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LUFTFAHRT Helfen gerne

Die kaputte Fluggesellschaft Pan Am will die gut verdienende Northwest übernehmen - es soll für beide lohnen.
aus DER SPIEGEL 23/1989

Thomas Plaskett, Chef der schwer angeschlagenen US-Fluggesellschaft Pan Am, sieht die Lage der Firma ganz nüchtern: »Wenn wir überleben wollen, müssen wir von einer anderen Airline übernommen werden oder selbst eine übernehmen.«

Plaskett entschied sich für die Flucht nach vorn. Am Dienstag vergangener Woche erklärte sich die unter Kennern als bankrott geltende Pan Am bereit, zum Preis von 3,3 Milliarden Dollar die Northwest Airlines zu übernehmen, eine der profitabelsten in den USA.

»Der Schwache kauft den Starken auf«, mokierte sich das US-Luftfahrt-Magazin »Aviation Week«, »eine ganz neue Variante des Unternehmenszusammenschlusses.« Die Variante ist zwar absurd, doch sie paßt in die Logik des Systems amerikanischer Firmenaufkäufe.

Unternehmen werden vielfach nur noch übernommen, damit sie ausgeschlachtet werden können. Der Käufer, in den USA Company Raider genannt, überredet die Aktionäre einer Firma durch Überpreis zum Verkauf der Aktien. Die für den Kauf aufgenommenen Schulden läßt der Raider anschließend von der Firma, die ja dann ihm gehört, begleichen.

Wenn das so einfach nicht geht, holt der Raider sich sein Geld durch den schubweisen Verkauf besonders wertvoller Unternehmensteile, die einzeln mehr bringen, als er für die ganze Firma bezahlt hat. Das Ergebnis ist immer gleich: Der Investor macht Kasse, und die Kasse der Firma ist leer.

Solche Raids (Überfälle) lohnen sich mithin nur bei profitablen Firmen. Für Pan Am interessiert sich deshalb niemand, Northwest aber ist begehrt. Die Aktien der lukrativen Fluglinie sind weit gestreut, der Angreifer riskiert nicht, an einen störrischen Großaktionär zu geraten, der das ganze Spiel stören könnte.

Bei Northwest tauchte denn auch bald der Ölmilliardär Marvin Davis aus Los Angeles auf, der ein unfreundliches, nämlich gegen das Management der Firma gerichtetes Übernahmeangebot für 90 Dollar die Aktie oder 2,7 Milliarden Dollar insgesamt präsentierte. Eine andere Investorengruppe, geführt von Alfred Checci, auch aus Los Angeles, bot mit.

Northwest-Chef Steven Rothmeier und die Geschäftswelt der Zwillings-Stadt Minneapolis-St.Paul, des Hauptsitzes der Airline, waren so geschockt, daß sie sich rasch nach Fluchtwegen umsahen. Als die Pan-Am-Manager auftauchten, denen es um eine echte Fusion und nicht um einen Unternehmensstriptease ging, zog Erleichterung in Minneapolis-St.Paul ein, obwohl die schlechte Situation der Pan Am seit langem bekannt ist.

Die weltberühmte Firma, die lange als Aushängeschild der US-Luftfahrt galt, hat in den vergangenen acht Jahren insgesamt 1,8 Milliarden Dollar Verluste geschrieben. Die Zahl wäre noch weit höher ausgefallen, hätte sich Pan Am während dieser Zeit nicht von den Wertgegenständen getrennt, die sie in ihren guten Zeiten zusammengebracht hatte.

Das 58 Stockwerke hohe Pan-Am-Gebäude im Herzen von Manhattan, elegant über die Park-Avenue gebaut und im Keller mit der Grand Central Station verbunden, wurde verkauft, wenig später der Pan-Am-Anteil an der renommierten Hotelgruppe Interconti. Die Erlöse - insgesamt 900 Millionen Dollar - reichten nicht aus.

Als sich die Finanzlöcher immer noch nicht schlossen, verkaufte Pan Am seine besten Routen - in Ostasien - mit Flugzeugen und Flughafeneinrichtungen an die Konkurrenzfirma United. In letzter Not fand die Firma Wettbewerber, die ihre mit 150 Millionen Dollar angezahlten Bestellungen für den europäischen Airbus übernahmen.

Was der Pan Am an Flugzeugen noch übriggeblieben war, hatte entweder wegen Alters meist keinen Buchwert mehr oder war hoch belastet. Die Werte gingen in die Bücher anderer Unternehmen ein, zum Beispiel der Flugzeuglieferanten und der Banken.

Doch wie so oft in den USA - kreditwürdig ist einer erst, wenn er ordentlich Schulden hat. Obwohl Analysten den Anlage-Wert der Pan Am bei unter null ansetzen, bekommt die Firma ihre 3,3 Milliarden Dollar für den Northwest-Ankauf wohl schnell zusammen.

Ein Banken-Konsortium, geführt von Adressen wie Bankers Trust, Citicorp und Morgan Guaranty Trust in New York, First National Bank of Chicago und Security Pacific Corporation in Los Angeles, will Pan Am Geld für den Kauf geben. Die Banken helfen der Pan Am gern, denn sie helfen sich selbst damit. Die geldstrotzende Northwest sichert die Kredite besser ab als alle Vermögenswerte der Pan Am.

Ein Zusammenschluß könnte für die beiden Firmen überaus vorteilhaft sein. Pan Am betreibt vorzugsweise die interessante Nordatlantik-Route und kaum Inlandsverkehr, Northwest vor allem Inlands- und Pazifikstrecken; Pan Am hat seine operativen Schwerpunkte im Süden der USA, Northwest im Norden. Überdies nutzen beide ähnliche Flugzeugtypen, sie sind vor allem Kunden der europäischen Airbus Industrie.

Da die beiden Gesellschaften sich so gut ergänzen, dürfte im Falle eines Zusammenschlusses nur wenig auszuholzen sein. So entstünde durch die Fusion die zweitgrößte amerikanische Fluggesellschaft. Pan Am wäre gerettet und Northwest in Märkten, die durch reines Marketing nicht mehr zu bekommen sind.

Und noch etwas scheint besonders gut zusammenzupassen: Die Pan Am produziert etwa so hohe Verluste wie die Northwest Gewinne. Und das, rechnete ein Pan-Am-Manager vor, würde der Northwest bei Schuldenübernahme eine ganze Menge Steuern ersparen.

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