Fußball-EM Am Ende lachen die Werber

Fußball, Fußball überall - mit der EM beginnen Wochen der Werbe-Dauerbeschallung. Ob im Stadion oder beim Public Viewing: Sponsoren und Nichtsponsoren mühen sich, ihre Marken EM-gerecht zu inszenieren. "Schmarotzer-Werbern" ohne Lizenz droht die Uefa mit hartem Durchgreifen.
Von Felix Ehlert

Hamburg - Im oberfränkischen Städtchen Helmbrechts stehen die Webmaschinen kaum noch still. Die Tradition der Textilherstellung geht dort bis zurück ins Mittelalter, doch das derzeit am stärksten gefragte Produkt ist eindeutig neuzeitlich: der Fanschal. Die Fußball-EM steht an, und die Firma Fritsche Accessoires webt, näht, liefert dicht an der Kapazitätsgrenze. 60.000 Schals in der Woche. 25 Männer und Frauen arbeiten in drei Schichten, hinzu kommen Heim- und Lohnarbeiter.

Fritsche produziert für Firmen, die vom europäischen Fußballverband Uefa Lizenzen für Fanartikel erworben haben - darunter EM-Sponsor Adidas  . Das erlaubt dem Hersteller, offizielle Logos, Namen und Begriffe zu verwenden. Besonders gefragt: Schals, auf denen die jeweilige Spielpaarung und das Datum stehen. Sie lassen sich für die Vorrunde noch auf Vorrat produzieren - ab dem Viertelfinale erfordern sie eine äußerst schnelle Reaktion.

Dass Fanartikel individuell und vor allem in Deutschland gefertigt werden, ist die Ausnahme. "Die Regel ist der Deutschland-Schal aus Fernost", sagt Rüdiger Schlegel, Vertriebsleiter bei Fritsche. Zur Weltmeisterschaft vor zwei Jahren freuten sich besonders asiatische Hersteller über den plötzlichen Bedarf an Autofähnchen. So ein schwarz-rot-goldener Kunststofflappen erfordert keine Lizenz.

Die Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz ist nach Olympia und der Fußball-WM das drittgrößte Sportereignis der Welt. Sie hat einen Werbewert von etwa 400 Millionen Euro. Die Wirtschaft lässt sich das nicht entgehen. Unternehmen wie Carlsberg, Coca-Cola   und JVC sind offizielle Sponsoren - und zahlen Schätzungen zufolge bis zu 26 Millionen Euro dafür. Brauereien, Elektronikmärkte und Bäckereiketten sind dagegen bemüht, ohne teure Lizenzen irgendwie mit der EM in Verbindung gebracht zu werden. Ambush Marketing, wörtlich: Hinterhalt-Marketing oder auch Schmarotzer-Marketing, heißt diese Strategie.

Doch die Uefa schaut genau hin und zögert nicht mit rechtlichen Schritten gegen Trittbrettfahrer. Zum Schutz der Vertragspartner, wie der Verband etwas umständlich erklärt: "Die aus der Verwertung der kommerziellen Rechte generierten Einnahmen werden im Hinblick auf das Wohlergehen und die stetige Entwicklung des Berufs-, Amateur- und Juniorenfußballs in ganz Europa verteilt."

Die Unternehmen sind einfallsreicher geworden, die Fußballverbände empfindlicher. Was schon vor der WM 2006 für Aufsehen gesorgt hatte, gilt auch diesmal: Kleidung mit allzu deutlichen Werbeaufdrucken kann laut Geschäftsbedingungen am Stadioneingang konfisziert werden. Jede Public-Viewing-Veranstaltung kostet Gebühr, wenn sie kommerziell ist - auch wenn dabei nur wenige Fans vor Bier und Leinwand hocken. Besonders das Logo und die Begriffe Euro 2008, Uefa EM 2008 und EM 2008 verteidigt der Fußballverband mit Entschiedenheit.

Markenschutz für "EM" und "WM"?

