Gesundheitsfinanzierung Steuerpläne im Sturm der Kritik
Hamburg/Berlin - Laut Zeitungsberichten beabsichtigen die Spitzen von Union und SPD, die Krankenkassenbeiträge zu senken und dafür die Steuern massiv zu erhöhen. Im Gespräch sollen Summen von 30 bis 45 Milliarden Euro sein. Der Vorsitzende des Sozialausschusses im Bundestag, Gerald Weiß (CDU), begrüßte in der "Berliner Zeitung" zwar die grundsätzliche Bereitschaft der SPD zu einer stärkeren Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens. Die debattierten Größenordnungen seien allerdings "nicht von dieser Welt". Weiß sagte, er halte allenfalls die Steuerfinanzierung der Beitragsfreiheit für Kinder für realistisch.
Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, sagte der "Bild"-Zeitung: "Der jetzige Steuererhöhungsrekord reicht den schwarz-roten Wahlbetrügern wohl immer noch nicht." Das Gesundheitssystem werde nur durch mehr Wahlfreiheit und Wettbewerb wieder fit, nicht aber durch den Zuschuss neuer Steuermilliarden.
Die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel kritisierte, dass von den Versprechen der Union, Steuern zu senken, nichts übrig geblieben sei. "Und der SPD fällt ohne die Grünen offenbar nichts weiter ein, als die früheren Entlastungen bei der Einkommenssteuer auf Kosten der Bürger wieder einzukassieren."
"Die Regierung ist selbst ein Sanierungsfall"
Handwerkspräsident Otto Kentzler mahnte, der erste Schritt zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müsse das Zurückführen der Ausgaben sein. Kentzler sagte, höhere Einkommen- und Verbrauchssteuern träfen auch die Unternehmen: "Alle in diesen Tagen in die Öffentlichkeit getragenen Reformmodelle der Bundesregierung kranken bisher daran, dass sie es versäumen, die strukturellen Defizite der gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltig zu kurieren."
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, nannte die Vorschläge der Regierung eine Hiobsbotschaft. Es drohe dasselbe Spiel wie bei der Mehrwertsteuer. "Steuern drastisch rauf, Sozialabgaben kaum runter - im Ergebnis haben wir nachher mehr Staat und eine größere Belastung von Bürgern und Unternehmen", sagte er.
Kritik äußerte in der "Bild" auch der Politikwissenschaftler Arnulf Baring: "Diese Bundesregierung ist selbst ein Sanierungsfall." Die Große Koalition erschöpfe sich in Kompromissen. "Statt Ausgaben und Aufgaben des Staates radikal auf das Notwendige zu begrenzen, suchen Union und SPD verzweifelt nach immer neuen Einnahmequellen. Dadurch sinkt die Leistungsfähigkeit Deutschlands immer weiter."
lan/ddp/AP/dpa