Gierige Reiche Warum alle Steuertrickser Narzissten sind
Hamburg - Damit hat kaum einer gerechnet: Klaus Zumwinkel, die gelbe Eminenz des Brief- und Paketwesens, für viele der angenehme Gegenentwurf zu den anderen Rottweiler-Chefs der Republik, wird von Fahndern aus seiner Villa geleitet und befindet sich mehrere Stunden in Polizei-Obhut - wegen Verdacht auf Steuerhinterziehung. Eine Million Euro soll der scheidende Post-Chef am Fiskus vorbeigeschleust haben.

Zumwinkel nach der Vernehmung: Eminenz in öffentlicher Ungnade
Foto: APImmerhin: In Deutschland ist er zumindest in vornehmer Gesellschaft, was Steueraffären angeht, die die Gemüter erhitzen. Der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff, Ex-CDU-Schatzmeister Walter Leisler Kiep - die Liste derer ist ziemlich lang, die wegen Steuerhinterziehung vor Gericht gelandet oder wegen Steuertricksereien in öffentliche Ungnade gefallen sind.
Aber was treibt wohlhabende und prominente, die mit Winkelzügen versuchen, Steuern zu sparen? Geht es ihnen wirklich nur ums Geld? Selbst hohe Abgaben sind für die meisten unter ihnen doch Peanuts. Warum riskieren sie trotzdem, als Solidar-Verräter abgestempelt zu werden? Wer tut sich wegen Peanuts freiwillig diesen Stress an?
Eine Erklärung wäre, dass der Stress mit steigendem Reichtum nachlässt. Ein Multimillionär kann sich immerhin ein Heer von Steuerexperten leisten, die für ihn jede Lücke im System ausloten, mittels der man Abgaben umgehen kann. "Überspitzt gesagt: Das deutsche Steuerrecht ist so undurchschaubar, dass es sich nur noch Privilegierte leisten können, seine Vorteile voll auszuschöpfen", sagt Steuerpsychologe Erich Kirchler. So sind die Winkelzüge reicher Steuerzahler meist trickreich, aber durchaus legal.
Auch im Fall Zumwinkel ist noch lange nicht raus, ob der Manager wirklich ein Steuervergehen begangen hat. Per se ist es ja nicht ungesetzlich, sein Geld ins Steuerparadies Liechtenstein auszulagern, solange man sein Geld in Deutschland zuvor ordnungsgemäß versteuert hat. Nur unmoralisch, vielleicht.
Doch selbst wenn der Bogen mal überspannt wird, selbst wenn eine Steueraktivität als kriminell eingestuft wird, haben Reiche meist größere Chancen, weitgehend unbeschadet aus der Angelegenheit hervorzugehen als Ottonormalbetrüger. Denn die meisten Steuervergehen ahnden Gerichte mit moderaten Geldstrafen - und Geld haben die Reichen ja genug.
"Das derzeitige Strafmaß für Steuerhinterziehung ist für Wohlhabende kaum abschreckend", sagt Kirchler. Im Gegenteil: "Reiche Manager besitzen sozusagen das Privileg, sich von ihrer Schuld freizukaufen."
Steuerhinterziehungen sind für die oberen Zehntausend also nur bedingt gefährlich - bleibt trotzdem die Frage: Warum tun sie sich den Stress an?
Für den Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth weist die Rebellion gegen den Fiskus generell auf eine narzisstische Selbstüberschätzung hin - das gilt für Reiche genauso wie für den Plebs.
"Wer Steuern hinterzieht, denkt entweder, er sei cleverer als alle anderen und werde nicht erwischt, oder er hält sich für so wichtig, dass er glaubt, er sei über Recht und Gesetz erhaben", sagt der Professor und Autor des Buchs "Narzissmus und Macht. Zur Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik".
Der Nervenkitzel ist demnach das eigentliche Motiv: "Ein Steuertrickser empfindet durch das Gefühl, den Staat zu überlisten, bisweilen denselben Kitzel wie jemand, der mit 230 Stundenkilometern über die Autobahn brettert", sagt Wirth.
Es sei dahingestellt, ob auch der stets so sanft wirkende Post-Chef Zumwinkel tatsächlich narzisstische Tendenzen hat - problematisch ist sein Verhalten trotzdem. Denn er ramponiert im Moment nicht nur sein eigenes Image. "Die Steueraffäre eines Managers wirft unweigerlich auch ein schlechtes Licht auf die Firma, für die er arbeitet, und auf Manager im Allgemeinen", sagt Wirth.
Werden Steuervergehen zu lax geahndet, untergräbt das nach Kirchlers Meinung das Vertrauen in staatliche Institutionen. "Das Problem ist die gefühlte Gerechtigkeit", erläutert der Steuerpsychologe. "Wenn Top-Manager ihre Steuern auslagern oder mit grenzwertigen Aktionen vor Gericht durchkommen, erweckt das Missgunst in der Bevölkerung." Es entstehe der Eindruck, dass die Reichen sich selbst richten.
Hinzu kommt das Problem, dass Steuertricks in weiten Teilen der Gesellschaft als Kavaliersdelikt gesehen werden. "Wer es schafft, den Fiskus auszutricksen, gilt eher als clever, nicht als Verbrecher", sagt Wirth.