Gaskrise Slowakei knipst Atomkraftwerk wieder an
Bratislava - Die slowakische Regierung hat in einer Sondersitzung beschlossen, das zum Jahreswechsel abgeschaltete Atomkraftwerk in Jaslovske Bohunice wieder in Betrieb zu nehmen. Damit will das Land den seit Mittwoch unterbrochenen Erdgaslieferungen aus Russland entgegenwirken. "Ich bin mir bewusst, dass wir damit den Beitrittsvertrag zur Europäischen Union verletzen, und übernehme dafür die volle politische Verantwortung", sagte Ministerpräsident Robert Fico in einer vom TV-Nachrichtensender TA3 direkt übertragenen Pressekonferenz der Regierung am Samstagabend.
Die Slowakei habe keine andere Wahl, weil sie knapp vor dem energetischen Kollaps stehe, erklärte Wirtschaftsminister Lubomir Jahnátek. "Wenn Sie mich fragen, wie viel Zeit wir noch haben, diesen Schritt zu überlegen, muss ich Ihnen sagen: Jetzt ist der Zeitpunkt." Laut Fico und Jahnátek sei der "kritische Punkt" erreicht, ab dem jedes weitere Abwarten in ein völliges "Blackout" der slowakischen Energieversorgung führen würde. Das Land verbrauche gerade die letzten zur Unterstützung der Stromversorgung verfügbaren Gasreserven.
Die Entscheidung sei "im Interesse der Slowakei, ihrer Industrie und ihrer Bürger" getroffen worden, sagte Fico nach einer eigens anberaumten Kabinettssitzung. Ziel sei es, den Reaktor "so bald wie möglich" wieder in Betrieb zu nehmen. Schon zuvor hatten Umweltverbände vor der Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks gewarnt.
Der geplante Neustart stößt auf Kritik der EU-Kommission. "Es ist klar, dass es keine Rechtsgrundlage für das Hochfahren von Bohunice gibt, und wenn die Regierung das Atomkraftwerk wieder in Betrieb nimmt, täte sie das im klaren Verstoß gegen EU-Recht", betonte der Sprecher von EU-Energiekommissar Andris Piebalgs. Die Kommission habe von der Regierung in Bratislava bisher keinen förmlichen Antrag zum erneuten Betrieb des Meilers erhalten. Piebalgs-Sprecher Ferran Tarradellas hob weiter hervor, die Brüsseler Behörde arbeite intensiv daran, "das eigentliche Problem der Slowakei zu lösen, nämlich die Unterbrechung der Gaslieferungen".
Dass vor allem das Nachbarland Österreich die Pläne ablehnen und mit Protesten reagieren werde, erwartete auch Fico. Doch könne man darauf in dieser außergewöhnlichen Krisensitzung keine Rücksicht nehmen. Man solle den Standpunkt Österreichs in dieser Frage "nicht überschätzen", sagte Fico wörtlich. Es gebe andere Stimmen in der EU, die mehr Verständnis für die slowakische Notlage zeigten.
Die Wiederinbetriebnahme des nach sowjetischer Bauart errichteten Druckwasserreaktors ist politisch äußerst heikel. Besonders auf österreichischen Druck hatte sich die Slowakei zur Schließung der Anlage bis spätestens Ende 2008 verpflichtet. Diese Verpflichtung ist im Beitrittsvertrag festgeschrieben, der nur mit Zustimmung aller anderen EU-Mitgliedsländer geändert werden könnte.