WOHNUNGEN Höchst zweifelhaft
Es war reine Routine, und es ging alles sehr schnell: Nur zwanzig Minuten brauchte das Berliner Abgeordnetenhaus, um - wenige Tage vor der Sommerpause - mit einem lästigen Antrag der Alternativen Liste (AL) fertig zu werden. Die oppositionellen Sozialdemokraten waren sich mit CDU und FDP einig: Ein Untersuchungsausschuß, der die Förderungspraktiken im Wohnungsbau untersucht, werde nicht gebraucht - es gebe nichts zu klären.
»Da soll etwas vertuscht werden«, argwöhnt dagegen der AL-Abgeordnete Peter Finger. Senat und Wohnungsbau-Kreditanstalt (WBK) seien in unverantwortlicher Weise mit Steuergeldern umgegangen; die AL werde weiterbohren, »um die persönlichen Verantwortlichkeiten aufzuhellen«.
Es geht um 31 alte Berliner Mietshäuser in den Bezirken Kreuzberg, Neukölln, Tiergarten und Spandau, die mit Hilfe staatlicher Mittel modernisiert werden sollen. Die Bauten sind zum Teil fast 120 Jahre alt, der Putz fällt vom Gemäuer, Toiletten gibt es oft nur im Treppenhaus, Bäder meist gar nicht.
Bauherren-Gesellschaften, die von der Firma Wohnbau-Design GmbH betreut wurden, hatten die Häuser in den Jahren 1977 und 1978 gekauft, um sie westdeutschen Geldgebern als übliches Abschreibungsgeschäft anzubieten. Die Häuser sollten radikal modernisiert werden, damit die Anleger Steuern sparen konnten.
Ohne staatliche Förderung war das nicht zu machen. Doch wie sich jetzt zeigt, war der Argwohn der AL-Parlamentarier, die schon 1981 einen Untersuchungsausschuß gefordert hatten, offenbar berechtigt: Die öffentlichen Mittel flossen, so meint auch der Rechnungshof, in recht eigenartiger Weise.
Der Rechnungshof hat, nach Drängen der Alternativen im Parlament, im Auftrag des Abgeordnetenhauses die Bewilligungsverfahren für die 31 Häuser der Wohnbau-Design geprüft. Seine Schlußfolgerung: Die staatliche Förderung der »durchgreifenden Modernisierung« erscheine »höchst zweifelhaft«, das Interesse der Kapitalanleger sei höher bewertet worden als das öffentliche Interesse an sparsamer Mittelverwendung.
Warum die Bauherren der Wohnbau-Design sich überhaupt auf die helfende öffentliche Hand stützen durften, scheint auch den Prüfern des Rechnungshofes nicht recht klargeworden zu sein. Sie weisen in ihrem Bericht auf zahlreiche Ungereimtheiten hin.
Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die radikale Modernisierung dieser 31 Häuser überhaupt sinnvoll und zulässig war. Die Antworten des Senators für Bau- und Wohnungswesen sowie der Wohnungsbau-Kreditanstalt sind vielfach wenig überzeugend.
Ursprünglich wollte die Wohnbau-Design öffentliche Förderung nach einem zwischen Bund und Ländern abgesprochenen Programm für Zukunftsinvestitionen beantragen. Doch das Geld war damals bereits vergeben.
Die Anleger wurden unruhig, und die Wohnbau-Design, die sich auf Zusagen des Bausenators berief, drängte auf Entscheidung. »Wir wollten natürlich nicht warten«, sagt Joachim Vogel, einer der Wohnbau-Geschäftsführer, »bis die Gesellschaften Konkurs machen.« Der Senat habe schließlich vorgeschlagen, die Modernisierung nach Paragraph 17 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zu fördern. Die Wohnbau-Design reichte entsprechende Anträge bei der WBK ein.
Was dann passierte, ist teils rätselhaft, teils peinlich für einige der Beteiligten.
Nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz können Häuser, die nicht mehr den heutigen Wohngewohnheiten entsprechen, »durchgreifend« modernisiert werden: Die Altbauten bekommen Bäder und Toiletten, Einbauküchen und moderne Heizungen, Wohnungen werden vergrößert, Hinterhäuser abgerissen. Und das wird, oft zum Kummer der alteingesessenen Mieter, teuer.
Zu teuer, meinten im Falle der Wohnbau-Design auch die Experten des Bausenators, nachdem sie sich die alten Häuser angesehen hatten. Modernisierung nach Paragraph 17, so zitiert der Rechnungshof aus einem Senatsvermerk vom September 1980, sei »entweder zu aufwendig, nicht sinnvoll oder unvertretbar«.
Ein paar Monate später galt das nicht mehr. Der Bewilligungsausschuß, geleitet von einem Vertreter des Bausenators, befürwortete nun die öffentliche Förderung der Umbauten in den Häusern _(Von der Wohnbau-Design betreute Häuser ) _(Wiener Straße 11 und Friesenstraße 12. )
der Wohnbau-Design. Der Förderungsbetrag addierte sich auf 86,2 Millionen Mark.
Auch die Prüfer des Rechnungshofes rätselten vergeblich, wie der Sinneswandel im Bausenat zu erklären sei. Die Entscheidung jedenfalls, so merkten sie in ihrem Bericht an, hielten sie »nicht für sachgerecht«.
Noch schwerer fiel es ihnen offensichtlich, zu begreifen, was sich in der Wohnungsbau-Kreditanstalt abgespielt hatte. »Der Rechnungshof«, so teilten die Prüfer lakonisch mit, »hält das Verfahren der Wohnungsbau-Kreditanstalt zur Beurteilung der Förderungsvoraussetzungen ... in den vorliegenden Fällen für unzureichend.«
Statt die Altbauten, für die öffentliche Gelder beantragt waren, Haus für Haus zu prüfen, gab sich die WBK mit sehr allgemein gehaltenen Baubeschreibungen der Antragsteller zufrieden. Sie wußte nicht einmal genau, wie viele Bäder, Duschen und Innentoiletten bereits vorhanden waren. Ergänzende Unterlagen, so der Rechnungshof, habe die WBK nicht verlangt »und auch selbst im wesentlichen keine zusätzlichen Ermittlungen angestellt«. Auch die Kosten seien zu pauschal veranschlagt worden.
Die WBK, meint dagegen das zuständige Vorstandsmitglied Karl-Heinz Klein, habe alles ordentlich bearbeitet, das sei nur nicht gründlich genug dokumentiert. Insofern habe der Rechnungshof, der nur die Akten prüfe, ein schiefes Bild bekommen.
»Wir hätten natürlich«, gesteht Klein zu, »vorher eine Ortsbesichtigung machen sollen. Mit der Kritik müssen wir leben.«
Nicht nur damit. Denn für die Parlamentarier der AL ist der Fall mit dem kritischen Bericht des Rechnungshofes längst nicht abgeschlossen. »Es wird nicht das letztemal sein«, kündigte der Abgeordnete Finger an, »daß dieses Thema auf der Tagesordnung steht.«
Es sei immer noch ungeklärt, warum ausgerechnet die Wohnbau-Design von Senat und WBK bevorzugt wurde. Rund die Hälfte aller Fördermittel nach Paragraph 17 entfielen 1980 auf die Wohnbau-Design - obwohl doch gerade deren Bauvorhaben zunächst als wenig sinnvoll eingestuft waren.
Auch Rechnungshof-Präsident Ulrich Müller meint, für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß gäbe es noch genügend zu ermitteln - mit Zeugenvernehmungen und »Amtshandlungen auch bei Privaten«, die dem Rechnungshof nicht möglich seien.
Es wäre angebracht, in der Tat, zum Beispiel einmal den Privatmann Alfred Baumert zu fragen. Der weiß sicher manches: Er war bis November 1979 Senatsrat beim Bausenator und leitete den Bewilligungsausschuß.
Heute sitzt Baumert in den Beiräten mehrerer Gesellschaften der Wohnbau-Design.
Von der Wohnbau-Design betreute Häuser Wiener Straße 11 undFriesenstraße 12.