Haushaltsdefizite Deutschland und Frankreich sägen am Stabilitätspakt
Luxemburg - Solbes forderte zwar erneut Nachbesserungen am französischen Haushalt 2004, der im dritten Jahr in Folge ein Überschreiten der EU-Defizitgrenze vorsieht. Er kündigte jedoch zugleich an, bei der Beurteilung Frankreichs auch die schwache Wirtschaftsentwicklung zu berücksichtigen.
Die EU-Kommission will am Mittwoch formal feststellen, dass Frankreich die Auflagen der Finanzminister aus dem Sommer nicht erfüllt hat, sein Defizit 2004 wieder unter die Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Der französische Haushaltsplan sieht dies erst 2005 vor. Nach dieser Feststellung will die Kommission dann Vorschläge für neue Empfehlungen an Frankreich vorlegen, über die die Finanzminister im November debattieren sollen.
Deutlicher als zuvor sprach sich Bundesfinanzminister Hans Eichel nach einem Treffen mit seinen EU-Kollegen am Dienstag in Luxemburg gegen harte Maßnahmen der EU aus, falls Frankreich seine Sparanstrengungen noch verbessere. Die Kommission habe ein Recht, mehr Anstrengungen von Frankreich zu verlangen. Jetzt sei es die Aufgabe der Kommission und Frankreichs in den nächsten Wochen die Grundlage für eine gemeinsame Position von Kommission und Finanzministerrat zu finden, die auch die Unterstützung der Europäischen Zentralbank finde.
Eichel plädiert für Nachsicht gegenüber Frankreich
Eichel machte deutlich, dass er im Falle einer Einigung über den weiteren französischen Haushaltskurs keinen Grund für darüber hinaus gehende Schritte im Defizitverfahren sieht, das im Extremfall zu Strafzahlungen in Milliardenhöhe führen kann. Bereits bei der Debatte über eine Frühwarnung wegen des deutschen Defizits Anfang 2002 habe er die Einschätzung vertreten: "Wenn es eine inhaltliche Einigung gibt, braucht es kein Verfahren zu geben."
Nach den Regeln des Paktes droht am Ende eines Defizitverfahrens eine Geldbuße in Milliardenhöhe, wenn sich der betroffene Mitgliedstaat dauerhaft weigert, die EU-Empfehlungen zu befolgen. Solbes kann das Verfahren gegen Frankreich aber nur weiter verfolgen, wenn dem eine qualifizierte Mehrheit der EU-Finanzminister im November zustimmt.
EU-Diplomaten gehen davon aus, dass der Umgang mit Frankreich auch Maßstäbe für das weitere Vorgehen gegen des deutsche Defizit setzt, das im kommenden Jahr ebenfalls zum dritten Mal in Folge die EU-Grenze überschreiten dürfte. Eichel bekräftigte, Deutschland wolle den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten, schränkte aber ein: "Mit allem was wir tun können. Ich sage das in aller Vorsicht."
Solbes will schwaches Wachstum berücksichtigen
Solbes äußerte sich in Luxemburg noch nicht zu den Details der Kommissionsempfehlungen an Frankeich. In diplomatischen Kreisen hieß es jedoch, wahrscheinlich werde die Kommission Frankreich einen Abbau seines konjunkturbereinigten Defizits um einen Prozentpunkt im kommenden Jahr vorgeben. Dies würde weitere Strukturreformen erforderlich machen. Solbes deutete jedoch an, dass die Kommission nicht strikt auf einer Einhaltung der EU-Auflagen vom Sommer bestehen werde. Die wirtschaftlichen Aussichten für Frankreich seien derzeit schlechter als noch im Sommer.
Während Frankreich auch auf Unterstützung des kleinen aber einflussreichen Luxemburgs zählen kann, pochte Österreich erneut auf eine kompromisslose Haltung. Finanzminister Karl-Heinz Grasser sagte, Solbes müsse das Defizitverfahren gegen Frankreich "strikt und ohne Flexibilität" vorantreiben. Dabei stehe auch die Glaubwürdigkeit der Kommission auf dem Spiel. Frankreich könne auch nicht auf sein schwaches Wachstum verweisen, um seine auch für 2004 oberhalb der EU-Defizitgrenze erwartete Neuverschuldung zu rechtfertigen, sagte er. Die französische Wirtschaft habe sich in den vergangenen Jahren nicht schlechter entwickelt als der Durchschnitt der Euro-Zone.
Für die Wirtschaftsentwicklung im kommenden Jahr sehen die Finanzminister Grund zum Optimismus. Eichel sagte: "Es ist eine deutliche Aufhellung am Horizont zu sehen." Dennoch blieben Risiken, wie die hohen Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite der USA. In Deutschland gebe es konjunkturelle Lichtblicke. So werde im dritten Quartal ein leichtes Wachstum im Vergleich zum Vorquartal erwartet.