FARBFERNSEHER Grau In grau
Im Anpreisen ihrer Produkte ist den deutschen Produzenten von Farbfernsehgeräten derzeit kein Gag zu teuer, kein Spruch zu keß.
Nordmende preist seine »völlig neue Prestige-Ton-Konzeption«, AEG-Telefunken die »Marathon-Farbstabilität, Marathon-Sicherheit und Marathon-Komfort«. Saba setzt auf neue Dimensionen mit dem »Bild-im-Bild«-Fernseher, Siemens hält seinen »Bildmeister« für eine »Ausgehurt von Technik mit Ideen«.
Viel mehr als Zukunftsglaube, liebevolle Werbung und Hoffnung bleibt den deutschen TV-Produzenten derzeit nicht. Zehn Jahre nachdem der damalige Außenminister Willy Brandt per Knopfdruck die Farbfernseh-Ära eröffnete, sind die einst glitzernden Aussichten nur noch grau in grau.
Mitte des Jahres lagen fast 500 000 Farbfernseher auf Lager. Und Ende 1977 wird die Branche ganze 4,5 Prozent mehr Geräte verkauft haben als im Vorjahr: 2,3 Millionen Apparate.
Im nächsten Jahr werden nach einer Marktanalyse von Philips lediglich 50 000 Farbfernseher mehr verkauft als 1977 -- trotz der Fußballweltmeisterschaft in Argentinien.
Der flaue Trend trifft vor allem die deutschen Anbieter. Denn ein zunehmender Anteil von Farbfernsehkäufern interessiert sich nicht für ihre großen Kästen mit dem 66-cm-Bild, sondern für die kleineren, handlicheren Formate. Und da geben die Japaner Bild und Ton an. Durchaus zufrieden registrierte Jakob Schmuckli, Chef der deutschen Sony: »Der Markt kommt uns entgegen.«
Um so hartnäckiger verteidigen die Deutschen ihr 66-cm-Revier, das ihnen dank der Lizenzen für das deutsche Pal-System noch einige Jahre sicher ist. Allerlei technische Raffinessen und Spielereien sollen neue Käufer locken und gediente Farbfernseher-Besitzer ermuntern, ihr altes Gerät endlich durch ein neues zu ersetzen.
An der technischen Grundkonzeption der Geräte allerdings ändert sich kaum etwas. Philips-Sprecher Heinz Bahr: »Da gibt es keine Überraschungen mehr.« Schon deshalb müßten sich die Hersteller »immer was Neues einfallen lassen, um dem Preisdruck zu entgehen« (Bahr).
»Mit Schnickschnack« (Sony-Schmuckli) versuchen die Hersteller vor allem, ihre zwar seit Jahren stabilen, verglichen mit den Herstellkosten aber hohen Preise zu halten. Nordmende gibt vor, aus dem eher dünnen Fernsehton mittels eines »Center-Sonic-Fußes« einen wahren Konzertklang zaubern zu können. Siemens-Geräte können wie ein Automatik-Küchenherd vorprogrammiert werden. Sie schalten selbsttätig ein und aus und blockieren jene Programmteile, die Eltern ihren Kindern vorenthalten möchten.
Die per Fernbedienung eingeblendete Uhr zählt schon fast zur Standard-Ausrüstung. Neuester Gag ist das Bild im Bild: In das laufende Farbprogramm läßt sich ein postkartengroßes Schwarz-Weiß-Bildchen einblenden, das die Sendung eines anderen Kanals übermittelt.
Auch das Geschäft mit der Angst kommt nicht zu kurz. So wirbt Telefunken mit dem Hinweis, sein Gerät erlaube auch die Übertragung von Bildern, die eigens installierte Überwachungskameras aufnehmen: »Dann wissen Sie auch während einer Fernsehsendung, wer vor Ihrer Haustür steht.«
Derart aufgerüstete Apparate kosten nach dem Willen der Preiskalkulatoren aus der Industrie 250 bis 300 Mark mehr als die konventionellen Geräte. Mühelos übertreffen sie die 2000-Mark-Grenze um bis zu 500 Mark und ziehen auch die einfacheren Typen mit.
Bislang jedenfalls hat noch keine Firma gewagt, die aufwendigen Apparate von »dem ganzen Klimbim« zu befreien und zu dem nach Expertenmeinung möglichen Preis von 1500 Mark anzubieten. AEG-Sprecher Ortwin Witzel: »Es hat schon erhebliche Abschläge gegeben, billiger geht"s nicht.«
Ob es geht oder nicht, das bestimmen einige wenige Firmen, die als Röhren- und Bauteilhersteller einen wesentlichen Teil der Herstellungskosten festsetzen.
Die zwölf deutschen Geräteproduzenten beziehen ihre Farbröhren fast ausschließlich von den vier Exklusiv-Anbietern Telefunken, Philips, SEL und Radio Corporation of America (RCA). Auch die Anbieter von modulen Mikroprozessoren und anderen Bauteilen sind leicht überschaubar.
Im Fachhandel dagegen läuft der Wettbewerb auf allen Kanälen. Elektronik-Discounter und Warenhäuser sorgen dafür, daß die Händler-Spanne eng bemessen bleibt. So bietet der Hamburger TV- und Phonohändler Lichtenfeld seinen Kunden an, er trete auch in die Konditionen des billigsten Hamburger Angebots ein -- wenn ihm Preis und Wettbewerber genannt würden.
Unisono klagen die Händler über den harten Konkurrenzkampf: »Irrsinnswettbewerb und beschissene Margen«. Allenfalls eine Handelsspanne von 18 bis 24 Prozent sei noch zu schaffen, meint etwa der Frankfurter Händler Diehl: »Das ist eine Todesspanne.«
Das Frankfurter Versandhaus Neckermann versucht die neuen Modelle mit Hilfe eines einträglichen Dreiecksgeschäfts an den Mann zu bringen. Als einziges Versandhaus nimmt es gebrauchte, selbst defekte Geräte für 80 bis 120 Mark in Zahlung. Diese Kästen werden dann mit Aufschlag an ein Frankfurter Kleinunternehmen verkauft, das die gebrauchten Apparate instand setzt, aufpoliert und für 600 bis 700 Mark verhökert.
Der Neckermann-Partner mußte sich allerdings zu einem verpflichten: Die Alt-Geräte -- im Jahr immerhin einige tausend Stück -- dürfen nur im Ausland abgeladen werden.
Fast wie ein Nachruf klingt inzwischen das Urteil des Branchenführers Grundig über den Farbfernseh-Markt. Vertriebschef Josef Stoffeis: »Für uns birgt der Markt keine Überraschungen.« Sein Haus hat sich längst auf andere Produkte -- Video und Hi-fi -- eingestellt, »die uns in den nächsten Jahren das Wachstum bringen«.