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FUSIONEN Heimliche Ehe

Das Kartellamt hat eine vertrauliche Absprache zwischen dem Öl-Multi BP und der Ruhrkohle AG aufgedeckt.
aus DER SPIEGEL 6/1979

Sorgsam mühten sich der Ölboß und der Kohle-Mann, ihre Liaison zu verbergen.

Sie wollten »lediglich eine gemeinsame Studienkommission einsetzen«, beteuerte Karlheinz Bund, Chef des nationalen Kohlekonzerns Ruhrkohle. Und Kollege Hellmuth Buddenberg, Deutschland-Statthalter der British Petroleum (BP), mochte allenfalls einen »Furt per Handschlag« zugeben.

Der Flirt ist längst mit einem schriftlichen Eheversprechen besiegelt: In einer auf englisch abgefaßten und vom Londoner BP-Chef David Steel unterschriebenen »Declaration of Intent« (Absichtserklärung) haben der Ölmulti und der Kohlen-Gigant vereinbart, daß sie sich fortan gemeinsam um die Geschicke eines dritten Großunternehmens kümmern wollen: um die Geschäfte der Essener Ruhrgas AG.

Aber das Papier (Ausfertigungsdatum: 20. 12. 1978) geriet in die falschen Hände, das Kartellamt beschloß ein Fusionskontrollverfahren gegen BP und Ruhrkohle«. Vergangenen Dienstag schickte der für Fusionen in der Energiebranche zuständige Kartellamts-Direktor Siegfried Klaue den Geschäftspartnern BP und Ruhrkohle per Telex eine Vorladung vors Kartellamt: für Montag dieser Woche, elf Uhr in Berlin.

Der Kontrolleur Klaue befürchtet, daß die von Bund und Buddenberg »verabredete gemeinsame Ausnutzung ihrer Beteiligungsrechte« an der Deutschen Ruhrgas zu einem »beherrschenden Einfluß« auswachsen könnte und »erwägt, den Zusammenschluß zu untersagen« (Telex-Text).

Daß die vertrauliche Abrede mit der Ruhrkohle AG den Kartellwächtern zugespielt wurde, stört vor allem das Kalkül von BP-Chef Hellmuth Buddenberg. Denn noch kann der Ölmanager sich der Anteile an der Ruhrgas AG, die er gemeinsam mit dem Kollegen Bund von der Ruhrkohle ins Spiel bringen wollte, gar nicht sicher sein.

Das 25-Prozent-Paket an der Gasgesellschaft hatte Buddenberg im Sommer vorigen Jahres vom bundesbeherrschten Veba-Konzern gekauft. Doch im September zeigte das Berliner Kartellamt die rote Karte und verbot den Handel.

Der Deal, so begründete Klaue sein Veto damals, beende jedweden Preiswettbewerb zwischen den Energieträgern Öl und Gas. Die Übernahme schädige deshalb die Interessen der Verbraucher.

Käufer Buddenberg sah das anders. Wegen des »überragenden Interesses der Allgemeinheit« beantragte der rührige Firmenchef in Bonn eine »Ministererlaubnis«; mit einer solchen Sondergenehmigung, die im Fusionsrecht ausdrücklich vorgesehen ist, kann der Wirtschaftsminister Fusionsverbote des Kartellamtes aufheben.

Veba-Chef Rudolf von Bennigsen-Foerder bat ebenfalls in Bonn um Beistand. Der Tauschhandel sollte nämlich seinem fußkranken Staatskonzern 800 Millionen Mark Bargeld und den Zugang zu den britischen Ölquellen der BP verschaffen.

Ursprünglich wollte Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff seine Entscheidung an diesem Wochenende verkünden. Doch überraschend schaltete sich Anfang voriger Woche noch ein Europäer ein, der Deutsche Willy Christoph Schlieder, Generaldirektor für Wettbewerb bei der EG-Behörde.

Schlieder sorgt sich um »die Freiräume des Ruhrgas-Vorstands beim Einkauf und Verkauf seines Gases«. Telephonisch zitierte er die beteiligten Firmenchefs für den 15. Februar zur EG-Behörde nach Brüssel.

