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WERBUNG Grünende Hügel

Deutschlands Industrie wirbt mit Umweltschutz. Der Ansehensverfall zwingt zum Handeln. *
aus DER SPIEGEL 9/1985

Die Annoncentexte lesen sich, als hätten die Grünen die Vorstandsetagen der deutschen Industrie besetzt.

»Umweltschutz im Aufwind« verkündet das Esslinger Stromversorgungsunternehmen Neckarwerke großlettrig in Zeitungsinseraten. Der Stuttgarter Autobauer Daimler-Benz verspricht in der Schlagzeile ein »offenes Wort zur Verbesserung der Atmosphäre«. Und der Mannheimer Elektrokonzern BBC warnt in seiner Werbung düster: »Wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie gestern.«

Kraftwerkbetreiber als Umweltschützer, Automobilkonzerne als Luftreiniger, Elektrogerätehersteller als Mahner vor Raubbau an der Natur?

Mit Sprüchen wie aus dem Forderungskatalog der Alternativen versuchen Unternehmen, ihr Bild in der Öffentlichkeit aufzuhellen. Teure Anzeigenkampagnen mit starken Worten und bunten Bildern sollen dabei helfen.

Die deutschen Energieversorger etwa haben sich zur Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft (IZE) formiert. Die soll den Bundesdeutschen via Werbung erklären, daß die Stromfabrikanten nun wirklich alles unternehmen, Luft und Wasser reinzuhalten. »Umweltschutz - wir handeln« steht fettgedruckt

in Zeitungsanzeigen der IZE. Das beigestellte Photomotiv zeigt ein blitzsauberes Kraftwerk inmitten üppiger Natur: keine Gefahr für die bedrohte Umwelt. »Entstaubt werden die Rauchgase der Kraftwerke schon seit Jahrzehnten; Lärm- und Gewässerschutzeinrichtungen gehören zum Standard«, heißt es im Text.

Mit einer Aktion »Grüner Groschen« wendet sich die Hamburger Kosmetikfirma Dralle ("Birkin") an die Kundschaft. Sechs Monate lang, wird versprochen, würden von jedem verkauften Haarpflegemittel »zehn Pfennig an die Stiftung 'Wald in Not'« abgeführt.

Vereint melden sich auch die deutschen Zementhersteller zu Wort. Das ständige Gerede vom Zubetonieren der Landschaft scheint den Zementfabrikanten eine Gegenkampagne wert. »Beton - Es kommt drauf an, was man draus macht«, heißt es nun. Dazu wird eine Autobahn abgebildet, die sich durch eine grüne Berglandschaft Richtung Süden schlängelt. Ein dürrer Text erklärt warum: »Ohne Schnellverbindung aus Beton wäre bestimmt mehr Urlaub auf der Strecke geblieben.«

Gründe gibt es genug für die teuren Feldzüge. Zwei von drei Deutschen, so ergaben Meinungsumfragen von Unternehmen, äußern sich negativ über die Industrie. Der Aufstieg der Grünen dagegen wird begrüßt.

»Die Industrie ist in der Umweltdiskussion hoffnungslos in die Defensive geraten«, urteilt der Düsseldorfer Sozialpsychologe und Kommunikationsforscher Hans Christian Röglin. Zu lange hätten die Manager in den Chefetagen über Probleme geschwiegen und Skandale verharmlost. Es sei höchste Zeit, fordert Röglin, durch »offene und vor allem ehrliche Aufklärung verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen«.

Doch die Reklamefirmen tun sich schwer, die delikaten Umweltthemen zum Vorteil ihrer Kundschaft zu vermarkten. Der Frankfurter Werbeberater Bernhard Floßdorf: »Wie sollen denn auch Leute, deren Kreativität bislang für Waschmittel und Kosmetika eingesetzt wurde, plötzlich den Wert gesellschaftlicher Belange erkennen und sie dann auch noch umsetzen?«

Geld jedenfalls spielt keine Rolle, wenn der gute Ruf auf dem Spiel steht. Mehr als zehn Millionen Mark hat die Ruhrgas AG für ein umweltfreundlicheres Image bereitgestellt. Sie wirbt mit doppelseitigen, vierfarbigen Inseraten, in denen Deutschland von seiner schönsten Seite gezeigt wird. Bunte Bilder mit wogendem Weizen oder grünenden Hügeln, idyllischen Kirchen oder prächtigen Schlössern und vor allem viel strahlendblauem Himmel. Erdgas, so die simple Werbebotschaft, sei eben »eine saubere Sache«.

