SPORTARTIKEL Ganz rabiat
Das Geschäft versprach Traumrenditen. Wer sein Geld in eine Tennishalle oder einen Tennisplatz steckte, so sprach es sich in den letzten Jahren herum, konnte nichts falsch machen.
Die Tennishallen-Hersteller erlebten eine dauerhafte Hochkonjunktur. An den Rändern deutscher Städte - oft auch weitab im Grünen - schossen die unförmigen Gebäude aus dem Boden. »Es ist viel gebaut worden, es ist aufwendig gebaut worden«, berichtet Robert Scheck von Sport-Scheck in München über die epidemische Ausbreitung der Tennis-Center.
Doch jetzt ist der Tennisboom vorbei, und das merkten als erstes die Privateigner von Tennisplätzen.
»Uns werden laufend Tennisplätze angeboten«, sagt Robert Scheck. Seine Firma, die über 100 Plätze in München betreibt, lehnt diese Angebote dankend ab.
Allzu viele haben sich in den letzten Jahren auf das Tennisgeschäft gestürzt. Die Deutschen, so schien es, waren in einen Tennistaumel verfallen.
Doch das Angebot wuchs schneller als die Nachfrage. Und wo sich noch vor zwei Jahren fast jeder Preis durchdrücken ließ, wird jetzt spitz gerechnet - vor allem bei den Schlägern: »Ganz rabiat« würden die ersten Händler mit Preiskämpfen anfangen, beobachtete in diesem Sommer Christian Baldau von Sportlepp, Hamburgs größtem Sportgeschäft.
Einer dieser Preisbrecher ist der Profi-Tennis-Shop in Köln. Der aber, so sagt ein Mitarbeiter, mache nur das, was die anderen auch praktizieren: »Nirgendwo wird zu den von den Firmen empfohlenen Preisen verkauft.«
Nach einer Schätzung von Karl-Heinz Huba, Herausgeber des Informationsdienstes »sport intern«, sind die Preise für Tennisausrüstung in diesem Jahr um 15 bis 20 Prozent gesunken. Tendenz: weiter fallend.
Rund eine halbe Million Holzschläger stapelt sich derzeit in den Lagern der Händler - Ware, die auch zu Ramschpreisen nahezu unverkäuflich ist. Gefragt sind praktisch nur noch die größeren und wesentlich teureren Rackets aus Metall und vor allem aus Kunststoff.
Daß in diesem Jahr noch immerhin etwa 700 000 Schläger abgesetzt werden - über 100 000 weniger als im letzten Jahr -, ist vorwiegend darauf zurückzuführen, daß die Spieler von Holz auf Kunststoff umrüsten. Die Zahl der Tenniskunden stagniert bei rund 2,8 Millionen. Produziert wird aber nach wie vor für einen wachsenden Markt.
Für manche Händler tun sich schon Parallelen zum Skigeschäft auf. In der Hoffnung auf ewiges Wachstum hatten die Hersteller gewaltige Überkapazitäten aufgebaut: Ende der 70er Jahre brachen ruinöse Preiskämpfe aus, einige Skifirmen gerieten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.
Auch im Tennis schien sich seit Anfang der 70er Jahre ein ständig wachsendes Geschäft aufzutun. Die Klubs mußten lange Wartelisten anlegen, schon morgens um sechs drängelten sich die Spieler auf den wenigen kommerziellen Plätzen.
Mit zweistelligen Zuwachsraten wurde alljährlich Tennisausrüstung abgesetzt. Als Freizeitforscher neben zwei Millionen Aktiven weitere sechs Millionen Bundesbürger ausfindig machten, die gern Tennis spielen würden, war kein Halten mehr. Auch in Provinzstädten machten Tennis-Shops auf, Zahnärzte und andere Spitzenverdiener legten ihr Geld in Spielplätzen an, die Hersteller von Tennisbekleidung - etwa adidas,
Fila, Lacoste - stiegen in das Geschäft mit Schlägern ein.
In Deutschland, Frankreich und Österreich bauten Skihersteller - Rossignol, Kneissl, Fischer, Erbacher, Völkl - ihre Tennisproduktion aus. Textilfabrikanten verlegten sich auf die Herstellung von Tennisbekleidung. Derzeit zwängen sich 84 Textilfirmen in den Markt.
Dabei zeichnete sich das Ende des weltweiten Tennisbooms schon Ende der siebziger Jahre ab, zunächst in den USA. Allein zwischen 1979 und 1981, so ermittelten Marktforscher im vergangenen Sommer, hatten sieben Millionen Amerikaner das Tennisspielen aufgegeben. Statt der erwarteten 40 bis 60 Millionen spielen nur mehr 25 Millionen.
In Deutschland zeigt sich nun, etwas später, das Ende des Booms. Viele Spieler legten die Schläger weg, als sie merkten, wie mühsam dieser Sport zu erlernen ist. Für andere verlor Tennis seine Attraktivität, nachdem aus der einstmals exklusiven Freizeitbeschäftigung eine Massenbewegung geworden war.
Und für manche wurde Tennis schlicht zu teuer. Bei Trainingsstunden von 40 Mark und mehr und bei Hallenmieten bis zu 40 Mark die Stunde verloren sie die Lust am Spielen. »Die Leute schauen halt aufs Geld«, hat Tennisunternehmer Sepp Maier gemerkt. Der ehemalige Fußball-Nationaltorwart, der in Anzing, 20 Kilometer von München, eine Anlage betreibt, nimmt als Spitzensatz 33 Mark für einen Hallenplatz im Winter.
Geld gaben die Deutschen in diesem Sommer vor allem noch einmal für die neuen Kunststoffschläger in der Preislage zwischen 250 und 1000 Mark aus. Mittlerweile aber haben sich die meisten Spieler mit dem neuen Gerät eingedeckt. Und das hält, mißlich für Hersteller wie Händler, doppelt so lange wie herkömmliche Holzschläger.
Viel mühsamer, da sind sich die meisten einig, wird das Tennisgeschäft vom nächsten Jahr an: »Zweifellos kommt da etwas«, ahnt Robert Scheck. Und Branchenkenner Huba hat gelernt: »Je schneller ein Sport wächst, desto schneller geht es damit auch wieder abwärts.«