Auch ohne die Intervention des EG-Beamten hätte Lambsdorff nun, nachdem die deutschen Kartellwächter das Geheimpapier zwischen BP und der Ruhrkohle aufgetan haben, seine Entscheidung noch hinausschieben müssen.

Waren sich Buddenberg und von Bennigsen bislang sicher, von Lambsdorff den Fusions-Persilschein zu bekommen, so müssen sie jetzt um die Genehmigung bangen: Ein Firmenzusammenschluß, mit dem ohnedies schon die Konkurrenz auf dem Energiemarkt noch weiter eingeschränkt worden wäre, ist nun noch anfechtbarer geworden.

Denn der Öl- und der Kohlen-Manager haben sich, so diagnostizierten die Kartellwächter, auf einen wettbewerbswidrigen Beherrschungspakt geeinigt: Mit zusammen gut 40 Prozent der Aktien könnten Buddenberg und sein Kompagnon Bund, dessen Ruhrkohle 15 Prozent hält, in Europas größtem Gasverteiler das Sagen haben.

Bei der Ruhrgas ein gewichtiges Wort mitreden zu können -- das ist für die beiden Partner gleichermaßen von Bedeutung. Karlheinz Bund von der Ruhrkohle brauchte, sofern er mit der Ruhrgas handelseinig wird, kein eigenes, teures Leitungsnetz aufzubauen, wenn er in den neunziger Jahren Gas vermarkten will, das aus der Steinkohle mittels Reaktorwärme gewonnen werden soll.

Und die im Gegensatz zu den Konkurrenten Esso und Shell vom deutschen Gasmarkt ausgesperrte BP könnte ihre erst kürzlich in Algerien eingekauften 4,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas ab Mitte der achtziger Jahre durch die Rohre des Ruhr-Molochs drücken.

Eifrig hatte Buddenberg daher in den letzten Monaten um Verbündete für seinen Einstieg bei der Ruhrgas Aktiengesellschaft geworben. Er klapperte fast alle Landeshauptstädte mit seinem Firmenadvokaten Friedrich Bormann ab und sprach bei Regierungschefs und Landeswirtschaftsministern vor. Höchstpersönlich reiste BP-Oberboß David Steel zum Besuch bei Bundeskanzler Helmut Schmidt nach Bonn.

Die Ölunternehmer scheuten sich bei ihren Visiten und später bei einem Bundestag-Hearing zum BP-Veba-Vertrag nicht, mit »Schrumpfungs-Prozessen« (Buddenberg) oder dem »Abbau von Kapazitäten« (von Bennigsen) zu drohen. Und wie so häufig, wenn es in Bonn um Firmeninteressen geht, arbeiteten Vorständler und Gewerkschafter Hand in Hand.

Chemiegewerksehafter Manfred Krüper warnte »im Namen der Gewerkschaften ÖTV, IG Bergbau und Energie und IG Chemie, Papier, Keramik« vor der »Vernichtung von gut 2700 Arbeitsplätzen«. Die Zahl hatte ihm BP-Chef Buddenberg gegeben, der selbst ungeniert mit Massenentlassungen drohte.

Auch in Bonn rotierte die Gewerkschafts- und Firmenlobby. SPD-MdB Hermann Rappe, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung und im Hauptberuf IG-Chemie-Funktionär, fordert von Lambsdorff »Zustimmung«. Sein SPD-Fraktionsfreund Erich Wolfram aus Recklinghausen will sogar die »Entscheidung vor das Parlament« bringen. Verständlich: Wolfram ist Direktor bei der Ruhrkohle und sitzt im Aufsichtsrat einer Veba-Tochter.

Von der Absprache zwischen Ruhrkohle-Bund und BP-Buddenberg wußten die Parlamentarier, als sie sich so für den Veba-BP-Handel stark machten, noch nichts. Sie wären sonst wohl zurückhaltender gewesen.

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