Höschen-Hetze gegen Bayer Schmutzige Tricks mit schmutzigen Slips
Hamburg - Die Öko-Wäschefirma Pants to Poverty wollte ein Stück weit die Welt verbessern. Das Unternehmen stellt ökologisch korrekte Schlüpfer her, solche, in denen keine Giftstoffe zu finden sind. Zuletzt aber zweckentfremdeten die Briten die Textilien als PR-Wunderwaffe. Erstes Opfer: die Firma Bayer CropScience, eine Tochter des deutschen Chemiekonzerns Bayer.
Anfang Juli startete Pants to Poverty die Höschen-Hetze gegen den Pharmariesen. Auf ihrer Firmen-Web-Seite forderten die Briten ihre Kunden dazu auf, Bayer ein altes, kaputtes Paar Baumwoll-Unterhosen einzuschicken. Belohnung dafür: ein Öko-Slip, gratis. Verknüpft war die Kampagne mit der Aufforderung, die Vermarktung des hochgiftigen Insektizids Endosulfan aufzugeben.
Hintergrund der Aktion: Das Pflanzenschutzmittel steht im Verdacht, krebserregend zu sein und wirkt in hohen Konzentrationen tödlich. Die World Health Organization hat ausgerechnet, dass jährlich gut 20.000 Bauern durch Pestizide wie Endolsulfan sterben.
Das Mittel ist in den Staaten der Europäischen Union und vielen anderen Ländern verboten, wird aber noch immer zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt, zum Beispiel auf Baumwollplantagen. Bayer CropScience ist neben den Firmen Makhershim-Agan und Hindustan Insecticides eines der wenigen Unternehmen, das diesen Giftstoff noch vermarktet.
Der Slipprotest diente also einer guten Sache - und war auch medial geschickt eingefädelt: Pants to Poverty organisierte kleine Demos in mehreren Städten. Aktivisten konnten sich auf Facebook vernetzen, und die Firma dokumentierte in einschlägigen sozialen Netzwerken, wie mit Unterhosen bewaffnete Kleingruppen durch urbane Zentren marschieren. Dazu veröffentlichte sie kryptische Kurzvideos auf YouTube . In einem davon wird etwa ein Mann von einem ameisenbärartigen Monster angefallen, das ihm den Schlüpfer von der Hüfte zerrt.
Pants to Poverty folgte also der gängigen Strategie Demo 2.0: Man nehme ein komplexes, gesellschaftlich relevantes Thema (in diesem Fall ein giftiges Pestizid), verbreite es in gängigen sozialen Netzwerken, flankiere es mit medienwirksamen Aktionen auf der Straße und schon ist die Anti-Bewegung geboren. Pants to Poverty hätte ein bisschen so sein können wie der Öko-Aktivist und Bankiersohn David de Rothschild, der einen Katamaran aus Müll baut, um damit über den Ozean zu segelnund ein Zeichen gegen die Verschmutzung der Weltmeere und für Recycling zu setzen.
Doch die Briten mogelten. Sie inszenierten einen Kampf, der keiner war. Und obwohl die Kampagne kaum Wellen schlug, feierten sie sich als Sieger.
Wie die Revolution vermasselt wurde
So steht im Blog von Pants to Poverty, Aktivisten aus 16 Ländern hätten sich an der Aktion beteiligt. Doch die Facebook-Gruppe hat gerade mal knapp 200 Fans - ein bisschen dürftig für eine Massenbewegung im Web. Auch die YouTube-Videos hatten bisher nur ein paar hundert Zuschauer, die spaßigen Städtedemos kaum mehr.
Und ein Sprecher der Firma Bayer teilte auf Anfrage mit, dass bei der Firma insgesamt "etwa 20 Protestschreiben eingegangen sind". Vielleicht zehn davon seien mit Schlüpfern gespickt gewesen, einige davon ungewaschen. Man habe die Slips in die Mülltonne geworfen.
Dass die Kampagne so wenig Wums entfaltete, dürfte mit daran liegen, dass die Aktion nur wenige Wochen dauerte. Pants to Poverty ließ der Idee kaum Zeit, sich viral zu verbreiten. Der Hersteller setzte offenkundig auf schnelle Effekte - und er konnte dies tun, da er gegen einen Konzern agierte, bei dem relativ klar war, dass er einlenkt.
In ihrem Blog brüsten sich die Briten mit einem Brief, den Bayer ihnen bereits kurz nach Kampagnenstart geschickt hat. In diesem gibt der Konzern an, die Vermarktung des Wirkstoffes Endosulfan "bis zum Jahresende 2010 sukzessive in den Ländern, in denen er noch registriert ist", zu beenden. Auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE konkretisierte Bayer diese Formulierung: Man werde ab Anfang 2011 kein Endosulfan mehr verkaufen - in keinem Land und in keiner Form.
Bayers Einlenken ist das Ergebnis jahrelanger Lobbyarbeit von Umwelt- und Gesundheitsorganisationen. Von Aktivisten wie dem Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) , das detailliert dokumentiert hat, wie in afrikanischen Ländern Arbeiter auf Baumwollplantagen durch Endosulfan vergiftet worden sind. Solche Aktionen brachten Bayer 2007 dazu, die eigene Endosulfan-Produktion einzustellen. Seitdem vermarktet der Chemieriese nur noch die Produktion anderer Hersteller.
Die Öko-Lobby hat die EU-Kommission außerdem zu dem Vorschlag bewegt, Endosulfan auf die Verbotsliste der Stockholmer Konvention zu setzen. Die Herstellung und Gebrauch des Stoffs wären dann in den meisten Ländern der Erde verboten. Viele NGOs rechnen damit, dass dies 2011 auf der nächsten Vertragsstaatenkonferenz beschlossen wird - entsprechend ist auch Bayers Ankündigung, den Verkauf Ende 2010 zu stoppen, keine Überraschung.
Und was sagt Pants to Poverty dazu? Kampagnenleiter Ben Ramsden beantwortet weder telefonische noch schriftliche Anfragen. Doch in ihrem Blog deklariert die Firma die Kampagne als "Erfolg" - und bietet Kunden als Belohnung noch bis Anfang August Rabatte beim Schlüpferkauf.
In einem hat die Firma recht, wenn sie ihren Schlüpferangriff als Sieg deklariert. Immerhin dürfte Pants to Poverty ein paar Textilien mehr losgeworden sein.