SCHOKOLADE Hartes Brot
Sehr wortkarg bat Peter Ludwig, Mehrheitsaktionär der Leonard Monheim AG, zur außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am vergangenen Donnerstag. Es werde, teilte er lakonisch mit, »berichtet über den Stand der Verhandlungen«.
Als sich die Aufsichtsräte in der Aachener Firmenzentrale einfanden, waren die Verhandlungen schon abgeschlossen. Mit dem Ergebnis waren die Anteilseigner der größten deutschen Schokoladenfabrik (1,9 Milliarden Mark Umsatz, 5500 Beschäftigte) zufrieden: Sie sehen endlich Geld.
Denn nach langwierigen Verhandlungen hat sich ein Käufer für das angeschlagene Unternehmen gefunden. Konkurrent Suchard, eine Tochtergesellschaft der einst bremischen und jetzt schweizerischen Jacobs-Gruppe, zahlt 150 Millionen Mark. Dazu übernimmt Jacobs die Monheim-Verbindlichkeiten von rund 450 Millionen Mark.
Neuerdings gehen öfter größere Millionenbeträge in Aachen ein. Bereits im vergangenen Monat hatte Ludwig für über 100 Millionen Mark einen Teil seines Schokoladen-Imperiums abgestoßen: Die Lizenz für Produktion und Vertrieb der Edelmarke »Lindt« ging an den schweizerischen Lizenzgeber Lindt & Sprüngli zurück, dazu die Fabrikationsanlagen in Aachen-Süsterfeld.
Mit der Viertelmilliarde Bargeld aus der Schweiz sind die Monheim-Eigentümer einen unerquicklichen Besitz los. Die 23 Aktionäre des Familienunternehmens (Hauptmarke: »Trumpf") wurden in den letzten Jahren karg bedient.
Über »Einkommenseinbußen« klagte selbst der wohlhabende Großaktionär Ludwig, der zusammen mit Frau Irene geborene Monheim, 53 Prozent der Anteile besaß. Peter Ludwig, der als Europas bedeutendster Kunstsammler gilt, mußte vor drei Jahren gar ein schweres persönliches Opfer bringen: Er verkaufte aus seinem Privatbesitz mittelalterliche Handschriften für 50 Millionen Mark und steckte das Geld in die Firma.
Doch auch damit war das Ende nicht aufzuhalten. Schon kurz darauf deutete Ludwig in der Schoko-Branche an, daß er über Verkäufe und Kooperationen mit sich reden lassen werde.
Doch erst in diesem Sommer fand er einen Käufer: Die Jacobs-Tochter Suchard (Hauptmarke: »Milka") übernimmt die Monheim-Fabrik in Berlin Monheim-Firmen in Belgien, Kanada und USA sowie das Geschäft mit Kakao (Marke »van Houten") und Kakaobutter. Klaus J. Jacobs über den Erwerb der Monheim AG: »Ein solch großes Unternehmen kann im Todeskampf im Markt einen solchen Unfug anrichten, daß es besser ist, es zu kaufen.«
Übrig bleibt eine Rumpf-Firma mit nur noch 1200 Beschäftigten, die weiterhin Schoko-Artikel der Marken »Trumpf«, »Mauxion« oder »Novesia« herstellt. In seiner neu gegründeten »Ludwig Schokoladen GmbH« in Aachen ist Peter Ludwig Alleinherrscher. Sein unternehmerisches Lebensziel aber hat der Kunstsammler verfehlt: »Ludwig«, sagt ein Branchenkenner, »wollte immer der Größte sein.«
Nicht der Vorstandssprecher Peter Witt, ein familienfremder Finanzfachmann, sondern der Aufsichtsratsvorsitzende Peter Ludwig führte das Unternehmen. Innerhalb von zehn Jahren verschliß er fünf Verkaufschefs. Dem Chef, der glaubte, die Masse müsse es bringen, verkauften die Manager nicht fix genug.
Ludwig selbst erwirtschaftete tüchtig Umsatz - bei den Erträgen war er nicht ganz so erfolgreich. »Mit dem Wachstum gingen die Gewinne zurück«, beschwerte sich Familienmitglied Max Gangkofner.
