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BANKEN Geht zu weit

Die deutschen Kreditinstitute müssen Machteinbußen befürchten. Eine Gutachter-Kommission empfiehlt der Bundesregierung ein Bündel von Reformen.
aus DER SPIEGEL 6/1979

Elf ernsthafte Herren möchten sich von den rheinischen Narren nicht stören lassen: Zur Weiberfastnacht, am 22. Februar, wird die Bankenkommission ausnahmsweise nicht in Bonn, sondern in Frankfurt tagen.

Im 36. Stock der Bank für Gemeinwirtschaft wollen die elf von der Bundesregierung beauftragten Bankgutachter einen ihrer heikelsten Reformvorschläge absegnen. Deutsche Banken sollen -- so die Empfehlung der Kommission -- nicht mehr ungehemmt ihr Kreditgeschäft über ausländische Töchter ausweiten können.

Wie in der Großindustrie sollen die Bankenanteile erstmals das Kapital ihrer weltweiten Ableger in einer Konzernbilanz aufrechnen. Dann könnten die Geldinstitute nicht wie bisher ohne zusätzliches Kapital immer größere Kreditpyramiden -- über die Töchter -- aufbauen.

Mit so handfestem Rat hatte selbst der Auftraggeber des Gutachtens zeitweilig kaum noch gerechnet. Schon im Februar 1977 mahnte der damalige Finanzminister Hans Apel den Kommissionsvorsitzenden, den ehemaligen Abteilungsleiter im Justizministerium, Ernst Gessler, die Herren sollten doch wenigstens einmal im Monat tagen.

Minister Apel hatte im November 1974, wenige Monate nach dem Zusammenbruch des Bankhauses Herstatt, die Studienkommission beauftragt, »Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft« zu klären. Vier Banker, zwei Universitätsprofessoren, zwei Regierungsbeamte, ein Gewerkschafter, ein Mann von der Bundesbank und einer vom Aufsichtsamt sollten prüfen, welche Macht deutsche Banken besitzen und ob sie nicht nur Geld, sondern auch das Vertrauen der Kunden verdienen.

Große Eile schienen die Gutachter zunächst nicht zu haben. In den beiden ersten Jahren trafen sie sich nur gut ein Dutzend Mal zu einem wenig ergiebigen Meinungsaustausch.

Erst nachdem der Gessler-Kreis sich in mehreren Einzelstudien -- etwa über die Stimmrechtsvertretung der Banken oder den Anteilsbesitz -- die notwendigen Daten beschafft hatte, kam die Arbeit etwas in Schwung. Die elf Experten legten im vergangenen Jahr Sondersitzungen ein. Nach 43 Treffen, überwiegend in einem fensterlosen Saal des Bonner Finanzministeriums, scheint jetzt das Ende absehbar.

Das Gutachten, das der Eifer-Rat Anfang Mai dem Finanzminister überreichen will, wird die härtesten Kritiker des deutschen Bankensystems enttäuschen. Eine Beseitigung des Universalbanken-Systems oder gar die Verstaatlichung der Banken lehnt die Kommission rundheraus ab.

Auch die Entsendung von Staatskommissaren in die Aufsichts- oder Verwaltungsräte von Banken mochten die Experten nicht gutheißen. »Das Wirtschaftssystem«, fürchtet die Kommission, »wird grundsätzlich verändert, wenn staatliche Funktionäre an die Stelle der bisherigen leitenden Persönlichkeiten der Wirtschaft treten.«

So beschränkten sich die Gutachter auf »Reformvorschläge im Rahmen des bestehenden Bankensystems«. Sie debattierten über

* die Unternehmerrolle der Banken (Beteiligung an Firmen aller Art);

* die Stimmenmacht der Kreditinstitute auf den Hauptversammlungen;

* die Einflußmöglichkeiten der Bankiers als Aufsichtsräte in Großunternehmen;

* die Konflikte, die sich aus den Eigeninteressen der Institute und ihrer Kunden, etwa im Wertpapierhandel, ergeben;

* die teils unzureichende Ausstattung der Auslands-Töchter mit Eigenkapital.

Am schwersten fiel der Gessler-Gruppe die Einigung in der Frage der Beteiligungen. Denn gerade der Anteilsbesitz der Banken an anderen Wirtschaftsunternehmen, so steht es auch im Bericht der Studienkommission, »ist seit langem ein Hauptpunkt der Kritik«. Die Ansichten der Kommissionsmitglieder lagen zunächst weit auseinander.

So zielte etwa Hermann Beyer-Fehling, Ministerialrat im Finanzministerium, in die gleiche Richtung, die schon die Monopol-Kommission in ihrem Konzentrations-Gutachten 1976 eingeschlagen hatte: Banken -- »die großen Mächtigen mit den undurchsichtigen Verhältnissen« (Beyer-Fehling) -- sollten höchstens fünf Prozent des Kapitals einer anderen Firma übernehmen dürfen.

