Abhängigkeit von Russland Industrie sieht europäisches Gasnetz nicht für Energieembargo gerüstet

Flüssiggastanker in Rotterdam
Foto: Lex Van Lieshout / AFPAuf Importe von russischem Gas und Öl kurzfristig zu verzichten, würde die europäischen Industrieunternehmen nach Einschätzung des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) massiv schädigen. »Die EU ist nicht auf ein kurzfristiges, umfassendes Energieembargo vorbereitet«, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm dem SPIEGEL. »Sie würde damit ihre Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit wirtschaftlich und politisch aufs Spiel setzen.« Bei ausbleibenden Energielieferungen drohten Produktionsstopps mit unübersehbaren Folgen für Lieferketten und Beschäftigung.
Der ganzen EU drohe bei einem Boykott russischer Gaslieferungen eine »Zerreißprobe«, so Russwurm weiter. Denn das europäische Gasnetz sei bislang noch nicht auf Gasflüsse von West nach Ost ausgelegt. »Es ist unklar, ob bei einem Stopp russischer Gaslieferungen Flüssiggas, das in den Niederlanden oder Belgien anlandet, den Weg bis nach Tschechien oder die Slowakei findet«, sagte Russwurm. Ein Gasembargo würde Produktionsunterbrechungen, Beschäftigungsausfälle und in einigen Fällen massive Schäden an Produktionsanlagen verursachen. Davor hatte bereits eine Reihe weiterer Wirtschaftsverbände gewarnt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte am Mittwoch im Bundestag Öl- und Gaslieferungen aus Russland. Scholz sagte, ein Stopp des Imports russischen Öls könne nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Bei überhasteten Schritten drohe Deutschland eine Rezession. Die Sanktionen dürften die EU nicht härter treffen als die russische Führung. Im Übrigen würden die Sanktionen gegen Russland täglich nachgeschärft, viele Auswirkungen zeigten sich aber erst nach Wochen.
»Wir unterstützen die von den westlichen Bündnispartnern verhängten Sanktionsmaßnahmen gegen Russland«, sagte BDI-Präsident Russwurm. »Wir sind uns darüber im Klaren, dass gegebenenfalls weitere harte und unmissverständliche Reaktionen folgen müssen.«