Dabei ist rechtlich umstritten, inwieweit so verbreitete Ausdrücke überhaupt als eingetragene Marken gelten können. Anlässlich der Weltmeisterschaft 2006 fällte der Bundesgerichtshof bereits ein Urteil: Wegen der allgemeinen Bekanntheit von Abkürzungen wie WM oder EM bringe die breite Masse die Bezeichnungen nur mit dem Sportereignis in Verbindung und sehe sie nicht als Hinweis, dass die so gekennzeichneten Produkte zu einem bestimmten Unternehmen gehören, argumentierten die Richter. Sie versagten deshalb größtenteils den Markenschutz.

Der Süßwarenhersteller Ferrero, der zu wichtigen Turnieren gerne eigene Fußballbildchen produziert, hat als Konsequenz schon die Löschung der eingetragenen Marken EM 2008 und Euro 2008 beim EU-Markenamt im spanischen Alicante beantragt. Das BGH-Urteil ist für die Behörde nicht bindend, eine Entscheidung wird erst für weit nach der EM erwartet.

Bei der lokalen Wirtschaft in den Alpenländern herrscht ob so viel Juristerei ein gehöriges Maß an Unsicherheit. Schließlich haben Politik und Verbandsfunktionäre Profite durch das sportliche Großereignis in Aussicht gestellt. Das Internet-Forum der österreichischen Handelskammer ist voll mit Fragen von Mittelständlern zu Markenrechten und Verdienstmöglichkeiten.

Klar, es werden mehr Touristen kommen. Klar, sie werden konsumieren. Aber wie profitieren all jene Branchen von der EM, die einem im Zusammenhang mit Fußball nicht sofort einfallen? Franz Herbst, Winzer aus der westlichen Steiermark, hätte gerne das Etikett "EM-Wein" auf seine Flaschen geklebt. "Bei der WM in Deutschland gab es so etwas. Doch meine Anfrage ist irgendwie hängengeblieben", sagt Herbst SPIEGEL ONLINE. Den EM-Wein produziert stattdessen ein Großweingut aus der Hauptstadt Wien.

Experten zufolge wird der wirtschaftliche Effekt der Europameisterschaft gemeinhin überschätzt. "Außer für die Werbebranche ist er ziemlich irrelevant", sagt der Sportökonom Gregor Hovemann.

Alternatives, kostenloses EM-Logo

Und Werber wissen: Zu einem erfolgreichen Marketing gehört ein Logo mit Wiedererkennungswert.

Unter www.emlogo.at  haben Grafiker deshalb ihre Ideen für alternative, aber gratis verfügbare Logos vorgestellt. In der Gunst der Nutzer schnitt der Entwurf von Julia Mouraviova am besten ab: Ein schwarz-weißer Fußball, drum herum die rot-weißen Fahnen der beiden Ausrichterländer. Kostenlos darf er überall dort eingesetzt werden, wo eine Uefa-Lizenz zu teuer war. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem offiziellen EM-Logo ist gegeben - auch dies besteht aus einem Ball und einer Portion Rot. Rechtlich sei der alternative Entwurf einwandfrei, sagen die Macher. Und schränken doch ein: "Ohne Gewähr."

Nicht nur in Österreich und der Schweiz, auch hierzulande haben sich kleine und große Unternehmen Gedanken zur Verkaufsförderung per EM gemacht. Wenn auch deutlich weniger als bei der WM im eigenen Land.

Der deutsche Zentralverband gewerblicher Verbundgruppen (ZGV) hat für seine Mitglieder einen Leitfaden erarbeitet, wie sie die EM nutzen können, ohne rechtlich angreifbar zu sein. Wer wirbt "Nur während der Euro 2008: 20 Prozent Rabatt auf alle Fußbälle", sei auf der sicheren Seite, so der ZGV. Rabattaktionen während des Turniers seien ebenso in Ordnung wie die kostenlose Verteilung eines EM-Planers mit allen Spielpaarungen. "Wir raten immer dazu, genau auf die Wortwahl zu achten, auf Nummer sicher zu gehen und sich notfalls mit Umschreibungen zu helfen", sagt ZGV-Jurist Marc Zgaga.

Das haben die Werber einer Elektromarkt-Kette beherzigt: Sie bewarb Großbildfernseher als "EMpfehlung des Jahres".

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