Andere Kommissionsmitglieder, wie Alfred Herrhausen von der Deutschen Bank oder Heinz Osthues von der Westdeutschen Landesbank, wollten anfangs die Grenze für Kapitalbeteiligungen erst bei 50 Prozent ziehen. Um überhaupt einen Vorschlag in dieser entscheidenden Frage zu Papier zu bringen, verabredeten die Räte, neben einem Mehrheitsvotum auch die abweichende Ansicht darzustellen.

Übereinstimmend kamen die Herren zu der Ansicht, daß es »grundsätzlich nicht die Aufgabe von Kreditinstituten« sei, »unternehmerische Verantwortung« im Nicht-Bankenbereich zu übernehmen, und daß deshalb eine Bank sich keinesfalls mit mehr als 50 Prozent bei einem anderen Unternehmen einkaufen dürfe. Auf einen kleineren gemeinsamen Nenner konnten sie sich jedoch nicht einigen.

Eine hauchdünne Mehrheit (sechs gegen fünf) sprach sich dafür aus, »zukünftig keinen Anteilserwerb über 25 Prozent« des Kapitals zuzulassen. Mehrere Kommissionsmitglieder -- neben Beyer-Fehling auch Privatbankier Friedrich Simon und Professor Claus Köhler von der Bundesbank -- plädierten dafür, den Anteilserwerb noch stärker einzuschränken -- auf höchstens zehn Prozent.

Seit eh und je versuchen die Banken, die Bedeutung ihrer industriellen Beteiligungen zu verniedlichen. Nur rund drei Prozent des Kapitals aller Unternehmen außerhalb des Bankensektors seien in ihrer Hand.

Das jedoch ist nur ein Teil der Wahrheit. Wie die Gessler-Kommission herausfand, kontrollieren fünf Kreditinstitute mehr als die Hälfte des bankfremden Beteiligungsbesitzes, zehn Banken bringen es sogar auf über 75 Prozent,

»Für diese Institute«, schrieb die Kommission, »ergeben sich dadurch erhöhte Einflußmöglichkeiten.« Gemeint sind neben den drei Großen (Deutsche, Dresdner und Commerzbank) Geldkonzerne wie die Westdeutsche Landesbank, die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank, die Bayerische Vereinsbank und die gewerkschaftseigene Bank für Gemeinwirtschaft (BfG).

Erkenntnisse dieser Art jedoch halfen den Gutachtern kaum weiter. Denn eine »Lex Großbanken«, fand ein Kommissionsmitglied, sei wohl kaum durchsetzbar.

Und weil dies so ist, werden wohl auch andere Reformansätze steckenbleiben. Das gilt vor allem für die Frage des Vollmacht-Stimmrechts der Banken auf den Hauptversammlungen -- ein Problem, mit dem sich die Kommission monatelang herumschlug.

Bislang stimmen die Banken auf den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften für ihre Depotkunden mit, wenn diese ihnen eine Vollmacht ausstellen. Und diese Stimmen-Macht konzentriert sich wieder »auf einige wenige Banken« (Kommissions-Bericht).

Die Kommission ließ für das Jahr 1974 Hauptversammlungsdaten auswerten. Ergebnis: Sechs Institute -- neben den drei Großbanken wieder die BfG sowie die beiden bayrischen Regionalbanken -- verfügten über drei Viertel aller Kundenvollmachten.

An der auf höchstens fünfzehn Monate befristeten Kundenvollmacht wollen die Gutachter weiter festhalten. Aber für besonders wichtige Abstimmungspunkte sollten nach der Empfehlung der Gessler-Leute Einzelweisungen der Depotkunden eingeholt werden -- so etwa bei Satzungsänderungen, Kapitalschnitten oder dem Abschluß von Fusionsverträgen.

Schon diese Empfehlung wird die deutschen Banken kaum begeistern. Um so heftiger wehrte sich der Vertreter der Großbanken, Herrhausen, als einige Kommissionsmitglieder weitere Machteinbußen zur Diskussion stellten.

So sollten die Banken Einzelweisungen immer dann einholen, wenn sie bei der Wahl eines Bankers in den Aufsichtsrat auch die Stimmen ihrer Kunden einsetzen wollen.« Das geht zu weit«, entrüstete sich Herrhausen, »dann wäre ja die Einzelweisung schon fast die Regel.«

Längere Palaver über noch strittige Fragen -- Stimmen-Vollmacht, Eigenkapitalquoten und die Schaffung eines Wertpapier-Aufsichtsamtes -- möchten sich die elf Experten jedoch nicht mehr leisten. Denn nach gut vier Jahren Arbeit haben sie sich jetzt selbst unter Zeitdruck gesetzt.

Die Schlußsitzung soll am 9. März stattfinden -- in angenehmer Atmosphäre. Herrhausen hat die Kollegen in die Deutsche Bank nach Düsseldorf eingeladen.

So werden die Herren, zum guten Schluß, diesmal auch die 50 Mark Sitzungsgeld ungeschmälert nach Hause tragen können -- sonst mußten sie jedesmal sieben Mark für belegte Brötchen abgeben.

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