HRE-Verstaatlichung Aktionäre werfen Bund Betrug vor
München - Buhrufe und Pfiffe tönen durch den Saal, als Hypo-Real-Estate-Chefaufseher Michael Endres und Konzernlenker Axel Wieandt die Bühne betreten. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger spricht von der "schwärzesten Stunde" des deutschen Kapitalmarktrechts.

Hypo-Real-Estate-Chef Wieandt (r.), Aufsichtsratschef Endres: "Keine Basis für eine Fortführung der Gesellschaft"
Foto: DPAOrt der Empörung ist München, genauer: die außerordentliche Aktionärshauptversammlung der maroden Immobilienbank. Grund für die Entrüstung ist die anstehende Verstaatlichung des Finanzriesen, der durch Zockereien und den Crash der internationalen Finanzmärkte am Rande des Abgrunds steht.
Trotz der lautstarken Proteste vieler Aktionäre hat Wieandt am Dienstag erneut für die Verstaatlichung seiner Bank geworben. "Es gibt für die Hypo Real Estate keine realistische Alternative zur Beteiligung des Bundes", sagte er. Die HRE sei von der Finanzkrise voll erwischt worden und alleine schlicht nicht überlebensfähig. "Ohne Unterstützung des Bundes gäbe es keine Basis für eine Fortführung der Gesellschaft und der Gruppe. Wir hätten bereits Insolvenz für die Gesellschaft beantragen müssen."
Die Kleinaktionäre hatten für diese Argumente wenig Verständnis. Sie machten ihrem Ärger vor und während des Treffens durch laute Zwischenrufe Luft. "Wenn man mir meine Aktien nimmt, ist das wie in einer Diktatur", sagte ein aufgebrachter Kleinaktionär. "Die kleinen Aktionäre werden kalt lächelnd aussortiert", schimpfte ein zweiter. Ein dritter sprach von "Betrug".
US-Großaktionär J.C. Flowers, einer der schärfsten Kritiker der vollständigen Verstaatlichung, machte sich gar nicht erst die Mühe, persönlich bei dem Treffen anwesend zu sein. Die von Flowers angeführten Investoren kontrollieren derzeit noch rund 14 Prozent der HRE-Anteile - die verhasste Verstaatlichung lässt sich damit nicht abwenden.
Geplant ist eine Kapitalerhöhung von bis zu 5,6 Milliarden Euro. Vom Kauf der neuen Aktien sollen alle anderen Aktionäre ausgeschlossen sein, so dass der Bund einziger Käufer wäre und sich somit eine Mehrheit von mindestens 90 Prozent sichern kann. Damit kann er dann die restlichen Aktionäre durch ein sogenanntes Squeeze Out herausdrängen.
Bislang hält der Bund gut 47 Prozent an der HRE. Theoretisch könnte er die Abstimmung über die Kapitalerhöhung damit auf der Hauptversammlung verlieren. Dazu müssten allerdings knapp 95 Prozent aller Aktionäre der HRE anwesend sein, was als unwahrscheinlich galt.
Die anwesenden Anleger jedenfalls warfen nicht nur der HRE, sondern auch der staatlichen Bankenaufsicht Versagen vor: "Jetzt müssen wir denen, die für den ganzen Mist verantwortlich sind, auch noch unsere Aktien geben! Das kann kein Mensch verstehen", sagte Harald Petersen von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger unter großem Beifall von Kleinaktionären.
Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kritisierte, dass die "kriminellen Vorgänge um die Hypo Real Estate nicht vom Staat und seinen Aufsichtsbehörden verhindert wurde". Der alte HRE-Vorstand habe "bewusst gezockt" und die Bank "leichtfertig in den Ruin gefahren". Aber das Desaster sei "auch das Ergebnis eines eklatanten Versagens unseres Staates, eine funktionsfähige Bankaufsicht auf die Beine zu stellen", sagte Bergdolt. Den Aktionären bleibe nur noch "Resignation und Wut". Das "elementarste Recht der Aktionäre auf Erhalt ihres Eigentums" und der Rechtsstaat würden auf dem Marktplatz der politischen Opportunität geopfert, klagte Bergdolt.
Der Chef des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin), Hannes Rehm, hatte bereits vor dem Aktionärstreffen versucht, die aufgebrachten Anleger zu beruhigen. Er versprach in der "Süddeutschen Zeitung", die HRE so rasch wie möglich wieder privatisieren zu wollen. Dies könne in zwei bis drei Jahren der Fall sein, wenn die Bank wieder in der Lage sei, sich komplett über den Kapitalmarkt zu refinanzieren. Weitere Voraussetzungen für die Privatisierung seien ein funktionierendes Geschäftsmodell sowie Erfolg im Neugeschäft.
Die Hypo Real Estate hat bereits Garantien und Bürgschaften in Höhe von gut hundert Milliarden Euro in Anspruch genommen. Laut Wieandt reicht das nicht. Die Bank sei noch nicht über den Berg, warnte der Institutschef. "Wir gehen auch für die Geschäftsjahre 2009 und 2010 von hohen Ergebnisbelastungen aus." Auch in den kommenden Monaten seien daher weitere Hilfen notwendig. "Die Gruppe ist auf umfassende Liquiditäts- und Kapitalhilfe angewiesen, um ihr Überleben zu sichern." Die Sanierung werde voraussichtlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Die HRE will zu einer Spezialbank für Immobilien- und Staatsfinanzierung schrumpfen. Aus der Infrastrukturfinanzierung und aus Schwellenländern will sich das Unternehmen zurückziehen.