Güterverkehr lahmgelegt Bahn spricht vom schlimmsten Streik in ihrer Geschichte
Hamburg - Zunächst hatte die Bahn die Streikfolgen im Güterverkehr noch heruntergespielt und von "lediglich 900 streikenden Lokführern und 700 liegengebliebenen Zügen" gesprochen. Das Unternehmen räumte jetzt ein, dass der Güterverkehr in Ostdeutschland "fast vollständig zum Erliegen" kam und zwei Drittel aller Züge im Westen ausfielen. Bahn-Logistikvorstand Norbert Bensel sprach vom "schwersten Streik im Schienengüterverkehr, den wir in Deutschland je hatten". Es sei "ungeheuerlich, dass 1000 Lokführer den Standort Deutschland so behindern".
"Rund 1000 Lokführer stoppen in diesen Stunden die Transportabläufe eines ganzen Landes auf der Schiene", heißt es in einer Pressemitteilung des Konzerns. Das sei "ein unerträglicher Zustand", und die Gewerkschaft wolle weiter streiken, sagte Bensel.
Die GDL teilte dagegen mit, es seien 1800 Lokführer im Ausstand, rund 1000 Züge würden stillstehen. "Je länger der Streik dauert, umso mehr Züge kommen hinzu", sagte GDL-Chef Manfred Schell.
Nach Angaben der Bahn ist mittlerweile auch der "Zulauf von internationalen Verkehren extrem eingeschränkt". Mehrere hundert Züge warteten im Ausland darauf, nach Deutschland einfahren zu können. Transporte Richtung Osten könnten kaum noch durchgeführt werden. "Bereits heute ist angesichts der empfindlichen Störungen im System klar, dass die Auswirkungen des Streiks noch für Wochen spürbar bleiben. Es wird sehr lange dauern, bis wir wieder normal fahren können. Der volkswirtschaftliche Schaden ist immens und er wirkt sich zunehmend auch auf die Nachbarländer aus", sagte Bensel laut Mitteilung. Rund 60 Prozent der Güterzüge der Bahn-Frachttochter Railion fahren über Ländergrenzen.
Bensel betonte, dass es gelungen sei, in wichtigen Fällen, wie zum Beispiel zur Versorgung von Kraftwerken, Züge fahren zu lassen. Hier musste teilweise Güterzügen Vorrang vor Personenzügen gegeben werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, hieß es.
Die Bahn deutete im Tarifstreit mit der Lokführergewerkschaft GDL Verhandlungsspielraum in ihrem Angebot von Mitte Oktober an. Die GDL fordert einen eigenständigen Tarifvertrag mit besseren Arbeitszeiten und bis zu 31 Prozent mehr Einkommen, die Bahn lehnt das ab. Bahn-Personalvorstand Margret Suckale sagte heute in Berlin: "Wir haben viel Fantasie, was man tun könnte." Sie forderte die GDL erneut auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, lehnte aber ein neues Tarifangebot ab.
Konkret deutete Suckale eine höhere Bezahlung der in dem jüngsten Angebot enthaltenen Überstunden an. "Man kann selbstverständlich diese Mehrarbeit auch anders vergüten, besser vergüten", sagte sie. "All diese Ideen, die wir haben, um unser Paket noch attraktiver zu machen, können wir nicht mit der GDL besprechen, weil sie sich jeder Verhandlung widersetzt", beklagte sie.
Nach ihren Worten wäre es gut, wenn sich Bahn und GDL noch einmal über die Interpretation des Vermittlungsergebnisses von Ende August unterhalten würden. Beide Seiten sind sich uneinig darüber, wie der von der GDL geforderte eigenständige Tarifvertrag in Einklang gebracht werden kann mit der Vereinbarung, die bereits mit den anderen Gewerkschaften Transnet und GDBA geschlossen wurde.
Bislang bietet die Bahn 4,5 Prozent sowie eine Einmalzahlung von 600 Euro, wie bereits mit Transnet und GDBA vereinbart. Darüber hinaus hatte sie der GDL angeboten, 5,5 Prozent für zwei zusätzliche Wochenstunden zu zahlen sowie 1400 Euro für bereits geleistete Überstunden auszuzahlen. Dies hatte die GDL abgelehnt.
kaz/ddp/AP/dpa