BAUMARKT Hu-Hu-GmbH
Bei Albert Victor, Chef des gewerkschaftseigenen Wohnungs-Trusts Neue Heimat, klingelte das Telephon. Vom anderen Ende der Leitung meldete sich Bayerns Ministerpräsident Alfons Goppel »außerhalb der offiziellen Dienstgeschäfte in einer Sache, die mir sehr am Herzen liegt.
Bayerns Landesvater bat Victor um die Gefälligkeit, den Münchner Baulöwen und CSU-Freund Georg Hubmann, 61, aus finanziellen Kalamitäten zu erlösen. Goppel fragte, ob die Neue Heimat nicht die brüchige Hubmann-Gruppe, die sich auf den Bau von Alten-Wohnheimen spezialisiert hat, übernehmen könnte. Andernfalls drohe einigen tausend Pensionären und Anlegern, die viele Millionen Mark in Hubmanns Wetterstein-Fonds einzahlten, etwas Fürchterliches.
Der zweieinhalb Zentner schwere Unternehmer und Chef der »Unternehmensgruppe Wetterstein«, Dr. h. c. Georg Hubmann, ließ noch am Mittwoch vergangener Woche verlauten, er stehe keineswegs »vor dem Ruin«, vielmehr wolle er verhindern, daß »Tausenden Schaden erwächst«.
Bis Freitag war es dem Münchner Baulöwen, der im vergangenen Jahr angeblich einen Gewinn von 30 Millionen Mark gemacht hatte, nicht möglich gewesen, die letzten Löhne für seine Maurer und Zimmerer in Höhe von etwas mehr als einer Million Mark zu beschaffen. Das Unternehmen leide, so versuchte Hubmann herunterzuspielen, »unter einer relativ geringen Liquiditätslücke«.
Vorausgegangen waren Hilfeersuchen Hubmanns bei Alfons Goppel und einem weiteren Hubmann-Intimus, Bayerns ehemaligem Kultusminister Professor August Rucker. Schon am 23. Juli hatte der Professor ein vertrauliches Gespräch im Bonner Finanzministerium geführt. Dabei wurde erstmals klar, wie es um die Wetterstein-Gruppe bestellt, ist. Rucker, Vorsitzender des Vereins Altenhilfe durch Privatinitiative e. V., bat im Schmidt-Ministerium um die Vermittlung einer Zwischenfinanzierung in Höhe von 40 Millionen Mark. Doch der Bittsteller zog mit hoch rotem Kopf wieder ab, ein Schmidt-Beamter hatte ihm deutlich gemacht, daß »dies ja nun nicht zu unserem Gewerbe gehört.
Aus derartigen Vorstößen schlossen Branchenkenner, daß die Banken kein Vertrauen mehr zu Hubmann haben. Ursache solchen Argwohns sind
* die undurchsichtigen Verhältnisse der Wetterstein-Gruppe, die allein in München zehn ineinander verschachtelte Hubmann-Firmen umfaßt;
* die übermäßige Expansion des Unternehmens; der Inhaber vermehrte die sieben bereits bestehenden Altenheime mit etwa 2500 Bewohnern schlagartig um weitere fünf Projekte;
* die ungewöhnlichen Finanzierungsmethoden; Eigenkapital beschaffte sich der Unternehmer durch Ausgabe von Zertifikaten, die er mit einer Zinsgarantie bis zu 9 1/4 Prozent netto ausstattete. Wer 5000 Mark oder mehr zahlte, erhielt außer den Zinsen noch ein »Bezugsvorrecht« für die Unterkunft in einem der Wetterstein-Wohnheime.
Dem Münchner wurde der Umstand zum Mißgeschick, daß die Käufer mit Zahlungen zurückhielten und die Banken mit Krediten geizten. So hatte die Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank in Hamburg ihm für den Bau eines 16geschossigen Senioren-Wohnheims in Bad Lippspringe eine erste Hypothek von 42 Millionen zugesagt
unter der Bedingung, daß das 1-laus erst einmal fertiggestellt werden müßte. Doch der Bau blieb in den Anfängen stecken, und die Hamburger haben »keinen Anlaß, den Geldhahn aufzudrehen« -- so ein Banksprecher.
