Hedgefonds Schwarzes Loch im Finanzsystem
Berlin Anleger und Börsenhändler müssen dieser Tage viel aushalten: Die Kurse purzeln durcheinander, so turbulent wie seit dem 11. September 2001 nicht mehr. Allein am "Schwarzen Montag", dem ersten Tag des aktuellen Börsenniedergangs, verloren die Dax -Unternehmen mehr als 60 Milliarden Euro an Wert. Dieses Finanzerdbeben reißt auch die Aktien gut gehender Unternehmen mit. Mittendrin und voll dabei: Hedgefonds.

Anspannung an der New Yorker Börse: An die zentrale Ursache der Krise gehen die Regierungen nicht heran
Foto: APNur sie sind groß genug, um eine derart heftige Krise mit auszulösen. Jede Kreissparkasse unterliegt strengeren Kontrollen als diese milliardenschweren Fonds. Doch die Regierungen gehen an diese zentrale Ursache der Krise nicht wirklich heran.
Wo viel Risiko ist, gibts auch viel Gewinn. Diesen Grundsatz haben die Hedgefonds perfektioniert, um maximale Renditen zu erzielen, beispielsweise mit Kreditrisiken. Beim waghalsigen Spiel mit sogenannten strukturierten Finanzprodukten haben sie damit eine zentrale Rolle.
Banken belassen Kreditforderungen nicht gerne in ihrer Bilanz, denn sie müssen mit teurem Eigenkapital abgesichert werden. Also wandeln die Banken per Verbriefung die Kredite in handelbare Pakete um. In diesen Paketen stecken, wie wir heute wissen, viele schlechte Kredite. Daraus Wertpapiere mit guten Ratings zu basteln, gelingt nur, wenn jemand die riskantesten Tranchen dieser Pakete trägt.
Hier kommen die Hedgefonds ins Spiel. Da sie im Gegensatz zu Banken völlig unreguliert sind, können sie auch bei waghalsigen und hochprofitablen Geschäften einsteigen. Der Markt für Hochrisiko-Pakete konnte also nur entstehen, weil Hedgefonds als Abnehmer für extrem spekulative Finanzprodukte auftreten. Würden sie nur ansatzweise so kontrolliert wie Banken, dann wären solche Märkte nie entstanden.
Hedgefonds haben andere in den Strudel gerissen
Hedgefonds stehen außerhalb jeder Aufsicht daher bleibt unklar, wo sich die Risiken befinden. Der oberste deutsche Finanzaufseher, Jochen Sanio, hat sie deshalb als "schwarze Löcher" des Finanzsystems bezeichnet. Diese Löcher ziehen die Risiken magnetisch an. Die Finanzmarktkontrolleure überall auf der Welt haben deshalb längst den Überblick über die Kapitalmarktrisiken verloren.
Die Konsequenz daraus kann nur sein, diese Regulierungslücke zu schließen - und Hedgefonds wie alle anderen unregulierten Finanzakteure soweit zu beaufsichtigen, dass immer klar ist, wo die Risiken liegen. Würden die Hedgefonds nur einigermaßen reguliert und müssten ihre Geschäfte vernünftig absichern, sie hätten sich kaum auf ein so riskantes Jonglieren mit Kreditpaketen eingelassen.
Durch die mangelnde Regulierung haben die Hedgefonds jedoch so manchen Marktteilnehmer in einen Abwärtsstrudel gezogen, unter anderem die Zweckgesellschaften öffentlicher und privater Banken. Diese Ableger etablierter Kreditinstitute wie der Mittelstandsbank IKB und der sächsischen Landesbank haben Verluste in Milliardenhöhe angehäuft. Dafür bezahlen jetzt unter anderem die Steuerzahler in Sachsen, wo 2,75 Milliarden Euro für die Probleme der Landesbank im Haushalt eingeplant werden mussten ein Rückschlag für das finanzpolitische Musterland im Osten.
Aus einem weiteren Grund sind Hedgefonds für das gewaltige Ausmaß der aktuellen Finanzmarktkrise verantwortlich: In einzelnen Märkten haben beziehungsweise hatten sie einen extrem hohen Marktanteil, bei Kreditderivaten wird er auf 60 Prozent geschätzt. Wenn die Fonds unter Druck geraten, müssen sie häufig sehr schnell sehr viele Aktien verkaufen. Das lässt die Kurse weiter bröckeln und zieht die Märkte nach unten.
Kaum überraschend, dass Hedgefonds der Investmentbank Bear Stearns die derzeitigen Erschütterungen im vergangenen Sommer ausgelöst haben. Denn mit dem gleichzeitigen Rückzug aus diesen Teilmärkten konnten zwar viele der Hedgefonds ihre Verluste begrenzen. Doch die betroffenen Märkte wurden illiquide, die Refinanzierung bisher problemlos handelbarer Papier wurde unterbrochen. Banken, die auf diese Refinanzierung gesetzt hatten, mussten hohe Wertberichtigungen vornehmen.
Ein internationales Kreditregister muss her
Schließlich stecken Hedgefonds über ihre Rolle als Kreditnehmer die Banken an. Um ihren Gewinn zu erhöhen, spekulieren Hedgefonds nicht nur mit eigenem Geld, sondern leihen sich auch welches. Erwirtschaften sie mehr Rendite, als die Kredite kosten, geht die Rechnung auf. Die Bankkredite wirken dann als Hebel und steigern noch die Rendite im anderen Fall die Verluste.
Gefährlich wird das, wenn die als Sicherheit bei den Banken angegebenen Wertpapiere einem weiteren Investor versprochen sind, denn einen Abgleich zwischen den Geldhäusern gibt es nicht. Deshalb ist ein internationales Kreditregister notwendig, damit alle Marktteilnehmer wissen, woran sie sind. Zusätzlich sollen die Banken Kredite an Hedgefonds mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen als Kredite an Unternehmen.
Um Erdbeben einigermaßen präzise vorherzusagen, braucht man sensible Seismographen. Auch zur Vorhersage und Kontrolle von Finanz-Erdbeben benötigen wir bessere Instrumente. Schlagkräftige Aufsichtsbehörden mit Überblick, ein Kreditregister und wirksame Regeln bei der Kreditvergabe an Hedgefonds wären ein Riesenschritt. Die aktuelle Krise macht deutlich, wie teuer es kommt, diesen Schritt nicht zu gehen.