Güterverkehr Die Bahn kommt - ab Donnerstag nicht mehr
Frankfurt am Main Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Manfred Schell, ist offensichtlich bemüht, nicht schon jetzt die Wut der Reisenden auf sich zu ziehen. Ab Donnerstag wollen die Lokführer loslegen mit dem Streik 95,8 Prozent hatten zuvor in einer Urabstimmung für den Ausstand gestimmt. Zunächst solle nur der Güterverkehr bestreikt werden, sagte Schell. "Wir wollen verhindern, die Kundschaft zu verärgern." Doch auch das kann beim Personenlverkehr zu erheblichen Behinderungen führen. Und sollte die Bahn nicht bald ein verhandlungswürdiges Angebot vorlegen, wird bald auch der Personenverkehr direkt bestreikt.
Gegenüber der Wirtschaft will die Gewerkschaft Härte zeigen. Während sie die Reisenden im Fall der Fälle 24 Stunden vorher informieren will, wo und wann es zu Störungen kommen wird, sollen die Güterzüge "spontan bestreikt" werden.
Theoretisch könnte der Ausstand noch verhindert werden - bis morgen Abend hat die GDL der Bahn Zeit gegeben, ein Angebot für neue Verhandlungen vorzulegen. Doch dass das noch kommt, ist praktisch ausgeschlossen. Denn auch das Bahn-Management zeigt sich stur. "Es wird kein neues Angebot geben", sagte Personalvorstand Margret Suckale in Berlin. "Wir sind auf einen Streik vorbereitet", erklärte Bahnvorstand Karl-Friedrich Rausch. Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte schon während der Urabstimmung eine harte Liniefür den Arbeitskampf angekündigt. Weil die Fronten derart verhärtet sind, scheint ein Ende des Arbeitskampfes auch in weiter Ferne zu liegen.
Bei Unternehmen, die von der Bahn abhängig sind, ist deshalb die Sorge vor den Auswirkungen des Arbeitskampfes groß. Ein Sprecher des zweitgrößten deutschen Stahlkochers Salzgitter sagte: "Für die Stahlindustrie ist das Verkehrsaufkommen, das wir mit der Bahn haben, gewaltig." Ein Streik hätte "bedeutende Auswirkungen". Die Salzgitter AG appelliere an die Deutsche Bahn AG, die vereinbarte Leistung zu erbringen, zu der sie per Vertrag verpflichtet sei. Auch Volkswagen würde ein Arbeitskampf hart treffen. "Wir nehmen den Streik mehr als ernst", sagte ein Sprecher des Autobauers in Wolfsburg. Zu möglichen Schadenersatzforderungen an die Bahn wollten sich die Unternehmenssprecher nicht äußern. Wirtschaftsverbände und Verbraucherschützer hatten die Streikpläne schon im Vorfeld scharf kritisiert und vor negativen Konsequenzen für die Konjunktur und Millionen Fahrgäste gewarnt.
Die Bahn will den Betrieb zwar so gut es geht aufrechterhalten und setzt auf die Beamten im Konzern. "Wir planen aus heutiger Sicht die komplette Bedienung aller ICE-Linien bundesweit, einzelner IC-Linien und wollen mindestens die Hälfte des Nahverkehrsangebotes aufrechterhalten", erklärte Bahnvorstand Rausch. Dass die Bahn mit den Staatsdienern die Auswirkungen des Streiks auffangen kann, halten Gewerkschafter jedoch für unrealistisch. Nach Bahnangaben sind 40 Prozent der insgesamt 19.600 Lokführer Beamte. Die müssten jedoch die Strecken und Baureihen der Loks kennen, sagte Schell. Ein Güterzugführer könne nicht ohne weiteres auf einem ICE eingesetzt werden.
Die Lokführer, Zugbegleiter und Gastronomiebeschäftigten kämpfen für einen eigenen Tarifvertrag und 31 Prozent mehr Gehalt. "1500 Euro netto im Monat, das ist kein Geld", sagte Schell über die Lokführergehälter. "Hier muss spürbar nachgebessert werden." Dabei ließe sich über die Lohn- und Arbeitszeitforderungen für die rund 19.000 Mitglieder der GDL diskutieren, räumte Schell ein. Die Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag sei jedoch "nicht verhandelbar". Die Bahn lehnt einen separaten Tarifvertrag für die Lokführer und Zugbegleiter strikt ab. Mit den anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA hatte die Bahn Löhnerhöhungen von 4,5 Prozent ab kommendem Jahr sowie eine Einmalzahlung von 600 Euro ausgehandelt.
Die jetzt beschlossenen Streiks könnten durch gerichtliche Entscheidungen noch blockiert werden. Die Bahn hat vor diversen Gerichten bundesweit Verfahren gegen die angekündigten Arbeitskämpfe angestrengt. In Sachsen hat das Arbeitsgericht in Chemnitz Streiks bei Kleinbahnen heute bereits untersagt, die zu einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn gehören. Es gab dem entsprechenden Antrag der DB RegioNetz Verkehrs GmbH auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung statt. Als Begründung führte das Gericht den Grundsatz der Tarifeinheit an. Von dem Beschluss betroffen sind fünf Nebenbahnen in Deutschland, unter anderem die Erzgebirgsbahn in Sachsen. Vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main einigten sich die Parteien heute, Auto- und Nachtzüge nicht zu bestreiken.
Nach Bahnangaben fahren pro Tag rund 33.000 Züge durch Deutschland, darunter 28.000 Personenzüge. Fünf Millionen Menschen sind täglich mit der Bahn unterwegs, davon rund 4,7 Millionen Menschen im Nahverkehr, der Rest in IC und ICE. Dazu kommen demnach internationale Züge mit rund 35.000 Fernreisenden.
ase/dpa/dpa-AFX/Reuters/AP/AFP