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POST In weiter Ferne

Die Post will ihre Kunden verwöhnen - mit allerlei Schnickschnack an neuen Telephongeräten.
aus DER SPIEGEL 6/1981

Der Bundespostminister ist ganz auf Service eingestellt. Er wolle, erklärt Kurt Gscheidle, dem Bürger nicht verordnen, was gut für ihn sei: »Wir richten uns nach den Kundenwünschen.«

Nur ein bißchen nachhelfen tut die Post schon, wenn die Kunden nicht genau wissen, was sie sich wünschen. So möchte Gscheidle die Deutschen nun überzeugen, daß sie nicht billigere Telephontarife brauchen, sondern mehr Komfort. Denn das Komfort-Telephon hat die Post bereits, und sie will auch daran verdienen.

Der Postverwaltungsrat muß -- in dieser Woche -- die neue Errungenschaft noch billigen. Spätestens im Juni sollen die Geräte dann für jedermann zu haben sein.

Es sind kleine Computer, die dem Kunden das Telephonieren erleichtern sollen. Kostbare Sekunden wird er sparen, lästige Fingerbewegungen unterlassen können.

Der Apparat speichert bis zu zehn Rufnummern. Jeder dieser Anschlüsse kann dann künftig durch schlichten Knopfdruck erreicht werden. Gedreht wird ohnehin nicht mehr, es gibt nur noch Tasten.

Auch die zweite Hand des Telephonierers wird entlastet: Der neueste Stand der Technik erlaubt es, eine Nummer zu wählen, ohne den Hörer abzunehmen.

Ein im Telephon eingebauter Lautsprecher signalisiert dem Anrufer in diesem Fall, ob der Anschluß zustande gekommen ist. Ist die gewählte Nummer besetzt, kann der Apparat auf Knopfdruck die Nummer automatisch noch einmal wählen.

Ganz kostenlos ist soviel Komfort natürlich nicht. Außer einer Änderungsgebühr von 40 Mark verlangt die Post für den neuen Apparat 11,80 Mark über die monatliche Grundgebühr von 27 Mark hinaus. Die Miete kann auch mit einem Schlag bezahlt werden: Das kostet dann 697 Mark, genau kalkuliert.

Die neuen Geräte sollen Postminister Gscheidle helfen, ein wenig das Image des staatlichen Monopolbetriebes aufzubessern. Schon Ende vergangenen Jahres hatte die Post bereits modische Telephone eingeführt, Apparate aus Edelholz oder Onyx, verziert mit preußischem Adler oder Mickymaus. Auch ein Familientelephon mit Lautsprecher und mehreren Anschlüssen ist zu haben.

Gscheidle will sich mit dem neuen Produkt vor allem aber gegen den Vorwurf wehren, die Post verschlafe moderne Technologien. Er möchte der Fernmelde-Industrie helfen, den Anschluß an die internationale Konkurrenz zu schaffen. »Beim Komfort-Apparat«, glaubt der Minister, »haben wir den Anfang gemacht.«

Die Industrie wird es danken. Aber die ganz moderne Technik ist das noch immer nicht.

Denn die Nummer, die der Anrufer durch Tastendruck anwählt, wird in den Vermittlungsstellen immer noch Ziffer für Ziffer durchgewählt. Der Anschluß kommt somit nicht schneller als bisher zustande, nur die Nummer kann rascher eingegeben werden. Erst in einem elektronischen Wählsystem (EWS) ist der gewählte Anschluß sofort nach Drücken der entsprechenden Tasten hergestellt.

Dieses System aber wird erst in 15 Vermittlungsstellen erprobt. Der Hersteller Siemens und die Bundespost hatten sich bei der Planung des EWS gründlich verrechnet (SPIEGEL 37/1979).

So liegt der wahre Telephonkomfort noch in weiter Ferne. Ehe das ganze Netz auf EWS umgestellt ist, weiß Abteilungsleiter Franz Arnold vom Postministerium, werden »noch zwanzig Jahre vergehen«.

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