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FLUGVERKEHR Höchste Zeit

Der Plan der Lufthansa, mit der Iberia eine Charterfirma aufzubauen, ist vorerst gescheitert. *
aus DER SPIEGEL 6/1987

Im Januar wollte Dietmar Kirchner eigentlich aus dem kalten Frankfurt weg sein: Da sollte sein Schreibtisch schon in Palma de Mallorca stehen.

Doch aus dem Umzug auf die spanische Balearen-Insel wird vorerst nichts. Kirchners Arbeitgeber, die Deutsche Lufthansa, braucht das Büro in Palma nicht, die geplante Zusammenarbeit mit der spanischen Fluggesellschaft Iberia kommt wahrscheinlich nicht zustande.

Lufthansa-Chef Heinz Ruhnau hatte im vergangenen Jahr mit Iberia-Präsident Narciso Andreu vereinbart, eine gemeinsame Charterfluggesellschaft zu gründen. Der Sitz der neuen Firma sollte Palma de Mallorca sein. Kirchner war als einer der Manager vorgesehen.

Die Verhandlungen sind inzwischen festgefahren. Niemand rechnet mehr damit, daß die neue Gesellschaft wie geplant in diesem Herbst die ersten Fluggäste befördert.

Noch vor ein paar Wochen hatten Kirchner und seine spanischen Partner einen Vertrag ausgehandelt, den beide Seiten für unterschriftsreif hielten. Die neue Gesellschaft sollte mit einem Kapital von 25 Millionen Mark ausgestattet werden. Lufthansa und Iberia wollten jeweils 48 Prozent aufbringen.

Die Führung sollten je zur Hälfte Deutsche und Spanier übernehmen. Die Deutschen sollten sich vor allem um Pünktlichkeit und technische Zuverlässigkeit kümmern. Die Piloten und Stewardessen sollten zum größten Teil von der Iberia-Tochtergesellschaft Aviaco übernommen werden. Auch über die Zahl der Flugzeuge waren sich die Unterhändler schon einig. Die neue Gesellschaft sollte zunächst mit sieben geleasten Boeing-737-Maschinen starten.

Die Spanier zeigten sich überaus interessiert, mit Hilfe der Lufthansa eine Charterfluggesellschaft aufzubauen. Der Ruf der Iberia-Chartertochter Aviaco, die in Zukunft nur noch im Inland fliegen soll, ist so lädiert, daß immer mehr Reiseveranstalter sich weigerten, Aviaco-Maschinen einzusetzen.

Die Spanier verlangten zwar, daß die deutschen Reiseveranstalter ein Drittel

der Touristen mit spanischen Fluggesellschaften transportierten. Doch schließlich flog nur noch jeder zehnte deutsche Charterreisende mit Aviaco, Spantax oder Hispania nach Spanien.

Die Lufthansa-Manager andererseits hofften, mit dem Gemeinschaftsunternehmen in neue Märkte vorzudringen. Denn das ibero-deutsche Unternehmen sollte von Spanien aus auch nach England, Skandinavien, Österreich oder Italien fliegen, was einer Gesellschaft ohne spanisches Kapital nicht erlaubt ist. Die Lufthansa oder ihre Chartertochter Condor etwa dürfen nur zwischen der Bundesrepublik und Spanien verkehren.

Für die Chartergesellschaften ist die Aussicht, von jedem Land aus Urlauber auf die iberische Halbinsel zu bringen, überaus reizvoll. Kein Land zieht so viele Touristen an wie Spanien mit seinen Inseln im Mittelmeer und vor den Küsten Afrikas. Die meisten Besucher kommen aus England, danach folgen Deutsche und Skandinavier.

Daß sich über die Beteiligung an einer spanischen Fluggesellschaft neue Märkte eröffnen, hatten vor der Lufthansa schon andere entdeckt. Bereits im Sommer vergangenen Jahres gründete die englische Air Europe zusammen mit zwei spanischen Banken die Air Europa. Die neue Gesellschaft wird nicht nur Briten nach Spanien befördern, sondern auch von Düsseldorf aus TUI- und Neckermann-Urlauber nach Palma fliegen.

Ähnliche Pläne wie die Air Europa, die mit dem britischen Touristik-Konzern Intasun verbunden ist, verfolgen die belgische Sabena und der spanische Reiseveranstalter Viajes de la Luz.

Auch die Düsseldorfer LTU will noch in diesem Jahr in Spanien starten. Geschäftsführer Werner Huehn will im November eine neue Gesellschaft gründen, an der sich die LTU mit mindestens 25 Prozent beteiligen will.

Für Lufthansa und Condor war es daher höchste Zeit, sich ebenfalls mit einem spanischen Partner zu verbinden. Mit der Iberia, so hofften sie, hätten sie den richtigen gefunden. Schon im Dezember vergangenen Jahres sollten die Aufsichtsräte von Lufthansa und Iberia die ausgearbeiteten Verträge billigen.

Doch im letzten Moment ging alles schief. Die Direktoren der staatlichen Iberia-Holding INI blockten Andreu ab. Sie verlangen mehr Einfluß an der Unternehmensspitze und Lohngarantien für das ehemalige Aviaco-Personal.

Das aber ist für die Deutschen unannehmbar. Eine Gesellschaft, die an die alten Aviaco-Tarifverträge gebunden ist, so fürchten Lufthansa-Leute, hätte im Konkurrenzkampf mit den anderen Newcomern keine Chance.

Vor allem auf dem englischen Markt herrscht harter Preiswettkampf. Und auch die deutschen Reiseveranstalter wollen nur dann mit den neuen Gesellschaften

fliegen, wenn sie billiger sind als etwa Condor und Hapag-Lloyd.

Wie es mit der Iberia weitergeht, ist den Lufthansa-Managern noch nicht restlos klar. Noch in diesem Monat will sich Ruhnau selbst in Madrid ein Bild machen. Inzwischen sieht sich die Lufthansa bereits nach anderen Partnern um: Auch die Hispania oder die Spantax suchen Anschluß.

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