Grundsteuerreform Was auf Mieter und Vermieter jetzt zukommt

Die neue Grundsteuer ist beschlossen. Sie wird wohl auch künftig in München höher liegen als in Hintertupfing. Und Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat im Geschacher mit den Landesregierungen verloren.
Pestalozzistraße in München (Archiv)

Pestalozzistraße in München (Archiv)

Foto: Sven Hoppe/ picture alliance / dpa

Der Kompromiss zur Reform der Grundsteuer, auf den sich Union und SPD am Wochenende einigten, gehorcht einem ehernen Prinzip großkoalitionären Politikschaffens: Sie bewegen sich doch, wenn auch nur unter Druck.

Nach monatelanger Hängepartie und sinkenden Umfragewerten wollte und musste die Regierung ein Zeichen von Handlungsstärke setzen. Zudem drohten im Fall einer ausbleibenden Einigung Steuerausfälle von 14 Milliarden Euro bei den Kommunen, weil die Steuer vom nächsten Jahr an nicht mehr hätte erhoben werden dürfen. Das galt es unbedingt zu vermeiden.

Als Sieger aus dem monatelangen Geschacher geht die bayerische Landesregierung hervor, der Verlierer ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Lange kämpfte er für eine bundeseinheitliche Regelung, am Ende vergeblich.

Notwendig wurde die Reform, weil das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr die Ermittlung der Einheitswerte für Gebäude und Grundstücke, auf deren Grundlage die Steuer bislang ermittelt wird, verwarf. Im Westen galten Ansätze aus den Sechzigerjahren, im Osten sogar aus den Dreißigerjahren. Sie mussten aktualisiert werden.

Scholz fand sich in einer unangenehmen Situation wieder. Obwohl ihm nichts aus dem Aufkommen der Steuer zusteht, ist er als Bundesfinanzminister für deren Reform zuständig. Das Ergebnis trifft alle, nicht nur Wohneigentümer, denn die geben diese Kosten auch früher oder später an die Mieter weiter. Scholz musste also politisches Kapital investieren, wohl wissend, dass er vom Ergebnis nicht profitieren würde. Gelohnt hat es sich für ihn nicht.

Das lag daran, dass Scholz die Gelegenheit nutzen wollte, um ein Exempel praktizierter sozialdemokratischer Steuergerechtigkeit zu statuieren. Er legte ein komplexes Modell vor, in das als Berechnungsgrößen für den Wert einer Immobilie neben der Fläche auch andere Komponenten einfließen sollten, zum Beispiel die Nettokaltmiete. So wollte er erreichen, dass eine 120-Quadratmeterwohnung in München stärker belastet wird als eine gleich große in Rumpel an der Knatter.

Vor allem die Bayern widersetzten sich. Zu kompliziert sei das Modell aus Berlin, befanden sie, und plädierten für das Recht der Länder auf einen Alleingang. Die Grundsteuer soll sich nach ihren Vorstellungen nur nach der Fläche der Immobilie richten. Das sei sozial ungerecht und führe zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen, wetterte Scholz.

Trotzdem gab er schließlich nach: Das Ergebnis sind Öffnungsklauseln, sie haben die Einigung erst möglich gemacht. Damit kann jedes Bundesland seinen Kommunen unterschiedliche Parameter zur Steuerermittlung vorgeben. Das wirkt sich nicht zuletzt auf den bürokratischen Aufwand aus, wenn die neuen Steuersätze festgelegt werden - bislang ein wichtiger Streitpunkt.

Ist die nun gefundene Regelung ungerechter als der Status quo? Die Antwort lautet eindeutig nein. Den von Scholz als Schreckensvision beschriebenen Flickenteppich gibt es seit Jahrzehnten. Weil jede Gemeinde den Steuerhebesatz autonom festlegen kann, werden auch heute schon vergleichbare Immobilien höchst unterschiedlich bewertet, ihre Besitzer ebenso unterschiedlich zur Kasse gebeten. Daran wird sich auch künftig nichts ändern.

Auch stimmt nicht, dass der Bewohner einer Münchner Villa künftig nur genauso viel Grundsteuer entrichten muss wie der Inhaber einer gleich großen Bauernkate in Eitershofen. Entscheidend bleibt auch hier der Hebesatz der Gemeinde, und der dürfte in der Landeshauptstadt um einiges höher ausfallen als in dem Weiler in Bayerisch-Schwaben. Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich eher innerhalb der Gemeinden, wenn also eine Wohnung im Münchner Szeneviertel Schwabing genau so viel wert sein soll wie eine vergleichbare im sozialen Brennpunkt Hasenbergl. Aber damit muss die bayerische Politik zurechtkommen.

Generell und bundesweit gilt auch künftig bei der Grundsteuer: Zuweilen wird Gleiches ungleich und Ungleiches gleich behandelt, manchmal sogar Gleiches gleich - je nachdem, wo man wohnt. Um wie viel es für Eigenheimbesitzer und Mieter künftig teurer wird, wenn überhaupt, hängt entscheidend davon ab, wie die Gemeinden auf die neuen Einheitswerte reagieren.

Beim Streit um die Grundsteuer und dem jetzigen Kompromiss geht es nicht um Fragen der Gerechtigkeit, sondern um die Art und Weise ihrer Erhebung. Gut möglich, dass nach einiger Zeit auch andere Länder auf den bayerischen Weg einschwenken, weil er sich als der unbürokratischere erweist.

Ein Wettrennen um die günstigste Besteuerung müssen Kämmerer und Landesfinanzminister nicht fürchten. Der Grund ist trivial: Eine Immobilie, der Name verrät es, lässt sich nicht einfach in ein Steuerparadies verlagern.

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