Herbe Kritik an dieser Form der Selbstdarstellung übt Kommunikationsprofessor Röglin. »Alles wird in den

schönsten Farben geschildert«, rügt Röglin, »nirgends in der Unternehmenswerbung aber liest man etwas davon, daß es stinkt, knallt, dreckt und warum das so ist.«

Bereits sechs Jahre wirbt die chemische Industrie auf diese Weise gemeinsam, teuer und nichtssagend. In der Publikumspresse erscheinen regelmäßig Anzeigenserien, die der Chemie neue Sympathie bringen sollen. Sie zeigen lachende Kinder, zufriedene Mütter, glückliche Familien. Slogan der Langzeitkampagne: »Chemie. Auf ihrer Seite.«

Chemie schadet nicht. Das wollen die Werber vermitteln, Chemie schützt - nämlich Pflanzen, Tiere, Menschen; das Leben schlechthin. Für die wachsende Angst vor Dioxin, vor Formaldehyd und vor anderen hochgiftigen Stoffen ist in solchen Werbeträumen kein Platz.

Das soll sich ändern. Die Branche hat erkannt, daß die selbstgerechte Art der Eigenwerbung nicht mehr reicht. Karl Strohmann, beim Chemiekonzern Hoechst für die Unternehmenswerbung zuständig: »Wir müssen kritische Bürger ansprechen, die mit Schlagworten nicht zu erreichen sind oder gar negativ darauf reagieren.«

Die Schlagworte in der Hoechst-Werbung sind denn auch schon vorsichtiger geworden. »Man liebt uns, man liebt uns nicht«, gesteht das Unternehmen in einem Inserat und gibt wenigstens zu, daß es »ein wachsendes Unbehagen an der chemischen Industrie« gibt.

Der Werbebranche kommt dieses Unbehagen durchaus gelegen. Allein 1984 hat die Industrie rund 500 Millionen Mark in Image-Kampagnen investiert, ein Großteil hatte die Umwelt zum Thema. Dazu gehörte auch die Autoindustrie. Als hätten sie sich nie gegen die schnelle Einführung des Kraftstoffentgifters gestemmt, übertreffen sich die Fahrzeugproduzenten mit Umweltargumenten.

»Hand in Hand für eine bessere Umwelt«, meldet der Volkswagen-Konzern für Audi und VW in gemeinsamen Anzeigen.

»Opels technische Arbeit für ein umweltfreundliches Auto war schon in den letzten Jahren erfolgreich«, kontert die Konkurrenz aus Rüsselsheim in doppelseitigen Zeitungsinseraten.

Vergangene Woche startete die deutsche Autoindustrie eine sechs Millionen Mark teure Gemeinschaftswerbung. Motto der Kampagne: »Mehr für Mensch und Umwelt.«

Ob das jetzt noch viel nützt, scheint einem Experten wie Alexander Demuth, bei der Frankfurter Großagentur J. Walter Thompson für Unternehmenswerbung zuständig, zweifelhaft. »Die Autoproduzenten hätten eine große Chance gehabt«, so Demuth, »sich beim Verbraucher einen Vertrauensvorsprung in Sachen industrieller Umweltverantwortung zu sichern.«

Doch statt beim Katalysator selbst die Initiative zu übernehmen, habe sich die Autoindustrie ihr Handeln von anderen aufzwingen lassen. Deshalb würden die vielen Anzeigen jetzt »bestenfalls dem Umsatz einzelner, nicht aber einem besseren Image aller dienen«.

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