatte vor allem wegen der Schwäche von T-Com im August ihre Prognose für 2006 und 2007 deutlich gesenkt, was den Aktienkurs einbrechen ließ. "Blackstone hat dabei viel Geld verloren und seitdem ist das Verhältnis zu Ricke gestört", hieß es im Umfeld des Finanzinvestors, der 4,5 Prozent der Telekom-Aktien hält und einen Posten im Aufsichtsrat besetzt. Der Bund ist mit rund einem Drittel der wichtigste und mit Abstand größte Anteilseigner der Telekom.

Ricke hatte vor vier Jahren den Chefposten bei Europas führendem Telekomkonzern von Ron Sommer übernommen. Ursprünglich wollte der Aufsichtsrat der Telekom am 5. Dezember über eine Verlängerung seines Vorstandsvertrags entscheiden.

mik/AFP/dpa/Dow Jones/Reuters

Verwandte Artikel

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren