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METALLGESELLSCHAFT »Großen Schaden zugefügt«

In einem 850-Seiten-Papier erhebt der ehemalige Chef der Metallgesellschaft, Heinz Schimmelbusch, schwere Vorwürfe gegen Aufsichtsratschef Ronaldo Schmitz.
aus DER SPIEGEL 13/1997

Von einer Krise mag Kajo Neukirchen nichts mehr wissen. Die Metallgesellschaft (MG), verkündet der Konzernchef optimistisch, sei nach der Milliardenpleite vor drei Jahren wieder ein ganz »normales Unternehmen« geworden.

Die Bilanz weise schwarze Zahlen aus, und auch der »mentale Turn-around«, sagt der ehrgeizige Sanierer, sei weitgehend geschafft. »Die Vergangenheit«, so Neukirchen, »liegt hinter uns.«

Damit das so bleibt, hat der Konzernchef einen kühnen Plan entwickelt. Der langjährige Streit über die Schuld an dem Milliardendesaster vom Dezember 1993 zwischen der Metallgesellschaft und Ex-Vorstandschef Heinz Schimmelbusch soll beendet werden - per Vergleich.

Kernpunkt der Vereinbarung, die am kommenden Donnerstag von der Hauptversammlung akzeptiert werden soll: Der Konzern zieht seine Schadensersatzklage über 25 Millionen Mark gegen Schimmelbusch zurück und zahlt dem geschaßten Manager statt dessen 1,5 Millionen Mark. Gegenseitige Schuldzuweisungen, so der Deal, soll es in Zukunft nicht mehr geben.

Davon würde vor allem Deutsche-Bank-Vorstand Ronaldo Schmitz, im Nebenjob Aufsichtsrat der Metallgesellschaft, profitieren. Denn beim Frankfurter Landgericht hat Schimmelbusch vor einigen Monaten eine rund 850 Seiten starke Erwiderung auf die Schadensersatzklage eingereicht, die Schmitz erheblich belastet.

Das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, so die Klageerwiderung, habe im Krisenjahr 1993 »primär die Geschäftsinteressen der Deutschen Bank« vertreten. Die Belange der Metallgesellschaft seien eher nachgeordnet behandelt worden. »Diese Behauptungen«, so Metallgesellschaft und Deutsche Bank gegenüber dem SPIEGEL, »sind sämtlich unwahr.«

Schon im Dezember 1993 war Schmitz erheblich unter Beschuß geraten. Damals hatte der Banker fast den kompletten MG-Vorstand von der Verantwortung entbunden, weil der sich in den USA auf riskante Öltermingeschäfte eingelassen hatte. Von enormen Versäumnissen des Vorstands und »möglichen kriminellen Handlungen« war damals die Rede.

Ob es jedoch tatsächlich Schimmelbuschs großangelegte Termingeschäfte waren, die den Konzern an den Rand des Ruins trieben, wird von Fachleuten wie dem amerikanischen Finanzwissenschaftler und Wirtschaftsnobelpreisträger Merton Miller bezweifelt. Erst der von Schmitz angeordnete abrupte Verkauf der Ölkontrakte, so Miller, hätten das komplizierte Geflecht von Verträgen und Absicherungen durcheinandergebracht und Buchverluste zu tatsächlichen Verlusten von 1,3 Milliarden Mark werden lassen.

Zweifelhaft scheint auch, ob MG-Aufsichtsratschef Schmitz vom Ausmaß der Ölgeschäfte in den USA wirklich so überrascht wurde, wie er damals sagte. Die Anwälte Schimmelbuschs zumindest werten entsprechende Aussagen des Bankers ("Der Aufsichtsrat war nicht informiert") als »reine Schutzbehauptung«.

In der Klageerwiderung heißt es, der Deutsche-Bank-Vorstand Schmitz sei schon im Sommer 1993 über die Ölgeschäfte und ihre Risiken in Kenntnis gesetzt worden. Leitende Angestellte des Konzerns hätten mehrere ehemalige MG-Vorstandsmitglieder darüber informiert, daß das Ölgeschäft »zu weit ausgedehnt« worden sei. Schmitz, heißt es in dem Dokument, sei über die Befürchtungen der Mitarbeiter ("Die ganze MG knallt, wenn das so weitergeht") unterrichtet worden.

Doch der Aufsichtsrat, so der Vorwurf der Juristen, habe es »beharrlich und pflichtwidrig unterlassen«, den Gesamtvorstand zu informieren. In diesem Falle hätte Schimmelbusch »bereits im Frühsommer in den USA eingreifen und spätestens im Herbst eine Ausweitung des Volumens verhindern können«.

Schaden von der Metallgesellschaft abzuwenden, sei Schmitz erst gar nicht in den Sinn gekommen, behauptet die Gegenseite. Er habe die brisanten Informationen lediglich gesammelt, um sie zu einem geeigneten Termin gegen Schimmelbusch zu verwenden.

»Von dem Zeitpunkt der Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes an«, schreiben die Anwälte, habe Schmitz »aus persönlichen Gründen einen Vorwand« gesucht, um Schimmelbusch »aus der Position des Vorstandsvorsitzenden entweder zu entfernen oder aber eine Nichtverlängerung dessen Vorstandsvertrages durchzusetzen«.

