Hochhaus-Weltrangliste Im Universum der Skyline-Giganten

Wo Wirtschaft wächst, wird gebaut – am liebsten himmelwärts. Skylines voller Wolkenkratzer gelten in Metropolen weltweit als Zeichen ökonomischer Potenz. Doch in welchen Städten stehen die meisten Hochhäuser? Die Web-Datenbank einer deutschen Firma zeigt es.

Hamburg – Wenn Michael Wutzke über São Paulo spricht, liegt Schwärmerei in seiner Stimme. "Im Moment sind dort 660 Hochhäuser im Bau", staunt er. "In Frankfurt am Main stehen nur halb so viele fertige Hochhäuser." Man spürt: Für einen Hochhausnarren wie Wutzke gehört die brasilianische Metropole zu den spannendsten Flecken Erde auf dem Planeten.

Der IT-Experte aus Darmstadt hat seine Leidenschaft zur Profession gemacht - heute ist Wutzke einer von zwei Geschäftsführern der Informationsfirma Emporis. Die hieß früher Skycrapers.com, und das zeigt schon, worum es ihr geht. Emporis und seine nach eigenen Angaben rund 750 überwiegend freiwilligen Mitarbeiter registrieren, kartografieren, fotografieren alles, was mindestens zwölf Stockwerke hoch in den Himmel ragt - in Europa, den USA, aber auch in Sydney, der Ukraine und eben São Paulo.

Eines der besonders interessanten Nebenprodukte dieser beharrlichen Datensammelei ist eine Top-25-Liste derjenigen Städte auf der Welt, in denen sich die meisten Großgebäude drängen. Hongkong mit 7659 registrierten Hochhäusern liegt demnach weltweit vorne, gefolgt von New York City mit 5571 - und São Paulo, das mit 4803 gezählten fertigen Hochhäusern schon jetzt auf Rang drei landet. In der Zählung werden Fernsehtürme, Stadien, Kirchen und Moscheen nicht berücksichtigt.

Moskau schlägt London, Chicago steigt ab

Emporis pflegt seine beständig aktualisierte Top-25-Liste seit 2002 - und in den vergangenen Jahren haben einige interessante Verschiebungen stattgefunden, die viel sagen über die wirtschaftliche Dynamik in den verschiedenen Regionen der Welt.

Zu den Aufsteigern gehört die Wirtschaftswunderstadt Shanghai: Noch vor zwei Jahren zählte Emporis dort nur 549 Hochhäuser, inzwischen sind es 952. Weitere 164 seien im Bau, so Wutzke. "Das sind übrigens überwiegend Wohnhäuser." Westliche Großstädte wie London und Chicago rutschen dagegen ab - die Hochhauszahl wächst zwar auch hier, im Vergleich zu Schwellenland-Metropolen wie Rio de Janeiro oder Caracas ist die Dynamik aber moderat.

160.000 Gebäude, 50.000 Städte

Zu den Gewinnern des Skyline-Rankings zählen auch die Metropolen der früheren UdSSR: Moskau verbessert sich im Vergleich zu 2005 um 16 Ränge, Kiew und Minsk tauchen erstmals in den Top 25 auf. Das liegt zum einen daran, dass diese Länder im großen Stil neue Apartment-Komplexe, Hotels und Bürotürme hochziehen. Ihr Aufstieg erklärt sich aber auch durch rein statistische Effekte: Die Emporis-Rangliste berücksichtigt nur Bauwerke, die von einem der Mitarbeiter gemeldet und in die Datenbank eingepflegt worden sind. Und nicht alle Großstädte sind bisher gleich gut erfasst.

So geht Wutzke davon aus, dass Emporis in West-Metropolen wie New York City kaum ein Hochhaus entgangen ist. Die Datenbasis für Osteuropa wird erst nach und nach verbessert. "Und in China haben wir noch sehr große Lücken bei der Erfassung. Emporis ist wie ein Riesenpuzzle, und Stunde für Stunde kommt ein Baustein dazu." Derzeit erfasst die Site mehr als 160.000 Gebäude in 100.000 Straßen in 50.000 Städten.

Aus der einstigen Hobby-Veranstaltung ist so ein gewerbsmäßiger Datendienst geworden. Zum Standort Darmstadt mit seinen zehn fest Angestellten sollen bald ein reguläres Büro in New York und eines in San Francisco kommen. Eine chinesische Version der Website sei in Planung, sagt Wutzke.

16 Stunden am Tag Daten

Die Umsätze stammen vorwiegend aus Abo-Gebühren: Profikunden können für derzeit 1440 Euro pro Jahr Datenpakete abrufen, die über die Gratisinhalte hinausgehen. Wo entstehen besonders viele Hochhäuser? Welche Architekten und Projektplaner sind involviert? Herstellern von Aufzügen oder Spezialfenstern könnten die Antworten auf solche Fragen zu neuen Umsatzchancen verhelfen, verspricht Stephan Boehm, der zweite Geschäftsführer. Der typische Abonnent stamme aus der Bauzulieferbranche. Emporis will überdies mit Anbietern von Navigationssoftware anbandeln und ihnen Gebäudedaten zuliefern. Ob die Seite Profite macht, will Boehm nicht verraten.

Fest steht: Ohne das weitgehend unentgeltliche Engagement der 750 ehrenamtlichen "Redakteure" könnte Emporis seine Datensätze nicht ausbauen und aktuell halten. Wie bei Wikipedia sind die meisten Inhalte nutzergeneriert - allerdings müssen freie Mitarbeiter einen Aufnahmetest bestehen und ein gewisses Grundwissen unter Beweis stellen. "Wir haben schon nach dem Prinzipien einer Community und von Web 2.0 funktioniert, bevor diese Begriffe in Mode kamen", sagt Wutzke.

Viele der "Redakteure" sind Hochhausnarren, so wie der Geschäftsführer selbst. "In Vancouver haben wir einen Redakteur, der gibt, glaube ich, pro Tag 16 Stunden lang Daten ein", erzählt Wutzke. "Der hat zwei ganze Zimmer für sein Hobby reserviert und sammelt alles, was mit Hochhäusern zu tun hat. Seine Frau hält ihn schon für verrückt."

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