ALTBAUTEN Große Zukunft
Für Bundeswohnungsbauminister Karl Ravens ist das Aufpolieren alter Häuser ein »ungeheures Feld«. Für SPD-Parteifreund Karl Trabalski im Düsseldorfer Landtag indes geschah die Feldbestellung des Ministers allzusehr »mit der Gießkanne«. Und Hamburgs FDP-Bausenator Rolf Bialas ging das Ganze wieder einmal zu Lasten derer, die durch Eigentumstitel nicht geschützt sind -- zu Lasten der Mieter.
700 Millionen Mark hatte das Bonner Kabinett im August ausgelobt, um das Reparaturhandwerk ungebeutelt über den Winter zu bringen und die Althaus-Eigner zur Instandsetzung ihrer Liegenschaften anzureizen und die 700 Millionen Mark waren weg, kaum daß der Minister im Fernsehen die Vorzüge seiner Altbau-Subventionen pries.
Die Bargeschenke des Bundes und der Länder nämlich -- Zuschüsse bis zu 30 Prozent der Kosten, Höchstkosten 20000 Mark pro Wohnung -- dürfen die Eigentümer vor dem 1. Januar 1961 fertiggestellter Wohngebäude am Schalter ihrer Bank, frei von drückenden Auflagen und gegen Vorlage der Rechnungen, abholen.
Allerdings -- der Millionensegen wurde nach dem Eingangsdatum der Anträge ("Windhund-Verfahren") bewilligt, und da 700 Millionen Mark, verteilt auf 16 Millionen Altbau-Wohnungen, nicht viel hergeben, waren die Gelder oft nach Stunden schon vergriffen: In manchen Bundesländern wurde das Doppelte der auf das Land entfallenden Summe beantragt, in Nordrhein-Westfalen gar das Dreifache -- Tausende von Bewerbern blieben draußen vor der Tür.
Banken, Kassen und Behörden faßten es gar nicht, was sich da ereignete. So hatten ganz Schnelle die erste Verwirrung genutzt und ihre Bewerbung um den staatlichen Zuschuß auch ohne die erforderlichen Kostenvoranschläge bei den Kreditinstituten untergebracht. Die Bonner und der Landesrechnungshof von Nordrhein-Westfalen, das 209 Millionen Mark verteilen darf, monierten sogleich die schlampige Arbeit. Nun werden sämtliche Anträge noch einmal überprüft -- und mancher Spitzenkandidat wird danach ans Ende der Schlange rücken.
Das Parforcerennen zwischen Bonn und Bauherren aber war kaum vermeidlich, weil niemand genau wußte, wie das Geld über Bund, Land und Kreditinstitute korrekt gesteuert werden sollte. In einigen Ländern hatten sich die· Banken, als das Programm schon beschlossen war, noch nicht einmal über eine zentrale Leitstelle für die Zuschuß-Aktion geeinigt. In Hamburg kamen die Informationsblätter für das Windhundrennen erst an, als die Mittel längst verteilt waren. Die Hamburger Sparkasse, größte Kasse der Bundesrepublik, konnte sich nur aus der Zeitung informieren.
Ernster als die administrativen Pannen aber finden Politiker und Verwaltungsbeamte inzwischen einige politische Nebenwirkungen der Aktion. Sozialdemokrat Trabalski bemängelt, der 700-Millionen-Segen laufe am strukturpolitischen Bemühen der Länder, vor allem aber an den Interessen der Mieter vorbei.
Die staatlichen Zahlmeister nämlich gestatten den Hausbesitzern großmütig, künftige Mieterhöhungen nach den gesamten Modernisierungskosten -- also einschließlich der staatlichen Zuschüsse -- zu kalkulieren. Das eingesetzte Kapital der Hauseigentümer, so errechnete der Deutsche Mieterbund, verzinst sich danach mit bis zu 20 Prozent.
Diese Rendite kann der Hauseigentümer schaffen, wenn er den Höchstbetrag von 20 000 Mark -- etwa für neue sanitäre Anlagen oder für den Wärmeschutz seines Hauses -- einsetzt und davon ganz legal gleich 2800 Mark (14 Prozent der Gesamtsumme) auf den Mieter weiterwälzt. Indes -- 20 000 Mark Gesamtsumme bedeuten nur 14 000 Mark Eigengeld des Bauherrn, 6000 Mark sind Zuschüsse. 2800 weitergewälzte Mark geben mithin 20 Prozent auf das eingesetzte Kapital des Bauherrn.
Solche Härten aber nimmt Wohnungsbauminister Ravens gelassen hin. Der Grund: Ausgeklügelte Programme. wie sie vorher regelmäßig liefen, haben die Hauseigentümer wegen des komplizierten Papierkrieges und strenger Bedingungen stets nur spärlich genutzt. Die wilde Nachfrage nach seinen Windhund-Krediten bucht der Minister als konjunkturpolitischen Erfolg.
Ravens, Beamte sehen den Weitblick des Hausherrn bestätigt. »Die Altbau-Sanierung«, so ein Sprecher des Hauses, »ist eine große Zukunftsaufgabe.«