Auf ordentliche Umsatz-Zahlen kam Ludwig beispielsweise dadurch, daß er seine Kakaobutter - ein Halbfertigprodukt für die Schokoladenherstellung - an Konkurrenten wie Sarotti. Stollwerck oder Ritter verkaufte, für sein eigenes Unternehmen aber Kakaobutter von fremden Anbietern zukaufte.
Für fetten Umsatz und magere Gewinne sorgte vor allem der wichtigste Monheim-Kunde: die Gebrüder Karl und Theo Albrecht. Die beiden Inhaber der Aldi-Discountladen sind von allen Lieferanten als harte Preisdrücker gefürchtet.
Über die Hälfte seiner Fertigprodukte - von »Trumpf« bis zur Billig-Schokolade »Maurinus - setzte Ludwig zuletzt über die Aldi-Läden ab. Während die Konkurrenz viel Geld für pfiffige Werbung ausgab, vor allem für die gehobenen Marken »Milka und »Ritter Sport«, sparte Monheim an der Reklame. »Trumpf« verkam mehr und mehr vom Marken- zum Massenartikel.
Kein Wunder, daß in den letzten Jahren das Geld knapp wurde. In den früheren guten Zeiten waren die üppigen Gewinne großzügig an die Familienmitglieder verteilt worden. Der Clan brachte zu wenig Eigenkapital auf; als die Zeiten schlechter wurden, geriet der Familienkonzern in finanzielle Bedrängnis.
Besonders schlecht war das vergangene Jahr. Die Preise für Kakao-Bohnen waren steil in die Höhe geschossen, die Preise für Schokolade aber blieben unten. Mit Tafel-Schokolade machte kein deutscher Hersteller mehr Gewinn. Besonders arg traf es Monheim, nicht zuletzt wegen der engen Liaison mit Aldi.
Die Preise für Süßwaren werden zu einem guten Teil von den Gebrüdern Albrecht diktiert. Jede fünfte Tafel Schokolade, die in Deutschland gegessen wird, stammt aus einem Aldi-Laden: zusammen mit anderen Artikeln wie Pralinen und Riegel kommt Aldi bei Schoko-Erzeugnissen auf einen Marktanteil von 27 Prozent.
Der Aldi-Preis wiederum dient Supermärkten und Filialketten als Richtschnur. Jahrelang versuchten die Markenartikler vergeblich, den Preis für eine Tafel Schokolade über die Traditionsmarke von einer Mark zu heben.
Das gelang ihnen erst im vergangenen Jahr: daraufhin sackte der Absatz um über 20 Prozent. Doch noch immer ist jede dritte Tafel Schokolade für weniger als eine Mark zu haben - dank Aldi, der auch von Stollwerck und der Nestle-Tochter Sarotti beliefert wird.
Außer, Aldi haben die Schoko-Fabrikanten noch ganz seltsame Widersacher: sich selbst. Sie haben sich so viel Maschinen und Fabriken zugelegt, daß sie 35 Prozent mehr produzieren als verkaufen können. Und jeder wartet darauf, daß der andere seine Maschinen verschrottet. Auch Peter Ludwig machte da keine Ausnahme: »Wie komme ich dazu, meine Überkapazitäten abzubauen, sagte er noch vor einem halben Jahr, »damit Stollwerck und Sarotti ihre Preise erhöhen können?«
Der Verschrottung ist Kunstsammler Ludwig nun durch den Verkauf zuvorgekommen. Geblieben ist ihm eine Firma, die mit 1200 Beschäftigten nur noch rund 500 Millionen Mark Umsatz machen wird. Geblieben ist ihm auch ein Sinnspruch für die Branche: »Schokolade«, hat er erfahren, »ist ein besonders hartes Brot«.
[Grafiktext]
DIE SCHOKOLADEN-RIESEN Die größten Schokoladen-Hersteller der Bundes republik und ihre wichtigsten Marken; Umsatz 1986 in Millionen Mark (geschätzt): Jacobs Suchard GmbH, Bremen nach dem Ankauf der Monheim AG 1400 Ferrero oHG, Stadtallendorf 700 Stollwerk AG, Köln 650 Ludwig Schokoladen GmbH Aachen 500 Sarotti GmbH Frankfurt 340 Alfred Ritter GmbH & Co, Waldenbuch 340
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unten: im Werk Aachen-Süsterfeld.
Oben: in der »Neuen Galerie - Sammlung Ludwig« in Aachen;