Wirtschaftspläne Das will Clinton, das will Trump

New York
Foto: Roy Rochlin/ AFP"Wie schön, wieder in Michigan zu sein!", lügt Hillary Clinton, als sie in Warren, einem Vorort von Detroit, ans Mikrofon tritt. Denn in Wahrheit hat sie böse Erinnerungen an diesen rezessionsgebeutelten US-Bundesstaat: Hier landete ihr Vorwahlrivale Bernie Sanders im März seinen wohl größten Überraschungssieg, indem er sie mit zehn Prozentpunkten Vorsprung deklassierte - und seiner Underdog-Kandidatur neues Leben einhauchte.
Sanders ist Vergangenheit, doch nun muss Clinton Michigan gegen Donald Trump verteidigen. Weshalb sie an diesem Donnerstag zurückgekehrt ist, um die Zweifler mit einer wirtschaftspolitischen Grundsatzrede zu ködern - ein Alternativprogramm zu Trumps Rede vom Montag, auch in Detroit.*
"Das hier ist mir ein persönliches Anliegen", ruft sie nach der Werksbesichtigung einer Firma, die Maschinen für die Aerospace-Industrie baut. Ihr Großvater sei Fabrikarbeiter gewesen, ihr Vater "Kleinunternehmer". Und auch wenn sie selbst sich hochgearbeitet habe, vergesse sie ihre arme Herkunft nie: "Ich will, dass jede amerikanische Familie die gleiche Geschichte erzählen kann."
Und dann präsentierte die Multimillionärin ihr Wirtschaftsprogramm "für Arbeiterfamilien". Neues enthielt die Rede nicht - doch merkliche Differenzen zu den Plänen von Trump.
Clinton gegen Trump - wer hat die besseren Ideen für die Wirtschaft? Der Vergleich.
Thema Steuern

Clinton hat ihre Steuerpolitik unter das Motto "Fairness" gestellt. "Wall-Street-Konzerne und die Superreichen müssen ihren fairen Beitrag zahlen." Sie unterstützt die "Buffett-Regel" des Investors Warren Buffett: Millionäre müssten mindestens 30 Prozent Steuern zahlen und auf keinen Fall "weniger als ihre Sekretärin". Auch fordert sie die Abschaffung von Steueroasen und die Vereinfachung der Steuerregeln für Kleinbetriebe. Die Erbschaftsteuer, eine Dauerbeschwerde der US-Reichen, will sie dagegen beibehalten - eine Abschaffung würde allein der Trump-Familie vier Milliarden Dollar sparen.
Trump will die Spitzensätze der Einkommensteuer auf 33 Prozent und der Unternehmensteuer auf 15 Prozent reduzieren. Die Erbschaftsteuer will er ganz abschaffen, wovon wie gesagt vor allem die Reichsten der Reichen profitieren würden. "Die größte Steuerrevolution seit Reagan", nannte er seine Vorschläge. Dabei ist der vielgerühmte "trickle-down"-Effekt der von den Republikanern so verklärten "Reaganomics"-Ära - wonach finanzielle Gewinne in der Gesellschaft von oben nach unten sickern - längst widerlegt.
Thema Löhne und Jobs

Clinton verspricht "das größte Stellenprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg" mit "zehn Millionen neuen Jobs" bis 2020. Die Zahl stammt aus einer Analyse der Ratingagentur Moody's, die Clintons Pläne positiv beurteilt. Wie das gehen soll, ist zwar weniger nebulös als bei Trump, aber ebenso fraglich, was die politische Realitäten angeht: Infrastrukturprojekte, ein Fabrik-Boom im Mittleren Westen, "die Kraft des Privatsektors", gefördert von staatlichen Milliardeninvestitionen. Zum Reizthema Mindestlohn sagte Clinton in Michigan nichts - sie unterstützt generell eine Erhöhung, aber unter Bedingungen.
Auch Trump verspricht eine "Explosion aus Jobs, Wohlstand und Chancen". Neben seinen Steuerplänen und unspezifischen Infrastrukturprojekten will er das erreichen, indem er "Arbeitsplätze in die USA zurückholt" und etwa Apple - sein Lieblingsbeispiel - zwingt, "iPhones in Amerika zu produzieren". Das kommt bei der Basis an, ist aber undurchsetzbar für einen Präsidenten im Alleingang. Beim Mindestlohn war Trump lange gegen eine Erhöhung von 7,25 auf 10 Dollar, hat in neuesten Interviews aber Zustimmung signalisiert.
Thema Handel