»Diese Darstellung«, behaupten Metallgesellschaft und Deutsche Bank übereinstimmend, sei »nachweisbar unzutreffend«. »Dr. Schmitz«, heißt es, »war nicht von den Risiken und der Entwicklung des Geschäftes in New York unterrichtet« und habe auch »mit keinem der Mitarbeiter der Metallgesellschaft vor Dezember 1993 entsprechende Gespräche geführt«.

Massive Vorwürfe erheben Schimmelbuschs Anwälte auch gegen die Doppelrolle von Schmitz als Banker und MG-Aufsichtsrat. Immer wieder soll der heute 59jährige Manager versucht haben, die Deutsche Bank in laufende Geschäfte der Metallgesellschaft einzuklinken.

Es gab, klagt Schimmelbusch, keinen Unternehmenserwerb, keine Umwandlung, keinen Kauf oder Verkauf, »bei dem nicht Herr Dr. Schmitz den Vorschlag machte, die Deutsche Bank einzuschalten«. Selbst vor nachteiliger Einflußnahme auf die Metallgesellschaft schreckte der Deutsch-Banker den Papieren zufolge nicht zurück.

Beim Bau einer Kupferschmelzhütte in Indonesien beispielsweise, die von einem internationalen Bankenkonsortium unter Beteiligung der Deutschen Bank finanziert werden sollte, habe Schmitz in letzter Minute die Zinskonditionen erhöht. Anderenfalls, so soll er gedroht haben, werde sich die Deutsche Bank »aus dem Konsortium zurückziehen«.

Mit diesem Vorgehen, heißt es in der Klageerwiderung, habe der Aufsichtsratsvorsitzende Schmitz dem Frankfurter Unternehmen »großen Schaden zugefügt«. Schimmelbusch habe der geänderten Finanzierung nur zugestimmt, um das Gesamtprojekt nicht zu gefährden.

Immer wieder soll der Mann der Deutschen Bank auch versucht haben, direkten Einfluß auf die Geschäftspolitik von MG zugunsten des Geldhauses zu nehmen. So habe der Aufsichtsrat bei diversen Aufträgen an die Unternehmensberatung McKinsey massiv interveniert: Es ginge nicht an, daß die Metallgesellschaft einen Konkurrenten der Deutschen Bank, die mit der Tochterfirma Roland Berger ebenfalls im Beratungsgeschäft tätig ist, bevorzuge. Laut Klageerwiderung bestand Schmitz darauf, daß Schimmelbusch »eine wie auch immer geeignete Rolle finden müsse, um Roland Berger mit einem Auftrag zu versorgen«.

Auch in anderen Fällen, so die Schimmelbusch-Anwälte, habe Schmitz seine Kompetenzen überschritten. Als die Metallgesellschaft plante, einen Teil der Feldmühle Nobel AG zu verkaufen, soll Schmitz das Geschäft sogar »durch unerwünschte direkte Kontaktaufnahme« mit dem Käufer verhindert haben.

Selbst in der konkreten Krisensituation der Metallgesellschaft habe der Banker aus eigenen wirtschaftlichen Interessen gehandelt, indem er die Ausnutzung eines von 46 Banken bereitgestellten Kredits in Höhe von 1,5 Milliarden Mark verhindert haben soll. Anstatt auf das günstige Angebot des Bankenkonsortiums einzugehen, so die Anschuldigung, stellten die Deutsche und die Dresdner Bank der Metallgesellschaft einen eigenen Kredit zur Verfügung. Wie Schmitz selbst eingeräumt haben soll, »zu verschärften Konditionen«.

»Die Kreditgewährung an MG«, so Schimmelbuschs Anwälte, sei »für die Deutsche Bank und für die Dresdner Bank ein so erstklassiges Geschäft gewesen, daß sie es vorzogen, es allein, das heißt ohne die anderen Konsortialbanken durchzuführen«. Auch diese Vorwürfe werden von Metallgesellschaft und Deutscher Bank zurückgewiesen. Eine Kreditlinie von 1,5 Milliarden Mark habe »nicht zur Verfügung« gestanden, schreibt der Frankfurter Konzern in einer Stellungnahme. Überhaupt enthalte die Klageerwiderung lauter Anschuldigungen, die »sämtlich nachweisbar unzutreffend« seien.

Ob die Schimmelbusch-Vorwürfe vielleicht doch noch vor einem Gericht geklärt werden, oder ob das brisante Papier für immer in der Schublade der beiden Streitparteien verschwindet, sollen in dieser Woche die Aktionäre des Konzerns auf der Hauptversammlung in Frankfurt entscheiden.

Der Kurs des Vorstands ist klar: Neukirchen will weiteren Schaden von der Metallgesellschaft abwenden. Negative Schlagzeilen, versucht der Sanierer den Aktionären klarzumachen, schadeten nur dem Unternehmen.

Doch schon regt sich Widerstand gegen den Deal. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre will den Vergleich nicht mittragen. Einem der größten Wirtschaftsskandale der Nachkriegsgeschichte, sagen die Kleinaktionäre, würde damit endgültig »die Krone aufgesetzt«.

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