Gesundheit Arbeitgeber fordern Fünf-Euro-Gebühr pro Arztbesuch
Osnabrück - Ohne mehr Selbstbeteiligung der Patienten geht es nicht, findet Dieter Hundt. Daher verlangt der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände nun eine Praxisgebühr von fünf Euro für jeden Arztbesuch. Außerdem schlug er im Interview der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vor, die geltende Höchstgrenze bei der Eigenbeteiligung von zwei Prozent des Brutto-Jahreseinkommens auf drei Prozent anzuheben. Dies würde bedeuten, dass jemand, der 30.000 Euro verdient, dann bis zu 900 Euro statt bisher höchstens 600 Euro Zuzahlungen im Jahr leisten müsste.
Hundt stützt so eine Idee, über die anderen Zeitungsmeldungen zufolge derzeit in der Großen Koalition debattiert wird: Die "Welt" hatte berichtet, die Regierung prüfe, die Praxisgebühr auf fünf Euro pro Arztbesuch zu erhöhen. "Das bringt nicht nur mehr Einnahmen, sondern hat auch eine Steuerungsfunktion", sagte ein nicht näher benannter Kenner der Zeitung zufolge. Schätzungsweise eine Milliarde Euro an zusätzlichen Einnahmen könnten so in die Kassen der Versicherungsträger fließen.
Kassen wieder in Not
Das Bundesgesundheitsministerium nannte den Bericht allerdings "Unsinn". "Das Thema Praxisgebühr hat in der Arbeitsgruppe Gesundheit der Koalition bisher überhaupt keine Rolle gespielt", sagte der Sprecher des Ministeriums, Klaus Vater, der Nachrichtenagentur dpa.
Hundt erklärte hingegen, die höhere Selbstbeteiligung und eine Steigerung der Praxisgebühr seien gerechtfertigt. "Das ist zumutbar", betonte der Arbeitgeberpräsident. Beide Maßnahmen könnten die Selbstbeteiligung um drei Milliarden Euro erhöhen. Die Praxisgebühr habe sich auch deshalb bewährt, weil sie die Zahl der unnötigen Arztbesuche reduziert habe. Und die Selbstbeteiligung sollte insbesondere dort ausgebaut werden, wo sie steuernd wirke - Leistungen würden dann nur nachgefragt, wenn sie tatsächlich erforderlich seien.
Der Arbeitgeberpräsident bestätigte Angaben der AOK, wonach der Schätzerkreis 2007 ein Defizit von acht Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung erwartet. Daher sei der Handlungsbedarf "riesengroß". Man benötige eine tiefgreifende Reform, "die hohe Milliardenbeträge einspart - und das bereits mit Wirkung im Jahr 2007. Eine Reform, die niemandem wehtut, kann die Probleme nicht lösen", unterstrich Hundt.
Wichtiger Baustein für "dauerhaft wirkende Einsparungen" sei mehr Wettbewerb durch weitgehende Vertragsfreiheit zwischen Kassen sowie einzelnen oder Gruppen von Ärzten, Zahnärzten, Kliniken und Pharmaherstellern.
Kritik des Sozialverbandes
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) lehnte die diskutierte Erhöhung der Praxisgebühr von jetzt zehn Euro pro Quartal auf fünf Euro pro Arztbesuch in aller Schärfe ab. Die Vorschläge von BDA-Chef Dieter Hundt und Regierungsberater Jürgen Wasem seien ein Horrorszenario für alte und chronisch kranke Menschen, so SoVD-Präsident Adolf Bauer.
Nach Ansicht Bauers würde die Erhöhung der Praxisgebühr vor allem chronisch Kranke, behinderte und ältere Menschen schwer treffen, die sich notwendige Arztbesuche dann nicht mehr leisten könnten. Für viele Patienten und Versicherte würde damit der Krankenversicherungsschutz ins Leere laufen. Vor allem die finanziell Schwächeren würden notwendige Krankenbehandlungen unterlassen. Dies hätte zur Folge, dass sich Erkrankungen verschlimmern und die Kosten im Gesundheitswesen erst recht steigen würden, so Bauer.
Für die Patienten seien bereits durch die Gesundheitsreform 2004 Mehrbelastungen in Milliardenhöhe entstanden. Auf die versprochene Entlastung durch sinkende Krankenkassenbeiträge warten die Versicherten nach Angaben Bauers bis heute vergeblich. Stattdessen sei nur zwei Jahre später die nächste Gesundheitsreform fällig. Dies zeige deutlich, dass einseitige Belastungen der Patienten und Versicherten untaugliche Mittel seien, um die strukturellen Probleme in der Krankenversicherung zu lösen. "Die Patienten dürfen nicht schon wieder zur Kasse gebeten werden", so Bauer.
itz/sev/AP/dpa