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SPARPROGRAMM Heiße Nadel

Statt finanzieller Hilfe bringt Bonns Energiesparprogramm den Hausbesitzern vor allem Ärger. Die Länder verteilen die Millionen nach eigenen, häufig kaum durchschaubaren Regeln.
aus DER SPIEGEL 42/1978

Selbst der Erfinder ist nicht so recht glücklich mit seinem Werk. »Da ist viel gemurkst worden«, räumt Niedersachsens SPD-Anführer Karl Ravens ein.

Ravens muß es wissen: Das »Gesetz zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes« (Energiesparprogramm) war die Abschiedsgabe, mit der sich der frühere Bonner Wohnungsbauminister den Kollegen empfahl.

Erst Monate nach seinem Abgang in die Provinz war auch Ravens klar, daß er mit dieser Hinterlassenschaft wenig Freude verbreitet: Statt der erhofften Hilfe für Eigenheimer und Wohnungsbesitzer brachte das von Ravens erfundene und im Vermittlungsausschuß von Bund und Ländern heftig redigierte Gesetzeswerk energiesparwilligen Hausherren bislang vor allem Verdruß.

An der Summe liegt es nicht: Knapp 4,5 Milliarden Mark will der Staat in den nächsten fünf Jahren für »Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie in Wohnungen« ausgeben. Mit 25 Prozent Staatszuschuß wird zum Beispiel der Einbau wärme-isolierender Fenster prämiert -- sofern der Gesamtaufwand pro Gebäude 4000 Mark nicht unterschreitet. Damit die Sache nicht gar so teuer wird, dekretierte Bonn überdies, daß mehr als 12 000 Mark Zuschuß pro Wohnung nicht drin sei. Dabei können die Bauherren wählen, ob sie die Staatshilfe als baren Zuschuß einnehmen oder die Kosten bei ihrer Steuererklärung geltend machen.

Insgesamt 420 Millionen will sich der Staat die neuen Vorschriften in diesem Jahr kosten lassen. Doch obwohl seit Wochen in fast allen Bundesländern schon weitaus mehr Anträge energiesparwilliger Hausbesitzer und Wohnungsbaugesellschaften vorliegen, als überhaupt gefördert werden können, sind sich Bund und Länder noch immer nicht über einheitliche Vergabemodalitäten einig.

In Schleswig-Holstein werden nur dann die Staatszuschüsse gewährt, »wenn das Gebäude nach der Modernisierung ... mindestens 30 Jahre Wohnzwecken dienen kann«.

Hausbesitzer in Baden-Württemberg haben keinen Anspruch auf den Staatszuschuß, wenn das eigene Heim mit mehr als tausend Mark im Monat belastet ist.

In Niedersachsen werden Förderungsmittel nur dann ausgezahlt, wenn »der Eigentümer die ... Kosten (für notwendige Instandhaltungsarbeiten) nicht selbst tragen kann«. Was das bedeuten soll, wissen nicht einmal die Beamten mit Bestimmtheit zu sagen.

Manche Bundesländer versuchen zudem, die Flut der Bauherren-Anträge dadurch unter Kontrolle zu bringen, daß sie bei Mietwohnungen verbindliche Grenzen festsetzen. In Nordrhein-Westfalen etwa wird nur dann gezahlt, wenn die Miete 4,90 Mark pro Quadratmeter und Monat nicht übersteigt.

»Da können freie Vermieter ihre Anträge gleich in den Papierkorb werfen«, meint Volker Gierth, Geschäftsführer des Zentralverbandes der Haus- und Grundeigentümer. Nutznießer des Programms seien wegen der westdeutschen Sonderregeln fast ausschließlich gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften wie die Neue Heimat.

»Vor lauter Kompromißbereitschaft Ist so viel mit der heißen Nadel gefummelt worden«, weiß Gierth, »daß viele Beamte selbst nicht wissen, was die Richtlinien bedeuten.«

In vielen Anträgen werden zum Beispiel energiesparende Solarheizanlagen gestrichen, obwohl sie im Sparkatalog des Bundes als förderungswürdig ausgewiesen sind. Der Grund: Sonnenenergiezellen müssen zusätzlich von den Stadt- und Kreisbauämtern genehmigt werden. Dort aber gelten -- das jedenfalls fand das Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) der Fraunhofer Gesellschaft heraus -- Solarkollektoren nicht viel, weil sie »die Gegend verschandeln«.

»Die Hausbesitzer«, weiß Gierth aus Klagen seiner Mitglieder, »sind total verunsichert.« In den bis zu zehn Seiten starken Fragebogen erfahren Antragsteller etwa, daß der Einbau neuer Fenster und Türen nur dann unterstützt wird, wenn gleichzeitig auch die Heizung auf sparsameren Verbrauch umgerüstet wird.

Um wenigstens »künftigen Zuschuß-Hickhack« zu vermeiden, will Wohnungsbau-Minister Dieter Haack für das nächste Jahr ein einheitliches Regelwerk durchsetzen.

Bislang allerdings blieben alle Versuche stecken. Bei einem Bund-Länder-Treffen im Bauministerium stand das Thema zwar auf der Tagesordnung. Doch aus Zeitnot vertagten sich die Beamten auf Ende September. Als auch bei dieser Sitzung nichts erreicht wurde, wurde die Streitfrage auf Anfang Dezember verschoben. Ein Sprecher des Bonner Bauministeriums: »Einige Länder haben in einigen Punkten erhebliche Bedenken.«

Haack will diese Einreden ausräumen und dabei die Länder unter Druck setzen. Nach seinen Plänen sollen investitionswillige Hausherren im nächsten Jahr erst dann Geld bekommen, wenn die Länder sich auf einheitliche Vorschriften geeinigt haben.

Dieses Ziel aber wird bis zum Jahresanfang 1979 kaum zu schaffen sein. Hausverbandsführer Volker Gierth rät deshalb seinen Mitgliedern, besser gar keine Anträge einzureichen. Denn: »Betriebswirtschaftlich bieten die Zuschüsse den Vermietern keine Vorteile, weil sie hinterher von einer möglichen Mieterhöhung abgezogen werden müssen.« Und: Der plötzliche Nachfrageschub habe zu erheblichen Preissteigerungen geführt, die »teilweise den Staatszuschuß übersteigen

»Das beste wäre«, sinniert Gierth, »alle Beteiligten würden das Energiesparprogramm erst mal auf Eis legen und in Ruhe den Unsinn rausstreichen.«

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