I.G.-Farben-Insolvenz Ehemalige Zwangsarbeiter gehen leer aus
Frankfurt am Main - "Wir haben beschlossen, unverzüglich Insolvenz anzumelden", sagte der Liquidator Volker Pollehn am Montag in Frankfurt. Auslöser seien Zahlungsschwierigkeiten des hoch verschuldeten Immobilien- und Beteiligungskonzerns WCM , der die Immobilien der I.G. Farbenindustrie AG in Abwicklung übernehmen sollte. Das Unternehmen ist der Rechtsnachfolger des Chemie-Konglomerats, das eng mit dem Nazi-Regime verflochten war.
WCM-Vorstandschef Roland Flach habe vor wenigen Tagen in Gegenwart von Banken-Vertretern erklärt, er stehe zu dem Vertrag, sagte Pollehn. Die Vereinbarungen zwischen WCM, einst selbst eine Tochter des Konzerns, und der I.G. Farben beruhen auf komplizierten Finanztransaktionen und Vertragswerken. Er sei sich nicht sicher, ob WCM nun auch Insolvenz beantragen müsse, meinte Pollehn. Die Liquidatoren würden selbst keine Schritte gegen WCM einleiten.
Die Pressekonferenz in Frankfurt wurde begleitet von lautstarken Protesten. Die Demonstranten kritisierten, dass ehemalige Zwangsarbeiter, die von der I.G. Farben zu Zehntausenden ausgebeutet worden waren, nun leer ausgehen. Pollehn und der zweite Liquidator Otto Bernhardt teilten mit, dass eine Stiftung der I.G. Farben über ein Vermögen von 500.000 Mark verfüge. Geplant war, die Stiftung nach der Auflösung des Unternehmens mit weiteren Geldern auszustatten, was auf Grund der Insolvenz nun nicht mehr möglich sei.
Die I.G. Farben produzierte während des Zweiten Weltkriegs das Giftgas Zyklon B, das zur Ermordung von Menschen in den Konzentrationslagern eingesetzt wurde. Nach der Zerschlagung in ihre Einzelteile durch die Alliierten gingen aus der I.G. Farben unter anderem die Chemie-Unternehmen BASF , Bayer und Hoechst (heute Aventis ) hervor.
Die Rechtsnachfolgerin I.G. Farbenindustrie AG soll seit mehr als 50 Jahren aufgelöst werden. Die Vermögenswerte sind bis auf Immobilien verkauft, allerdings zögerten Gerichtsverfahren und ungeklärte Ansprüche auf Vermögen in den neuen Bundesländern sowie in der Schweiz die Abwicklung immer wieder hinaus. Die Aktie wird lebhaft gehandelt und ist beliebt bei Finanzjongleuren.