Güterverkehr-Streik Lokführer lähmen Bahn Glos verlangt Einigung
Hamburg/Berlin/Trier Dem Minister reicht's: Bei einem Auftritt in Trier hat Michael Glos (CSU) die Bahn und die Gewerkschaft GDL zu Bewegung aufgefordert. Die Kontrahenten dürften "hier nicht auf Kosten Dritter Mikado spielen: Wer sich als erster bewegt, hat verloren", sagte er. "Ich appelliere, dass man endlich aufeinander zugeht und, wie das unter vernünftigen Leuten üblich ist, zu einer Einigung kommt."

Leere Gleise am Fährhafen Sassnitz-Mukran: Normalisierung des Verkehrs dauert bis Mittwoch
Foto: DDPDie GDL aber kostet erst einmal ihre Macht aus: In den neuen Ländern, wo sie besonders viele Mitglieder hat, kam der Gütertransport auf der Schiene am zweiten Streiktag fast völlig zum Erliegen. Laut GDL fielen mehr als 1000 Züge aus. Nach Bahn-Angaben fuhren in mehreren ostdeutschen Bundesländern gerade mal fünf Prozent der Güterzüge.
Auch im Westen waren zuletzt laut Bahn zwei Drittel der Güterzüge betroffen. Im Hamburger Hafen verkehrten 25 bis 30 Prozent der Güterzüge gar nicht oder deutlich verspätet, sagte Christiane Kuhrt, die Sprecherin der Hafenbehörde Hamburg Port Authority. Im größten Rangierbahnhof Europas in Maschen bei Hamburg fielen laut GDL seit Streikbeginn mehr als 75 Züge aus.
Bahn-Logistikvorstand Norbert Bensel sprach vom "schwersten Streik im Schienengüterverkehr, den wir in Deutschland je hatten". Es sei "ungeheuerlich, dass 1000 Lokführer den Standort Deutschland so behindern."
Schwer beeinträchtigt war nach Bahn-Angaben auch der internationale Güterverkehr. Vor allem Transporte Richtung Osten seien kaum noch möglich. "Mehrere hundert Züge im Ausland warten darauf, nach Deutschland einfahren zu können", sagte Bensel. Wichtige Züge zum Beispiel für die Belieferung von Kraftwerken seien aber gefahren.
Die Leitstellen der Bahntochter Railion wollen um Mitternacht damit beginnen, den Güterverkehr für die Zeit nach dem Streikende zu planen. Man rechnet aber damit, dass der Betrieb erst bis Mitte der kommenden Woche wieder normalisiert werden könne, sagte ein Unternehmenssprecher. Bis dahin würden die Auswirkungen im Güterverkehr zu spüren sein. Störungen im Personenverkehr seien nicht zu erwarten, der Güterverkehr werde ausschließlich freie Kapazitäten im Schienennetz nutzen.
Der Deutsche Speditions- und Logistikverband kritisierte den Streik scharf. "Das könnte die deutsche Wirtschaft bis ins Mark treffen", sagte Verbandspräsident Michael Kubenz in Köln. Güter könnten nicht einfach auf die Straße verlagert werden, weil es zu wenig Fahrer gebe.
Viele Großunternehmen hatten sich indes zumindest auf den kurzen Streik gut vorbereiten können und berichteten von geringen Auswirkungen. Bei den Autobauern Porsche, BMW, Audi und Volkswagen führte der Streik offenbar kaum zu Störungen. Die Hersteller berichteten von einzelnen Verspätungen, die Produktion sei bislang aber nicht gefährdet.
Beim Stahlhersteller ThyssenKrupp gab es nach Unternehmensangaben keine nennenswerten Ausfälle. Auch die Kraftwerke von RWE kamen glimpflich davon, wie ein Sprecher sagte. Die Kraftwerke würden vorübergehend über alternative Lieferwege versorgt.
Einige Automobilzulieferer in Sachsen-Anhalt berichteten hingegen von einer angespannten Lage, da Teile zeitnah angeliefert werden.
Die aktuelle Runde im Arbeitskampf hatte am Donnerstagmorgen begonnen und soll 42 Stunden dauern - bis Samstagfrüh um sechs Uhr. Laut GDL ist es nahezu ausgeschlossen, dass auch zum Beginn der neuen Woche gestreikt wird.
Die von Glos eingeforderte Kompromissbereitschaft ließ aber keine der beiden Konfliktparteien erkennen. So drohte die GDL mit einer weiteren Ausweitung des Arbeitskampfes. "Wir werden am Montag oder Dienstag entscheiden, wann es mit Streiks im Güter- oder Personenverkehr weitergeht", sagte GDL-Sprecher Maik Brandenburger. Am Montag werde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gestreikt.
Die Bahn legte auch am Freitag kein neues Tarifangebot vor. Sie appellierte nochmals an die GDL, Verhandlungen aufzunehmen. Bahn-Personalvorstand Margret Suckale betonte, es wäre gut, wenn sich Bahn und GDL noch einmal über die Interpretation des Vermittlungsergebnisses von Ende August unterhalten würden.
Beide Seiten sind sich uneinig darüber, wie der von der GDL geforderte eigenständige Tarifvertrag mit der Vereinbarung in Einklang gebracht werden kann, die bereits mit den anderen Gewerkschaften Transnet und GDBA geschlossen wurde. Die Lokführergewerkschaft GDL ist ohne ein neues Angebot der Bahn nicht zu Verhandlungen bereit.
itz/AP/dpa/dpa-AFX