Um den Kundenzulauf zu verstärken, riß Hubmann immer neue Projekte auf. In seinen Firmen herrschte er wie ein absoluter Fürst, selbst die kleinsten Entscheidungen behielt er sich vor. Seine Mitarbeiter holte er manchmal nachts aus den Betten; nach Besprechungen mußten sie seine schriftliche Genehmigung zum Verlassen des Büros einholen.
Aber auch den Behörden gegenüber gab sich Hubmann souverän. So wandelte er in seinen Häusern an der Grünwalderstraße in München rund 50 Wohnungen in Büroräume um, ohne die dafür notwendige »Zweckentfremdungsgenehmigung« der Stadt zu haben. Seufzte der Leiter der Lokalbaukommission Dieter Wahls: »Für Hubmann bräuchten wir einen eigenen Juristen.«
Erstmals bekannt wurde Hubmann, als Anfang des Jahres 1959 der Plan publik wurde, im staatseigenen Perlacher Forst an der Südgrenze Münchens mehrere tausend Wohnungen zu errichten. Als energischer Befürworter des Projekts tat sich Bayerns ehemaliger Landwirtschaftsminister und oberster Forstherr, Dr. Dr. Alois Hundhammer, hervor. Er wolle damit »endlich Bauland zu geeigneten Preisen« bereitstellen und »maßlosen Spekulationen mit Bauplätzen« begegnen.
Mit Zornesausbrüchen reagierte der »fromme Alisi« (Volksmund), als bekannt wurde, daß er mit 5000 Mark Gesellschafter bei der »München-Harlachinger Wohnbau GmbH« war, einer Tochterfirma eben des Bauunternehmers Georg Hubmann, dem aus Staatsareal Bauplätze zugeschlagen werden sollten. Der Plan scheiterte. doch fortan hieß die Hundhammer-Hubmann-Verbindung: »Hu-Hu-GmbH.
1960 erkannte Hubmann: »Für die alten Menschen muß was geschehen.« Seine Idee war das sogenannte Drei-Stufen-System. Die Senioren-Stifte sollten zugleich Wohnheim für Selbstversorger, Komfort-Asyl mit Totalbetreuung und Siechenheim für Pflegefälle sein. Seine Senioren-Wohnheim Wetterstein GmbH (nahe dem Münchner Wettersteinplatz> bot schon 50jährigen einen Altersruhesitz. Wichtiger als die Zahl der Jahre war Hubmann die Zahl der Stellen auf dem Bankkonto.
Der »Sozialunternehmer« (Hubmann) verkaufte Eigentumswohnungen bereits 1965 zum stolzen Quadratmeterpreis von 1200 Mark und mehr. 1968 kostete das kleinste Wetterstein-Appartement in Brühl am Rhein 40 000 Mark.
Wer sich als Mieter einen Platz für den Lebensabend sichern wollte. mußte bei Abschluß des »Anwartschaftsvertrages« bis zu 15 000 Mark als »zu erlegende Barleistung« erbringen, die beim späteren Einzug in eine »Mietkaution« umgewandelt wurde. Dieses Geld wurde von Hubmann nicht verzinst.
Fragen, warum dennoch die Mieten je Quadratmeter um 50 bis 100 Prozent über den normalen in München geforderten Mieten lägen, wies Hubmann ab: »Senioren-Wohnungen können nicht mit den üblichen Mietwohnungen verglichen werden.«
Mit nachlassendem Geldeingang und wachsendem Kreditbedarf wurde der Spielraum für den energischen Bauunternehmer immer enger. Am vergangenen Freitag schließlich war es soweit: Hubmann meldete beim Amtsgericht München den Vergleich an.
Zuvor hatte er noch einen letzten Versuch unternommen, die eingelaufene Kapitaldecke zu strecken. Er bat Bundeskanzler Willy Brandt, der als Ehrenmitglied dem Hubmann-Verein Altenhilfe durch Privatinitiative e.V. angehört, fernschriftlich um telephonischen Rückruf. Der Kanzler möge die Bundesbank veranlassen, ihre Kreditpolitik zu lockern, damit sie »in diesem speziellen Fall einer Finanzierung der zugesagten Hypotheken zustimmen kann«.