Eine der Problemzonen Clintons ist die US-Handelspolitik. Erst dank Bernie Sanders begann sie, von Abkommen wie dem Freihandelspakt Nafta, unterzeichnet unter der Präsidentschaft Bill Clintons, Abstand zu nehmen. So räumte sie jetzt ein, dass "frühere Handelsabkommen allzu oft" mit "zu rosigen" Versprechen durchgeboxt worden seien und zu massiven Stellenverlusten in den USA geführt hätten. Die kontroverse Transpazifische Handelspartnerschaft (TTP) werde sie als Präsidentin deshalb ablehnen. Die Antwort sei jedoch nicht eine komplette Abschottung Amerikas à la Trump.
Trump will alle Handelsabkommen wie die TTP und das amerikanisch-europäische TTIP blockieren. Auch Nafta will er "neu verhandeln". Handelspartnern, die die USA "betrügen", will er Strafzölle aufbrummen. Überhaupt sollen die USA autarker werden: "Amerikanische Autos werden über die Straßen fahren, amerikanische Flugzeuge werden die Städte verbinden, amerikanische Schiffe werden über die Meere patrouillieren, amerikanischer Stahl wird überall neue Wolkenkratzer aufragen lassen."
Thema Wall-Street-Reform

In ihrer Rede attackierte Clinton die Wall Street zwar generell als unfair und profitsüchtig, hielt sich ansonsten bei dem Thema aber spürbar zurück. Hat sie selbst doch Abermillionen Dollar an Redehonoraren von den Großbanken kassiert - ein beliebter Kritikpunkt. Den Dodd-Frank Wall Street Reform Act, das 2010 nach der Finanzkrise verabschiedete Reformpaket, und die darin verankerte Verbraucherschutzbehörde will Clinton jedoch beibehalten.
Zur Wall-Street-Reform sagte Trump am Montag gar nichts - wohl auch auf Wunsch seiner neuen Wirtschaftsberater, die meist aus der Banken-, Hedgefonds- und Hochfinanzbranche kommen. In früheren Interviews hat er aber klargemacht, dass er Dodd-Frank so gut wie annullieren will - inklusive der von den Republikanern verhassten Verbraucherschutzbehörde. Auch hier würde er jedoch die Zustimmung beider Kongress-Kammern brauchen.
Thema Klima und Energie

Clinton nennt "saubere Energie" und ein "belastbares Stromnetz" als Hauptbestandteil ihres Konjunkturprogramms. Aufbauend auf der Klima- und Umweltpolitik von Barack Obama sieht sie den Klimawandel als globale Priorität und will die USA zur "saubersten Energiemacht der Welt" machen, etwa durch mehrstellige Milliardeninvestitionen in Klimaschutz- und Energiespar-"Partnerschaften" des Staates mit Städten und Kommunen. Die Kohle- und Gasindustrie will sie für das 21. Jahrhundert schrumpfen - ein heikler Punkt in vielen Swing States.
Trump dagegen beschwört in seinem Wahlkampfmaterial eine "neue nationale Energiepolitik". Die soll ganz anders aussehen: Unter anderem will er das Pariser Klimaabkommen "zerreißen" und alle US-Zahlungen an Uno-Klimaschutzprogramme einstellen. Die Befugnisse der US-Umweltbehörde EPA will er einschränken, "alle Beschränkungen" des US- Energieverbrauchs abschaffen und fossile Brennstoffe wieder fördern. Roter Faden: Der Klimawandel sei "bullshit" und "ein Schwindel, erfunden von den und für die Chinesen, um die US-Wirtschaft konkurrenzunfähig zu machen".