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GELDPOLITIK Ganz hart

Bundeskanzler und Finanzminister wollen die Amerikaner von den Gefahren anhaltend hoher Zinsen überzeugen.
aus DER SPIEGEL 21/1981

Hans Matthöfer wurde um Auskunft über seinen Chef gebeten. Eindringlich erkundigte sich US-Finanzminister Donald Regan am Freitag vergangener Woche bei seinem deutschen Kollegen, welche wirtschaftlichen Probleme der Kanzler in dieser Woche bei seinem Besuch im Weißen Haus ansprechen wolle.

Der Gastgeber zögerte nicht. Unmißverständlich machte Matthöfer dem Besucher in Kronberg klar, wie wenig den Deutschen die hohen Zinsen in den USA ins Konzept passen. »Ganz hart« (ein Kanzlerberater) will auch Helmut Schmidt dem neuen Präsidenten die Folgen seiner Politik des teuren Dollars vor Augen führen.

Seit Monaten schildern die Bonner jedem Besucher aus Übersee, wie sehr sie mit ihrem Leistungsbilanzdefizit von 30 Milliarden Mark in der Klemme stecken. Es gebe nur zwei Wege, das Riesenloch zu schließen, und beide seien problematisch.

Die Bundesbank könnte zum einen den Kurs der Mark tatenlos in den Keller rutschen lassen. Das würde die Ausfuhren verbilligen, der dadurch mögliche Export-Boom könnte schließlich eine neue Aufwertungsphase der Deutschen Währung einleiten.

Das Risiko jedoch wäre hoch. Wird der Kursrutsch nicht rechtzeitig gestoppt, verlieren die ausländischen Anleger vollends das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft, die Krise müßte sich verschärfen.

Die Bundesbank ist deshalb den anderen Weg gegangen: Sie versucht, den Zins hoch zu halten. Die Mark soll attraktiv bleiben, zusätzliches Kapital ins Land gelockt werden.

Diese Entscheidung aber macht die Frankfurter Währungshüter direkt von der US-Geldpolitik abhängig. Klettert der Zins für Dollar-Anlagen, müssen die Bundesbanker hierzulande auch das Geld teurer machen. Doch jedes zusätzliche Prozent Zinsen schreckt die heimischen Unternehmen von neuen Investitionen ab, die Arbeitslosenzahl steigt, die öffentlichen Kassen werden jährlich mit einer Milliarde Mark belastet.

Die Deutschen allerdings sind in einer schlechten Position, um über die amerikanische Politik zu klagen. Nur ein teurer Dollar, so argumentiert Washington, könne die Inflationserwartung der Amerikaner brechen. Gerade der Bundeskanzler, der die Partner stets zum verschärften Kampf gegen den Geldwertschwund angehalten hat, kann kaum eine Abkehr von der Hochzinspolitik ohne Rücksicht auf die Inflationsrate verlangen.

In Kronberg versuchten der Finanzminister, sein Staatssekretär Horst Schulmann und Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl in der vergangenen Woche den US-Minister wenigstens zu einer stetigeren Zinspolitik zu bekehren. Beide Seiten seien sich doch einig, argumentierte Pöhl, die Menge des umlaufenden Geldes zu begrenzen, um die Inflation zu bremsen. Wenn in einem Monat einmal zuviel Kreditwünsche erfüllt seien, müsse niemand gleich mit rigoroser Geldverknappung reagieren.

Regan hörte sich den Vortrag an, überzeugen aber ließ er sich nicht. Denn auf Drängen der neuen Administration hat die US-Zentralbank erst kürzlich das genaue Gegenteil als ihr Rezept gegen die Inflation verkündet.

Der Federal Reserve Board will künftig bereits wöchentliche Schwankungen der Geldmenge mit aggressiver Geldverknappung beantworten und sowohl ein hohes Zinsniveau als auch starke Zinssprünge in Kauf nehmen, solange die Lust der Amerikaner an Ratenkäufen ungebrochen ist.

Der Gast aus Washington ließ seinen Bonner Kollegen dennoch nicht ungetröstet: Zwar sei die Inflationserwartung seiner Landsleute noch hoch. Es gebe aber auch Indizien für ein Ende der Preiswelle und für Zinssenkungen.

Die US-Farmer nämlich würden in diesem Jahr eine gute Weizenernte in die Silos fahren. Zumindest die Nahrungsmittelpreise müßten also eigentlich unter Druck geraten.

Ähnliche Argumente wird wohl auch Bundeskanzler Schmidt bei seinem Besuch im Weißen Haus zu hören bekommen. Schließlich gehen die Geschäfte in den USA trotz der »Achterbahnzinsen« (ein Matthöfer-Beamter) und trotz des teuren Geldes derzeit besser als die Geschäfte der Europäer.

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