JAPANISCHE AUTOS Grund zum Harakiri
»Die Japaner«, so orakelte kürzlich Ford-Präsident Lee Iacocca in Detroit, »werden uns mit Haut und Haaren fressen«. Einen beträchtlichen Happen des US-Automobilmarktes haben sie sich schon weggeschnappt.
Allein im vergangenen Jahr verschifften Japans Autobauer 500 000 Personenautos. Lastwagen und Busse nach Amerika. Insgesamt exportierten die Japaner 1970 über eine Million Kraftfabrzeuge.
Seit 1966 stieg allein die Zahl der jährlich auf dein amerikanischen Markt abgesetzten Personenwagen aus Japan von kläglichen 16 000 auf nahezu 300 000. Ergebnis. Heute stammt jeder vierte Importwagen in den USA aus japanischen Fabriken.
Der Anteil des Wolfsburger Volkswagenwerkes am US-Importwagen-Markt schrumpfte durch die Auto-Invasion aus Fernost von 64 auf bedrohliche 46 Prozent. In Kalifornien drückten Toyota und Nissan, Japans führende Automobilhersteller, VW sogar auf 37 Prozent Marktanteil herunter.
Schon längst haben Japans Branchenführer Westdeutschlands General-Motors-Ableger Opel in den USA auf den vierten Platz zurückgedrängt. Nun rüsten sie sich, den Wolfsburger Riesen auf seinem größten Einzelmarkt (VW-Exporte in die USA 1970: 569 692 -- 57 941 mehr, als Wolfsburg in Westdeutschland verkaufte) zu schlagen.
Bis Ende dieses Jahres, so rechnen Auto-Industrielle, werden 630 000 Amerikaner ein neues Japan-Auto erwerben. Und für 1974 hofft Toyota-Verkaufschef Shotaro Kamiya mit einer halben Million Toyota-Käufer in den USA. Bereits in diesem Jahr sollen bei Toyota zwei Millionen Personen- und Lastkraftwagen des Jahrgangs 1971 die Fließbänder verlassen. Erreichen die Produktionsmanager ihr selbstgesetztes Soll, rückt Japans Autokonzern Nummer eins noch vor VW an die dritte Stelle der Weitrangliste -- unmittelbar hinter General Motors und Ford.
Der Erfolg der japanischen Autoindustrie schreckt eine Branche, die allzulange allzu selbstherrlich auf die fernöstlichen Fahrzeuge geblickt hatte.
»Als Ende der fünfziger Jahre die ersten Japan-Importe in kalifornischen Häfen entladen wurden«, erinnert sich heute Toyota-Manager Shoji Hattori, »glaubten einige Leute doch tatsächlich, die Dinger seien aus weggeworfenen Bierdosen gemacht.«
Auch als Japans Motorrad- und Automobilfabrikant Honda vor drei Jahren in der Bundesrepublik eine Exportoffensive versuchte, kamen die Autobastler aus dem Fernen Osten schlecht an. »Es rauscht und poltert und rappelt, als sei die Hölle los«, schrieb etwa der deutsche Autotester Reinhard Seiffert nach einer Testfahrt mit dem Kleinwagen Honda N 360.
Heute indes haben die meisten japanischen Exportautos ihre Kinderkrankheiten überwunden. Erst vergangenen Monat belegten drei Nissan-Sportwagen des Typs Datsun 240 Z den ersten, zweiten und siebten Platz in der 6179 Kilometer langen Ostafrika-Rallye, einem der schwersten Straßentests der Welt. Für den »Z«, wie Amerikaner den heißen Ofen aus Tokio liebevoll nennen, akzeptieren US-Käufer inzwischen sogar Lieferfristen bis zu acht Monaten.
Auto-Ingenieure in Detroit, die noch vor wenigen Jahren die Japan-Autos mit Spott (ein US-Manager: »Kein Grund zum Harakiri") überschüttet hatten, urteilen heute, die neuesten Modelle aus Fernost seien besser als die europäischen Importe. Und selbst General-Motors-Chef James M. Roche stöhnte, die Autos made in Japan seien »schreckliche Konkurrenten«.
»Die Corona«, so pries etwa auch das amerikanische Wirtschaftsmagazin »Business Week« die Vorzüge des Toyota-Bestsellers in den USA, »ist eine geräumige Limousine«, die dem Volkswagen schwer zu schaffen machen wird. In der Tat: Bei einem Preis von 2126 Dollar ist die Corona nur unwesentlich teurer als der US-Käfer (Preis: 1899 Dollar), hat dafür aber vier Türen. Doppelscheinwerfer, einen 80-PS-Motor (gegenüber 50 PS beim VW) und erreicht 160 Stundenkilometer Spitze (VW: 130 Stundenkilometer).
Neben Toyota, Nissan und Honda bewerben sich die Firmen Mitsubishi (Marke »Colt"), Toyo Kogyo (Marke »Mazda") und Fuji Heavy Industries (Marke »Subaru") um die Gunst der Autokäufer. Außer den USA setzen die Absatzstrategen in Japan vor allem auf die Märkte Südostasiens.
In Malaysia und Singapur beherrschen die Japaner inzwischen 36 Prozent des Automarktes, in Hongkong 30 Prozent und in Indonesien sogar SO Prozent. Darüber hinaus liefern sie Autos und Einzelteile an die Philippinen, Südkorea und Taiwan. In Australien sind 350 000 der insgesamt fünf Millionen zugelassenen Autos (sieben Prozent) japanischer Provenienz. Und in Südamerika sprechen Autoverkäufer aus Detroit von einer »explosiven Expansion Japans«.
Weniger erfolgreich waren die Japaner dagegen auf den westeuropäischen Märkten, die sie -- vorwiegend aus Furcht vor der starken Automobilindustrie Westdeutschlands, Frankreichs und Italiens -- bislang weitgehend ausgespart haben. Immerhin eroberten sie sich in Ländern ohne nennenswerte eigene Produktion -- wie Belgien, Holland, Finnland und der Schweiz, die unter Branchenkennern als Testmärkte für zukünftige Trends gelten fast unbemerkt beachtliche Marktanteile von 2,6 bis 5,1 Prozent.
»Die Japaner«, so grollte Europas bislang mächtigster Autoboß Kurt Lotz in Wolfsburg, »muß man als die ernsthaftesten Konkurrenten auf lange Sicht bezeichnen.«
* Im Hafen von San Francisco.