Giftpapiere Steinbrück muss Landesbanken im Eiltempo retten

Die Zeit für eine Rettung der angeschlagenen Landesbanken drängt. Finanzminister Steinbrück und die betroffenen Ministerpräsidenten müssen sich nach SPIEGEL-Informationen spätestens am Montag einigen, wie die Not-OP finanziert wird. Andernfalls droht mindestens einem Institut der Kollaps.

Hamburg - Der Konflikt zwischen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und den Ministerpräsidenten von Ländern mit Landesbank-Beteiligungen eskaliert. Bei einem Treffen am Montag sollen nun die Streitpunkte in Anwesenheit von Bundesbankchef Axel Weber und Kanzleramtschef Thomas de Maizière ausgeräumt werden.

Finanzminister Steinbrück: Treffen unter hohem Erfolgsdruck

Finanzminister Steinbrück: Treffen unter hohem Erfolgsdruck

Foto: REUTERS

Es geht vor allem um die Frage, wer welche Lasten übernimmt - und in welcher Höhe sich die klammen Sparkassen, die Miteigentümer der Landesbanken sind, an einer Lösung beteiligen. Steinbrück will diese Bankengruppe, anders als die Länder, von allen Lasten freistellen.

Das Treffen steht unter einem enormen Erfolgsdruck: "Sollte es nicht zu einer Einigung kommen", so berichten hochrangige Finanzexperten der Regierung, "wäre eine Lösung vor der Sommerpause kaum noch möglich." Dann aber könnte zumindest eine Landesbank existentiell bedroht sein.

Hintergrund für die dramatische Einschätzung ist eine neue Umfrage der Bafin, derzufolge die Landesbanken fragwürdige Anlagen im Wert von 355 Milliarden Euro in den Büchern haben; davon sind 180 Milliarden Euro als toxisch klassifiziert.

Die streng geheime Umfrage, die dem SPIEGEL vorliegt, war am Freitagabend öffentlich geworden - und hatte für Aufregung gesorgt. Sie schlüsselt für insgesamt 17 Banken auf, wie hoch deren Risikoposten sind. Laut Bafin summieren sich die Engagements deutscher Banken in problematischen Geschäftsfeldern auf insgesamt 816 Milliarden Euro.

Der Bafin zufolge haben die Landesbanken neben der Hypo Real Estate besonders hohe Risiken in der Bilanz. Das derzeit favorisierte Modell der Länder für eine Lösung dieses Problems sieht nach SPIEGEL-Informationen wie folgt aus: Die Landesbanken lagern vor allem ihre toxischen Papiere jeweils in eine eigene Bad Bank aus, die der Bund absichert. Die neuen Gesellschaften werden als "Anstalt in der Anstalt" (Aida) gegründet.

Die werthaltigen Teile der Landesbanken sollen in einer Holding mit dem Arbeitstitel "Bank deutscher Länder" zusammengefasst werden. Die Holding, deren Konzeption auf eine Idee des NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers zurückgeht, soll mehrere Sitze haben - so ist der Standortstreit erst einmal aufgeschoben.

Innerhalb der Holding werden dann bestimmte Geschäftsbereiche in den verbleibenden guten Teilen der jeweiligen Landesbanken konzentriert. Beispielsweise könnte das Kapitalmarktgeschäft in Düsseldorf, das Immobiliengeschäft in Stuttgart und das Osteuropageschäft in München konzentriert werden. Aus der Holding heraus könnten auch ganze Landesbanken oder die Reste davon verkauft werden. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat bereits einen Gesetzentwurf vorbereiten lassen, der sein starres Landesbankengesetz komplett ändert.

Danach sind Fusionen, die Bildung einer Aktiengesellschaft, eine Abspaltung und sogar der gesamte Verkauf möglich. Ob und welche Länder sich einer Bad Bank bedienen, ist unklar. "Wenn es vorteilhaft für uns ist, werden wir eine Bad-Bank-Lösung des Bundes nutzen", bestätigt etwa Dirk Jens Nonnenmacher, Chef der HSH Nordbank. "Da ist noch nichts entschieden", heißt es dagegen noch vorsichtig in Stuttgarter Bankkreisen.

Die 816-Milliarden-Summe, die die Bafin in ihrer geheimen Umfrage anführt, setzt sich nach SPIEGEL-Informationen so zusammen:

  • Landesbanken: 355 Milliarden Euro
    Davon 180 Milliarden toxische Papiere, 175 Milliarden Euro derzeit nicht handelbare Papiere. Allein für die HSH Nordbank setzt die Bafin rund 100 Milliarden Euro an - etwa 13 Milliarden Euro davon sollen Giftpapiere sein. Nach Informationen der "SZ" sind bei der Landesbank Baden-Württemberg 92 Milliarden in der Bilanz, bei der Westdeutschen Landesbank 84 Milliarden.

  • Hypo Real Estate: 268 Milliarden Euro

  • Volks- und Raiffeisenbanken: 54 Milliarden
    25 Milliarden davon toxische Papiere und 29 Milliarden derzeit nicht handelbare Papiere.

  • Privatbanken - wie Commerzbank und Deutsche Bank: 139 Milliarden Euro
    Davon werden 53 Milliarden als toxisch angesehen, 86 Milliarden als nicht handelbare Papiere. Die Deutsche Bank hat allerdings so gut wie keine Giftpapiere.

Eine Bafin-Sprecherin bemühte sich am Freitagabend um Schadensbegrenzung. In die als Risikobeträge angeführten Zahlen seien auch Vermögenswerte eingeflossen, "die nach Angaben der Banken nicht mehr zur aktuellen Geschäftsstrategie passen und die daher ausgegliedert werden könnten", sagte sie SPIEGEL ONLINE.

Bei den einzelnen Angaben handele es sich zum Teil um Bruttobeträge. Risikovorsorge, Sicherheiten und Gegengeschäfte seien nicht berücksichtigt. Ein Teil der Summe seien zudem "Staatsanleihen, deren Ausfallrisiken als extrem gering einzustufen seien". Die Sprecherin betonte, die Liste lasse keinerlei Rückschlüsse auf eventuelle Risiken, Verluste oder gar die Bonität der aufgeführten Kreditinstitute zu. "Wir warnen vor einer Fehlinterpretation der Aufstellung." Auch Bundesbank-Präsident Axel Weber warnte am Freitagabend in Washington vor der Annahme, dass alle aufgeführten Summen ausfallgefährdet seien.

Die Bafin hat inzwischen die Staatsanwaltschaft München eingeschaltet. Die veröffentlichte Aufstellung sei "streng vertraulich" gewesen. Ihre Weitergabe stelle "möglicherweise einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht dar", heißt es zur Begründung.

ssu
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