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Hürdenlauf für Trümmerfrauen

aus DER SPIEGEL 33/1987

Die Rentenrechnungsstelle der Deutschen Bundespost hat vergangene Woche bei Rentnerinnen, die älter als 80 Jahre sind, Verwirrung ausgelöst. Einem Schreiben können sie entnehmen, daß am 1. Oktober das Gesetz über Kindererziehungsgeld für Trümmerfrauen in Kraft tritt. Erst einmal bekommen alle, die vor 1907 geboren sind, 27 Mark im Monat. Zuvor jedoch müssen die Antragstellerinnen einen Hindernislauf durch die Bürokratie bewältigen. Die Formulare dürfen sie nicht an den Absender zurückschicken, sondern müssen sie von den örtlichen Versicherungsämtern bestätigen lassen. Dafür wiederum brauchen die alten Frauen die Geburtsurkunden ihrer Kinder - die müssen sie häufig erst beim Standesamt am Geburtsort beantragen. Ärger verursachen auch Ungereimtheiten des Gesetzes: Frauen etwa, deren Kind kurz nach Geburt gestorben ist, erhalten das Erziehungsgeld, während alle, die einen Witwer geheiratet und dessen Kinder aufgezogen haben, leer ausgehen. Das Sozialministerium versuchte dem Chaos zu begegnen, indem es auch Bürgermeister und Krankenkassen verpflichtete, Anträge auf Kindererziehungsgeld für Trümmerfrauen entgegenzunehmen. Der christdemokratische Generalsekretär Heiner Geißler riet, in Altenheimen und Fußgängerzonen über das »historische Gesetzeswerk« zu informieren, damit es nicht im Bürokratensumpf versinke.

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