AFFÄREN Ganz schön genial
Als die »Sophie Rickmers« wenige Tage vor Ultimo letzten Jahres im griechischen Hafen Piräus festgemacht hatte, wurde es ungewöhnlich ruhig an Bord.
Zu laden oder zu löschen war offenbar nichts -- ungewöhnlich für einen Frachter, der gerade die weite Fahrt von Hongkong hinter sich hatte. Rast bis nach Neujahr, hieß die Order für den Kapitän.
Dann allerdings wurde sehr schnell klar, was der Aufenthalt in Piräus zu bedeuten hatte. Die »Sophie Rickmers« legte am 2. Januar ab und dampfte in Richtung Hamburg -- mit Ladung für Deutschland.
Denn unter Deck waren Dosen mit gut 4,1 Millionen Kilo Champignons aus der Volksrepublik China verstaut. Die Ladung galt nun als korrekt in die Europäische Gemeinschaft eingeführt, denn in der Neujahrsnacht waren die Griechen zehntes Mitglied der EG geworden.
Ein Hamburger Importeur hatte sich den Trick ausgedacht, wie sich einfach durch ein paar Tage Zuwarten die EG-Regeln für Agrareinfuhren unterlaufen lassen. Jan Onne Bodenstab, Juniorpartner im Handelshaus Ludwig Wünsche & Co., hält seinen Einfall für »ganz schön genial«.
Um so ärgerlicher für Bodenstab, daß es Probleme gibt: Der Zoll verlangte jetzt -- nach einem Hinweis aus Athen -- Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Wünsche Handelsgesellschaft.
Bodenstabs Partner in Griechenland nämlich wollte offenbar noch schlauer sein als der Hanseat. Manos Constantinidis, 81, Boß der Athener Manoexport, war mit seinem Anteil an dem Pilz-Handel nicht zufrieden. Zwar fielen bei dem Auftrag über 4,9 Millionen Dollar 330 000 Dollar Provision für ihn ab, doch davon sollte Constantinidis auch noch den fälligen Zoll bezahlen.
Die lästige Abgabe wollte der Exportkaufmann vermeiden. Er wandte sich an den Zoll-Agenten Nikolaos Devouros, der schon einmal in einer Affäre um gefälschte Papiere aufgefallen war.
Devouros konnte helfen. Im Zollamt Piräus 3 beschaffte er sich das EG-Formular T2L GR No. A 003750, eine sogenannte Freiverkehrsbescheinigung. Die Vordrucke lagen zur freihändigen Bedienung stapelweise in Ecken und Fluren herum -- die griechischen Zöllner waren zum Jahreswechsel vollauf damit beschäftigt, sich in ihre neue Rolle in der Europäischen Gemeinschaft einzufinden.
Sachkundig -- so ermittelte die Staatsanwaltschaft in Piräus -- füllte Devouros das Papier aus. Den runden Zollstempel borgte er sich während des großen Durcheinanders im Büro des Amtsvorstandes aus und unterzeichnete der Einfachheit halber auch gleich mit dessen Namen.
Doch alle Mühen des Devouros, der für diese Dienste 150 000 Drachmen S.79 (etwa 6100 Mark) bekam, waren schließlich vergebens. Der Grieche kannte sich offenbar mit den Wegen der EG-Bürokratie wenig aus.
Zwar konnte die »Sophie Rickmers« aufgrund der vermeintlichen Freiverkehrsbescheinigung aus Griechenland die China-Champignons anstandslos in Hamburg anlanden. Aber schon bald darauf schlug der griechische Zoll Alarm.
Denn eine Durchschrift des Grenzdokuments ging wie üblich vom Bestimmungshafen Hamburg zurück an die ausstellende Behörde. Als sich aber der Chef des Zollamts Piräus 3 weder an »Sophie Rickmers« noch an die Champignon-Konserven erinnern konnte, benachrichtigte er die Staatsanwaltschaft und schickte ein Telex an seine Hamburger Kollegen.
Den Importeuren in der Hamburger Deichstraße war jedoch keine Verfehlung nachzuweisen. Schließlich hatten sie sich nur auf Dokumente verlassen, auf die auch schon der Zoll hereingefallen war.
Wünsche-Geschäftsführer Bodenstab will sogar belegen können, daß es für ihn sogar viel billiger gewesen wäre, die Ware direkt in China einzukaufen, statt einen teuren Zwischenhändler in Piräus einzuschalten. Dem Hanseaten ging es auch gar nicht in erster Linie um den Preis, sondern vor allem darum, überhaupt die China-Ware einführen zu können.
Seit Mitte 1978 nämlich ist der Import von Champignons in die Gemeinschaft zum Schutz holländischer und französischer Pilzkulturen streng reglementiert. Gerade zur Jahreswende 1980/81 hatte die Brüsseler Kommission die Kontingente für die Einfuhr aus China kräftig herabgesetzt und zusätzlich hohe Strafzölle beschlossen. Außerdem müssen die Importe einzeln genehmigt werden.
Bis zu ihrem Eintritt in die Gemeinschaft hatten die Griechen dagegen Champignons aus Fernost in beliebiger Menge ins Land gelassen. Und diese großzügige Handelspolitik hatte Bodenstab mit der Fracht der »Sophie Rickmers« genutzt.
Mit Erstaunen allerdings muß Bodenstab nun feststellen, daß sein kleiner genialer Einfall gar nicht nötig war. Denn die bisher vorliegenden 34 EG-Verordnungen über den Champignon-Handel in der Gemeinschaft dringen nur langsam bis in die griechischen Amtsstuben vor.
Nach wie vor verteilen Einfuhrbehörden in Athen freigebig und ohne auf die EG-Bestimmungen zu achten Einfuhrlizenzen für Pilzkonserven. Erst vor wenigen Wochen bekam auch die Firma Wünsche eine Genehmigung für neue Champignon-Importe aus Fernost -- notariell beglaubigt und vom deutschen Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft bestätigt.